13.05.2022 09:49
Auf die Mischung kommt es an
Es gibt Flüssigkeitstropfen, die sich erst auf Oberflächen ausbreiten und dann von alleine wieder zusammenziehen – dies hat eine Gruppe von Wissenschaftler*innen um Nate Cira von der Harvard und Cornell University und Stefan Karpitschka vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation herausgefunden. Dieser Bumerang-Effekt hängt dabei von der Zusammensetzung der Tröpfchen ab. Da diese beim Zusammenziehen – anders als beim herkömmlichen Trocknen – so gut wie keine Spuren hinterlassen, birgt dies neue Möglichkeiten für die Reinigung und Beseitigung von Partikeln auf empfindlichen Oberflächen, wie beispielsweise Mikrochips.
Während im Alltag Besen und Schwamm das Mittel der Wahl sind, um Verunreinigungen zu entfernen, ist eine mechanische Reinigung von empfindlichen Oberflächen wie elektronischen Bauteilen oft nicht möglich. Verunreinigungen, die bei der Produktion entstehen, müssen jedoch entfernt werden, um die technische Funktion der Komponenten zu gewährleisten. Konventionelle Methoden, die auf Verdampfung beruhen, lassen dabei jedoch oft kleine Partikel auf der Oberfläche zurück.
Durch ihre Arbeit an der Dynamik von Flüssigkeitsgemischen haben die Wissenschaftler*innen einen neuen Ansatz zur Lösung dieses Problems entwickelt. Sie nutzten dazu den sogenannten Marangoni-Effekt, das physikalische Prinzip hinter dem Bumerang-Verhalten.
Bekanntes Phänomen unter Weinexpert*innen: Der Marangoni-Effekt
Weinliebhabern ist vielleicht schon aufgefallen, dass sich Flüssigkeitsgemische ausdehnen oder zusammenziehen und so Muster bilden. Nach dem Einschenken des Weins bildet das Gemisch aus Alkohol und Wasser verschiedene Muster auf der Oberfläche des Glases. Der Grund dafür sind die unterschiedlichen Oberflächenspannungen und Verdunstungsgeschwindigkeiten von Wasser und Alkohol.
Dieses Prinzip ist auch die Grundlage für den beobachteten Bumerang-Effekt, hier jedoch mit einer Mischung aus den drei Flüssigkeiten, Wasser, Alkohol und Propylenglykol. Letzteres findet auch in der Industrie breite Anwendung, unter anderem in Farben, Lacken und Kosmetika. Professor Nate Cira beschreibt die Ergebnisse: “Je nach Zusammensetzung breitet sich ein Tropfen aus den drei Komponenten entweder aus oder zieht sich zusammen, wenn man ihn auf eine Glasoberfläche gibt. Bei bestimmten Mischungsverhältnissen beobachten wir jedoch zuerst eine Ausbreitung und einige Sekunden später eine Kontraktion.” Neben der Zusammensetzung der Tröpfchen spielen darüber hinaus auch die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur eine Rolle, wie die Forschenden in ihrer Studie feststellten.
Neue Möglichkeiten für zur Entfernung von Partikeln
Doch wie kommt es zu diesem ungewöhnlichen Verhalten des Gemisches? Dr. Stefan Karpitschka ist dem Effekt mit Hilfe von Simulationen auf den Grund gegangen: “Wir beobachten hier konkurrierende Marangoni-Effekte: Der Alkohol am Rand des Tropfens verdampft zuerst, die Oberflächenspannung ändert sich und erzeugt eine Kraft nach außen. Die Folge: Der Tropfen breitet sich aus. Sobald der Alkohol am Rand verschwunden ist, kehrt sich der Effekt um und der Tropfen zieht sich wieder zusammen. Da gleichzeitig nun auch das Wasser vom Rand verdunstet, nimmt der Tropfen dabei rückstandsfrei alle löslichen Partikel auf seinem Weg mit.“
Auf der Grundlage dieser Entdeckung könnte somit auch eine völlig neue Methode zur Reinigung empfindlicher Oberflächen und Materialien entwickelt werden. Verunreinigungen und Partikel, die sich bei der Fertigung ablagern, könnten so rückstandslos und mit weniger Lösungsmitteln entfernt werden als bei herkömmlichen Verfahren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Stefan Karpitschka
Originalpublikation:
https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2120432119
Weitere Informationen:
https://www.ds.mpg.de/3930272/220512_Marangoni?c=148849
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch