Heidelberg. Was passiert mit den manchmal geheimnisvollen Phänomenen der Quantenphysik, wenn man immer größere und schwerere Objekte betrachtet? Darüber stritten einst schon Erwin Schrödinger und Albert Einstein. Neue Experimente mit Systemen großer Masse sollen jetzt Hinweise zur Klärung dieses fundamentalen Rätsels liefern.
Wie die Quantenphysiker Markus Aspelmeyer und Markus Arndt von der Universität Wien in der Oktoberausgabe von “Spektrum der Wissenschaft” berichten, könnten sie darüber hinaus in Laborexperimenten sogar bestimmte Vorhersagen der Quantengravitation auf der sonst unerreichbaren Planck-Skala überprüfen – jener Dimension, bei der Raum und Zeit an ihre klassischen Grenzen stoßen.
Diese Art der Forschung hat ihren Ursprung im Jahre 1935. Damals entwarf der Theoretiker Erwin Schrödinger ein scheinbar paradoxes Gedankenexperiment, das seitdem Quantenphysiker und Philosophen beschäftigt. Es geht um die fundamentale Frage, ob auch ein makroskopisches Objekt in unbeobachtetem Zustand mehrere sich eigentlich ausschließende Eigenschaften annehmen kann – ob etwa eine Katze zugleich lebendig und tot zu sein. Dahinter steht das Problem des Messprozesses in der Quantenphysik.
Bei der Beobachtung etwa in einem Laborversuch reduziert sich der vorher nach der Quantentheorie mehrdeutige Zustand verschiedener Möglichkeiten auf genau eine Wirklichkeit, also genau einen bestimmten Messwert. Die Physiker sprechen dann auch vom “Kollaps der Wellenfunktion”. Lange Zeit waren solche Versuche jedoch nur auf die allerkleinsten Objekte der Nature – Atome und kleine Moleküle – beschränkt. Seit einigen Jahren verbuchen Physiker nun aber große Fortschritte bei quantenphysikalischen Experimenten mit makroskopischen Objekten. Diese enthalten beispielsweise Millionen oder Milliarden von Atomen, etwa in kleinen schwingenden Hebeln oder Membranen. Die Antworten beeinflussen unser grundlegendes Verständnis von Wirklichkeit und Kausalität.
Wenn also Makro- und Quantenwelt im Labor zusammentreffen – was werden wir aus diesen Experimenten lernen? Eines ist sicher: Vorläufig wird Raum für verschiedene Deutungen der Resultate bleiben. Sollten alle Experimente bei hoher Masse und Komplexität lediglich die Vorhersagen der etablierten Quantenphysik bestätigen, bliebe der philosophische Erkenntnisstand aus Sicht des Quantenphysikers unverändert. Gleichwohl würden dann etliche alternative Vorstellungen über die Welt ausgeschlossen werden – etwa jene, die den Kollapsmodellen zu Grunde liegen.
Nicht weniger spannend ist eine andere Variante. Nehmen wir an, die Forscher würden im Labor auf reproduzierbare Abweichungen von den etablierten Vorhersagen der gängigen Quantentheorie stoßen. Dann wäre es eine Herausforderung, zu entscheiden, ob diese mit “neuer Physik” oder doch im Rahmen der gängigen Quantentheorie ablaufen. (Quelle: Spektrum der Wissenschaft, Oktober 2012)