Studie zeigt keine negativen Auswirkungen religiösen Trockenfastens auf den Blutzuckerspiegel bei Personen ohne Diabetes



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24.09.2024 11:00

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Studie zeigt keine negativen Auswirkungen religiösen Trockenfastens auf den Blutzuckerspiegel bei Personen ohne Diabetes

Ein Forscherteam um Prof. Dr. Olga Ramich vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin hat in einer ersten Pilotstudie die Auswirkungen von religiösem Trockenfasten und zeitlich begrenztem Essen auf den Verlauf und die Höhe des Blutzuckerspiegels untersucht. Die Studie ist die erste ihrer Art, bei der eine kontinuierliche Glukosemessung eingesetzt wurde, um diese Fastenmethoden bei einer kleinen Gruppe von Proband*innen ohne Diabetes zu bewerten. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nutrients veröffentlicht.

Fasten als religiöses Ritual

Intervallfasten hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen. Studien haben verschiedene gesundheitliche Vorteile aufgezeigt, darunter auch die Wirksamkeit bei der Gewichtsabnahme. Eine extreme Form des Intervallfastens ist das Trockenfasten, weil hierbei nicht nur auf feste Nahrung, sondern auch auf Flüssigkeit verzichtet wird. Ein Beispiel dafür ist das religiöse Bahá’í-Fasten. Es ähnelt dem Ramadan-Fasten, da es ebenfalls vor Sonnenaufgang startet und nach Sonnenaufgang endet. Die Anhänger der Bahá’í-Religion betrachten das Fasten als eine wichtige spirituelle Pflicht und fasten jedes Jahr im März 19 Tage hintereinander. Das Bahá’í-Fasten wird durchgeführt, wenn die Tage und Nächte ungefähr gleich lang sind. Dies macht es zu einem stabilen Modell für die Erforschung der Auswirkungen von intermittierendem Trockenfasten.

Verbesserter Glukosestoffwechsel

Die zeitlich eingeschränkte Nahrungszufuhr, auch bekannt als Time-Restricted Eating, ist eine weitere Form des Intervallfastens, die in den vergangenen Jahren immer bekannter geworden ist. Sie ist charakterisiert durch ein verkürztes Zeitfenster der Nahrungsaufnahme auf in der Regel weniger als 10 Stunden pro Tag, wobei der Zeitpunkt und die Dauer variieren. Viele Studien zeigen Verbesserungen des Glukosestoffwechsels, wie z. B. die Verringerung des mittleren 24-Stunden-Glukosespiegels, und eine verbesserte Insulinsensitivität. Es bleibt jedoch unklar, ob das intermittierende religiöse Trockenfasten als eine besondere Form des Intervallfastens vergleichbare Effekte auf den Blutzucker auslösen oder gar negativ wirken kann. Bekannt ist bisher, dass bei Menschen mit Diabetes, die diese Fastenform praktizieren, ein erhöhtes Risiko für Über- und Unterzuckerungen besteht. Welche Effekte bei Menschen ohne Diabetes auftreten, wurde bislang nicht erforscht.

Drei Gruppen im Vergleich

Vor diesem Hintergrund hat das Team um Prof. Dr. Olga Ramich untersucht, wie religiöses Fasten die Blutzuckerkontrolle und -variabilität bei Erwachsenen ohne Diabetes beeinflusst und inwiefern sich die Auswirkungen von denen einer zeitlich eingeschränkten Nahrungszufuhr unterscheiden. An der Pilotstudie nahmen 16 gesunde Männer und Frauen zwischen 18 und 69 Jahren teil. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt: Bahá’í-Fasten, Intervallfasten nach der 16:8-Methode oder Kontrollgruppe. Letztere durfte ihrer gewohnten Ernährung ohne zeitliche Einschränkungen nachgehen. Während der initialen Anlaufphase sowie während des 19-tägigen Interventionszeitraums wurden die Blutzuckerwerte der Teilnehmenden mithilfe eines am Oberarm platzierten Glukosesensors kontinuierlich überwacht. Zudem protokollierten die Proband*innen über den gesamtem Zeitraum ihre Ernährung.

Keine negativen Auswirkungen

Bei der Auswertung der Daten stellten die Forschenden fest, dass die Gruppe mit dem Bahá’í-Fasten zwar weniger Kalorien pro Tag konsumiert und Gewicht abgenommen hatte, sich aber keine nachteiligen Auswirkungen auf den 24-Stunden-Blutzuckerwert oder die glykämische Variabilität zeigten. Auch in der 16:8-Intervallfasten-Gruppe blieb der durchschnittliche Blutzuckerspiegel und die Variabilität während des gesamten Zeitraums unverändert. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sowohl religiöses Trockenfasten als auch zeitlich begrenztes Essen sicher in den Lebensstil von Menschen ohne Diabetes integriert werden können, ohne die Stoffwechselgesundheit zu beeinträchtigen“, sagt Prof. Dr. Olga Ramich, Leiterin der Abteilung Molekularer Stoffwechsel und Präzisionsernährung am DIfE. Wenn Menschen mit Diabetes fasten wollen, müssten sie zunächst mit ihrem Arzt sprechen, insbesondere wenn sie Insulin spritzen. Dieser könne helfen, den Behandlungsplan anzupassen, um sicherzustellen, dass das Fasten bedenkenlos durchgeführt werden kann.

Metabolische Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg

Die Studie unterstreicht die metabolische Flexibilität von Menschen ohne Diabetes und zeigt, dass sie den Blutzuckerspiegel auch bei erheblichen Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten stabil halten können. Diese Flexibilität ist eine gute Voraussetzung für ein effektives Gewichtsmanagement und verbesserte Ernährungsgewohnheiten. „Trotz der vielversprechenden Ergebnisse sind weitere Studien mit größeren Kohorten erforderlich, um diese Erkenntnisse zu bestätigen und die langfristigen Auswirkungen des Fastens auf die Stoffwechselgesundheit zu untersuchen“, sagt Studienkoordinatorin und Ernährungsberaterin Beeke Peters, die sich die Erstautorenschaft mit Dr. Christina Pappe von der Charité – Universitätsmedizin Berlin teilt.

Hintergrundinformationen

Glykämische Variabilität

Die glykämische Variabilität beschreibt die Schwankungen des Blutzuckerspiegels im Verlauf der Zeit. Sie kann u. a. durch die Ernährung, das Alter und die körperliche Aktivität beeinflusst werden. Durch das kontinuierliche Glukose-Monitoring (CGM) kann die glykämische Variabilität leicht gemessen und Schwankungen im Blutzuckerprofil aufgedeckt werden. Ein idealer durchschnittlicher Blutzuckerwert innerhalb eines Tages stellt keinen Vorteil dar, wenn der Verlauf des Glukosespiegels von Unter- und Überzuckerungen geprägt ist. So orientiert man sich z. B. bei der Blutzuckerkontrolle innerhalb der Diabetestherapie an dem so genannten „Time in Range“-Wert zwischen 70 und 180 mg/dL, in dem sich die Glukosewerte bestenfalls befinden sollten. Im Rahmen einer kontinuierlichen Glukosemessung lassen sich darüber hinaus weitere Metriken bestimmen, mit denen die glykämische Variabilität innerhalb eines Tages und zwischen unterschiedlichen Tagen beschrieben werden kann. Die glykämische Variabilität ist bei Übergewicht und bei Diabetesbetroffenen größer als bei gesunden Erwachsenen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Olga Ramich
Leiterin der Abteilung Molekularer Stoffwechsel und Präzisionsernährung
Tel.: +49 33200 88-2749
E-Mail: olga.ramich@dife.de

Beeke Peters (M. Sc.)
Studienkoordinatorin und Ernährungsberaterin
Tel.: +49 33200 88-2690
E-Mail: beeke.peters@dife.de


Originalpublikation:

Peters, B.*, Pappe, C. L.*, Koppold, D. A., Schipp, K., Arnrich, B., Michalsen, A., Dommisch, H., Steckhan, N., Pivovarova-Ramich, O.: Twenty-Four Hour Glucose Profiles and Glycemic Variability during Intermittent Religious Dry Fasting and Time-Restricted Eating in Subjects without Diabetes: A Preliminary Study. Nutrients 16(16):2663 (2024). [Open Access] (https://doi.org/10.3390/nu16162663)

* geteilte Erstautorenschaft

Ähnliche Publikationen

Pappe, C. L., Peters, B., Dommisch, H., Woelber, J. P., Pivovarova-Ramich, O.: Effects of reducing free sugars on 24-hour glucose profiles and glycemic variability in subjects without diabetes. Front. Nutr. 10:1213661 (2023). [Open Access]
(https://doi.org/10.3389/fnut.2023.1213661)

Peters, B., Koppold-Liebscher, D. A., Schuppelius, B., Steckhan, N., Pfeiffer, A. F. H., Kramer, A., Michalsen, A., Pivovarova-Ramich, O.: Effects of Early vs. Late Time-Restricted Eating on Cardiometabolic Health, Inflammation, and Sleep in Overweight and Obese Women: A Study Protocol for the ChronoFast Trial. Front. Nutr. 8:765543 (2021). [Open Access]
(https://doi.org/10.3389/fnut.2021.765543)

Schuppelius, B., Peters, B., Ottawa, A., Pivovarova-Ramich, O.: Time Restricted Eating: A Dietary Strategy to Prevent and Treat Metabolic Disturbances. Front. Endocrinol. 12:683140 (2021). [Open Access]
(https://doi.org/10.3389/fendo.2021.683140)


Bilder

Prof. Dr. Olga Ramich (l.) und Beeke Peters

Prof. Dr. Olga Ramich (l.) und Beeke Peters
D. Ausserhofer / S. Ruprecht
DIfE


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW