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19.08.2024 10:20
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Auf der Suche nach alten Stammzellen, die für immer jung halten
Seeanemone reguliert Stammzellen durch evolutionär konservierte Gene
Die Seeanemone Nematostella vectensis ist potentiell unsterblich. Mit molekulargenetischen Methoden identifizierten nun Entwicklungsbiolog*innen um Ulrich Technau von der Universität Wien erstmals mögliche Kandidaten für multipotente Stammzellen bei der Seeanemone. Diese Stammzellen werden durch evolutionär hochkonservierte Gene reguliert, die beim Menschen meist nur bei der Bildung von Ei- und Samenzellen aktiv sind, aber alten Tierstämmen wie den Nesseltieren ein hohes Maß an Regenerationsfähigkeit verleihen, um sogar dem Altern zu entgehen. Die Ergebnisse erscheinen aktuell in Science Advances und könnten auch in Zukunft Erkenntnisse zum menschlichen Alterungsprozess liefern.
“Wir leben so lange wie unsere Stammzellen” ist ein etwas plakativer, aber im Grunde zutreffender Satz. Denn Stammzellen tragen beim Menschen zur ständigen Erneuerung verschiedenster Zellen und Gewebe bei, z.B. von Blutzellen, Haut oder Haar. Verlieren Stammzellen diese Fähigkeit oder verringert sich ihre Anzahl im Laufe des Lebens, altert der Körper oder entwickelt Krankheiten. Daher sind Stammzellen von großem Interesse für die biomedizinische Forschung.
Während Menschen und die meisten Wirbeltiere nur Teile bestimmter Organe oder Gliedmaßen regenerieren können, besitzen andere Tiergruppen weitaus stärkere Regenerationsmechanismen. Diese Fähigkeit wird durch pluripotente oder multipotente Stammzellen ermöglicht, die (fast) alle Zelltypen des Körpers ausbilden (differenzieren) können. Auch die Seeanemone Nematostella vectensis ist höchst regenerativ: Sie kann sich durch Knospung asexuell fortpflanzen und zeigt zudem keine Anzeichen des Alterns, was sie zu einem interessanten Untersuchungsobjekt der Stammzellforschung macht. Bisher konnten Forscher*innen allerdings keine Stammzellen in diesen Tieren identifizieren.
Mit der neuen Methode “Single Cell Genomics” konnten Technau und sein Team Zellen eines komplexen Organismus anhand ihrer spezifischen Transkriptom-Profile identifizieren und bestimmen, aus welchen Stammzellen sie sich entwickelt haben. “Durch die Kombination von Einzelzell-Genexpressionsanalysen und Transgenese konnten wir nun in der Seeanemone eine große Population von Zellen identifizieren, die differenzierte Zellen wie Nervenzellen und Drüsenzellen bilden und damit Kandidaten für multipotente Stammzellen sind”, erklärt Erstautor Andreas Denner von der Universität Wien. Bisher unentdeckt geblieben sind sie aufgrund ihrer winzigen Größe.
Diese möglichen Stammzellen exprimieren die evolutionär hochkonservierten Genenanos und piwi, die in allen Tieren, inklusive des Menschen, die Entwicklung der Keimzellen (Spermien und Eizellen) ermöglichen. Durch die gezielte Mutation des nanos2 Gens mittels der Genschere CRISPR konnten die Wissenschafter*innen zudem nachweisen, dass das Gen auch bei der Seeanemone für die Bildung der Keimzellen notwendig ist. Auch in anderen Tieren wurde bereits gezeigt, dass dieses Gen unerlässlich für die Produktion von Geschlechtszellen (Gameten) ist.
Damit ist belegt, dass diese Genfunktion vor rund 600 Millionen Jahren entstanden und bis heute konserviert geblieben ist. In zukünftigen Studien will Ulrich Technau mit seinem Team nun untersuchen, welche besonderen Eigenschaften der Stammzellen der Seeanemone für ihre potentielle Unsterblichkeit verantwortlich sind.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Ulrich Technau
Department für Neurowissenschaften und Entwicklungsbiologie, Universität Wien
1030 Wien, Djerassiplatz 1
T +43-1-4277-57000
ulrich.technau@univie.ac.at
www.univie.ac.at
Originalpublikation:
Andreas Denner, Julia Steger, Alexander Ries, Elizaveta Morozova-Link, Josefine Ritter, Franziska Haas, Alison G. Cole, Ulrich Technau. Nanos2 marks precursors of somatic lineages and is required for germline formation in the sea anemone Nematostella vectensis. Science Advances.
DOI: 10.1126/sciadv.ado0424
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ado0424
Weitere Informationen:
https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/a…
Bilder
Ein einzelner Nematostella-Polyp.
Yulia Kraus
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch