20.07.2020 15:48
Bayreuther Studie zur Proteinbiosynthese in Bakterien: Neue Perspektiven für die Antibiotika-Forschung
Forscher der Universität Bayreuth und der Columbia University in New York berichten in der Zeitschrift „iScience“ über wegweisende Erkenntnisse zur Proteinbiosynthese in Bakterien. Das kleine Protein NusG verknüpft zwei molekulare Maschinen, die bei der Genexpression, der Herstellung bakterieller Proteine auf der Basis von Erbinformationen, zusammenwirken: die RNA-Polymerase und das Ribosom. Die molekulare Brücke versetzt die Bakterienzelle in die Lage, die zeitlich aufeinander folgenden Abschnitte der Genexpression, die Transkription und die Translation, optimal aufeinander abzustimmen. Sie könnte deshalb ein hervorragend geeigneter Angriffspunkt für künftige antibiotische Wirkstoffe sein.
In allen Lebewesen ist die Genexpression ein zweistufiger Prozess: Zunächst werden die in der DNA gespeicherten Erbinformationen als Vorlage genutzt, um auf dieser Basis Ribonukleinsäuren, sogenannte messenger-RNAs (mRNAs), zu synthetisieren. Dadurch werden die Erbinformationen in eine für die Zelle unmittelbar verwertbare Form gebracht. Für diesen Vorgang, die Transkription, ist die RNA-Polymerase zuständig. Die messenger-RNAs wiederum enthalten die molekularen Baupläne, die vom Ribosom erkannt und für die Herstellung entsprechender Proteine, die Translation, genutzt werden. Bei Menschen und Tieren sind diese beiden Abschnitte der Genexpression räumlich und biochemisch klar getrennt. In den Zellen von Bakterien sind sie hingegen, wie man schon seit mehr als 50 Jahren weiß, aneinander gekoppelt.
Bereits vor zehn Jahren publizierte eine Bayreuther Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Paul Rösch in „Science“ erste Indizien dafür, dass die Kopplung durch das Protein NusG verursacht sein könnte. Doch erst jetzt gelang der Forschungsgruppe von Dr. Stefan H. Knauer in Zusammenarbeit mit Partnern an der Columbia University, New York, der erste, direkte strukturelle Nachweis. NusG besteht aus zwei flexibel verbundenen Bereichen: einer aminoterminalen Domäne (NTD) und einer carboxyterminalen Domäne (CTD). Die CTD bindet an das Ribosom, die NTD an die RNA-Polymerase. Auf diese Weise bildet NusG –eine flexible Brücke zwischen den zentralen Maschinen der Genexpression, ähnlich einer beweglichen Kupplung zwischen Eisenbahnwaggons. Diese Verbindung bewirkt, dass Transkription und Translation zeitlich aufeinander abgestimmt sind. Experimente mit hochauflösender magnetischer Kernresonanz-Spektroskopie (NMR), die am Nordbayerischen NMR-Zentrum der Universität Bayreuth durchgeführt wurden, haben diese Zusammenhänge eindeutig sichtbar gemacht.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Damit eröffnen sich hochinteressante Perspektiven für die Entwicklung antibiotischer Wirkstoffe. Wenn es gelingt, diesen molekularen Brückenbau zu verhindern, könnte die bakterielle Proteinsynthese und damit auch die Vermehrung von Bakterien empfindlich gestört werden – und zwar ohne dass der menschliche Organismus dadurch beeinträchtigt wird. Wir konnten in dieser Hinsicht schon erste vielversprechende Forschungsergebnisse erzielen“, sagt Dr. Stefan Knauer. „Der Nachweis für die zentrale Rolle von NusG bei der bakteriellen Proteinbiosynthese ist uns vor allem dadurch gelungen, dass wir strukturbiologische, biochemische und molekularbiologische Verfahren miteinander kombiniert haben. Diese interdisziplinäre Herangehensweise wollen wir auch bei der Suche nach effizienten Wirkstoffen weiter verfolgen“, ergänzt Mitautor Philipp Zuber M.Sc., der an der Universität Bayreuth promoviert und hier das Elitestudienprogramm “Macromolecular Science” im Rahmen des Elitenetzwerks Bayern absolviert hat.
Die in „iScience“ veröffentlichte Studie ist hervorgegangen aus einer engen Zusammenarbeit der Bayreuther Forscher mit den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Max Gottesman und Prof. Dr. Joachim Frank an der Columbia University in New York. Frank erhielt 2017 den Chemie-Nobelpreis für die Weiterentwicklung der Kryoelektronenmikroskopie, einer Forschungstechnologie, die auch bei der neuen Studie zum Einsatz kam.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Stefan Knauer
Biochemie IV – Biopolymer
Universität Bayreuth
Telefon: +49 (0)921 55-3868
E-Mail: stefan.knauer@uni-bayreuth.de
Originalpublikation:
Robert S. Washburn et al.: Escherichia coli NusG links the lead ribosome with the transcription elongation complex. iScience (2020), DOI: https://dx.doi.org/10.1016/j.isci.2020.101352
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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