20.08.2021 10:41
Vogelgrippe: Mutiertes Abwehrgen erhöht Infektionsrisiko
Warum es Vogelgrippeviren gelingt, die Immunabwehr von manchen Menschen zu überwinden, erforschen Wissenschaftler*innen der Medizinischen Fakultät Freiburg / Publikation in Science
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
SARS-CoV-2 hat auf eindrückliche Weise gezeigt, dass tierische Viren auf den Menschen überspringen können. Die Erregerübertragung vom Tier zum Mensch, sogenannte Zoonosen, kann oft zu schweren Erkrankungen führen und sogar globale Pandemien auslösen. Welche Faktoren ermöglichen oder verhindern, dass Vogelgrippeviren den Menschen infizieren, untersucht ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg, der Sun Yat-sen University in Shenzhen, China, und dem Chinese Center for Disease Control and Prevention in Peking, China. Nun ist es den Wissenschaftler*innen gelungen, ein humanes antivirales Protein zu identifizieren, das entscheidend daran beteiligt ist, Infektionen von Menschen mit aviären Influenzaviren, also Vogelgrippeviren, zu verhindern. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Forscher*innen am 20. August 2021 im Fachmagazin Science.
„Bislang lässt sich nur schwer vorhersagen, warum manche Menschen ernsthaft an einem Vogelgrippevirus erkranken. Wir konnten nun einen Risikofaktor beim Menschen identifizieren“, sagt Prof. Dr. Martin Schwemmle, Forschungsgruppenleiter am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg. Patient*innen, die sich mit den aviären Influenzaviren des Typs H7N9 infizierten, trugen häufiger Mutationen in ihren MX1 Genen als die allgemeine Bevölkerung. Das MX1 Gen kodiert das antivirale Protein MxA, das als wesentlicher Bestandteil der genetischen Virusabwehr beim Menschen gilt. Bereits in früheren Studien konnten die Freiburger Forscher*innen zeigen, dass das Abwehrprotein MxA deutlich stärker die Vermehrung von aviären Influenzaviren hemmt als die von saisonalen Grippeviren, die sich bereits an den Menschen angepasst haben. Die in der Publikation nun entdeckten Mutationen führten zu einem kompletten Verlust der Fähigkeit von MxA, aviäre Influenzaviren abzuwehren. „Die laborbasierten Ergebnisse unserer vorangegangenen Arbeiten deuteten bereits darauf hin, dass MxA bei der Abwehr von Vogelgrippeviren eine wichtige Rolle spielen könnte. Allerdings fehlten bisher Beweise aus der menschlichen Bevölkerung, dass MxA tatsächlich solch eine Schlüsselfunktion im Menschen zukommt“, sagt Dr. Laura Graf, Molekulare Medizinerin am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg.
Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko leichter identifizieren
Die aktuellen Studienerkenntnisse zeigen, dass Träger inaktiver MxA Proteine ein erhöhtes Risiko für eine Ansteckung mit Vogelgrippeviren haben und verdeutlichen, dass MX1 einer der wichtigsten genetischen Schutzfaktoren gegen Vogelgrippeausbrüche in der menschlichen Bevölkerung ist. „Glücklicherweise sind die in dieser Studie identifizierten Mutationen sehr selten“, sagt Graf. Trotzdem könnten die Ergebnisse dieser Arbeit dazu beitragen, Risikogruppen besser zu schützen. Der Hauptrisikofaktor sich mit aviären Influenzaviren anzustecken ist der Kontakt zu Geflügel. Menschen, die beruflich intensiven Kontakt mit Geflügel haben, könnten gezielt auf Mutationen im MxA Protein getestet werden.
Ebenfalls maßgeblich beteiligt an der Studie waren Prof. Dr. Georg Kochs, Biologe am Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene des Universitätsklinikums Freiburg und die chinesischen Forschenden Prof. Dr. Yuelong Shu und Dr. Yongkun Chen der Sun Yat-sen University sowie Prof. Dr. Dayan Wang vom Chinese Center for Disease Control and Prevention.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Martin Schwemmle
Forschungsgruppenleiter
Institut für Virologie
Universitätsklinikum Freiburg
martin.schwemmle@uniklinik-freiburg.de
Originalpublikation:
Rare variant MX1 alleles increase human susceptibility to zoonotic H7N9 influenza virus
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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