Nach der Entstehung der Erde bildeten sich im Ur-Ozean aus einzelnen Molekülen nach und nach komplexe genetische Informationen. Physiker haben nun gezeigt, wie ein einfacher Temperaturgradient diesen Prozess in Gang gesetzt haben könnte.
Alles Leben fängt einmal klein an. So war es schon zu Beginn unseres Planeten, als sich aus einzelnen Atomen und kleinen Molekülen langsam komplexe Strukturen entwickeln konnten. Die wichtigste Verbindung war damals vermutlich die Ribonukleinsäure (RNA). Dieses lange Polymer kann ähnlich einem Enzym erste biochemische Reaktionen und seine eigene Synthese katalysieren. Zugleich ist es in der Lage, wie die erst später entstandene DNA genetische Informationen zu speichern.
Noch ist aber unklar, wie die allerersten RNA-Polymere entstanden sind. Die erste RNA-Struktur, welche RNA vervielfältigen kann wird auf eine Länge von mindestens 200 RNA-Bausteinen (Nukleotide) geschätzt, die sich ohne Katalysatoren zusammengesetzt haben müssen. Bisher konnten Wissenschaftler im Reagenzglas unter urzeitlichen Bedingungen aber nur Ketten von etwa 20 Nukleotiden bilden.
Gesteinspore als Mini-Labor
LMU-Physiker um Professor Dieter Braun und Professor Ulrich Gerland, die beide dem Exzellenzcluster „Nanosystems InitativeMunich” (NIM) angehören, haben nun gezeigt, wie die Physik das Problem der zu kurzen Polymere gelöst haben könnte – und sind damit dem Geheimnis über den Ursprung des Lebens ein gutes Stück näher gekommen.
Die Forscher entwickelten zunächst ein theoretisches Modell. Hiermit konnten sie zeigen, dass ein einfaches Temperaturgefälle ausreicht, um die nötigen Bausteine aufzukonzentrieren und selektiv die Bildung von langen Polymeren zu ermöglichen. Dabei gingen sie von einem realistischen Urzeit-Szenario aus: Eine mit Meerwasser gefüllte Gesteinspore liegt in der Nähe einer Wärmequelle, wie zum Beispiel einer heißen Tiefseequelle. Auf diese Weise ist die zugewandte Seite der Pore deutlich wärmer als die andere. Das so entstandene Temperaturgefälle erzeugt eine kreisförmige Bewegung der Flüssigkeit zwischen der heißen und der kalten Seite. Zusätzlich drückt es die darin enthaltenen Biomoleküle zur kalten Seite durch einen Effekt, der Thermophorese genannt wird.
„Die Bewegung der Flüssigkeit und die Thermophoresekombinieren sich zu einer thermalen Falle, dielange Polymere besser akkumuliert als kurzeund somit ein chemisches Ungleichgewicht bewirkt“, erklärt Christof Mast, Erstautor der Studie. „Da die Polymerisierung der Ketten allerdings auch von ihrer lokalen Konzentration abhängt, erhöht die Falle die Wahrscheinlichkeit, dass diese langen Polymere immer länger werden. Beide Effekte verstärken sich überexponenziell.“
Dem Urozean abgeschaut
Dieses Modell konnten die Münchner Physiker auch durch Experimente belegen: Dabei stellten sie die Pore in Form einer feinen Glaskapillare nach und sorgten für einen Temperaturgradienten von zehn Kelvin. Dem Meerwasser entsprach eine einfache Salzlösung. Statt RNA-Nukleotiden setzten siekurze DNA-Abschnitte als Bausteine ein, die reversibel miteinander polymerisieren können. DNA anstelle von RNA wurde verwendet, weil entsprechend der langen Evolutionsdauer im Urozean die Bildung von ausreichend langen RNA-Polymeren selbst unter optimalen Laborbedingungen hunderte Jahre dauern würde. Da sich die Polymerisation von RNA und der Versuchs-DNA jedoch prinzipiell nicht voneinander unterscheiden, bestätigte dieser Versuchsansatz das theoretische Modell im gleichen Maße.
„Die Physik hinter einem einfachen Temperaturgradient in einer Pore reicht also aus, auch die Polymerisation von sehr langen RNA Polymeren zu ermöglichen“, fasst Professor Dieter Braun die Ergebnisse zusammen. „Durch diese Forschungsarbeit ist ein wichtiger Zwischenschritt für den Ursprung des Lebens erstmalig demonstriert.“ (Quelle: idw)
Publikation:
Escalation of Polymerization in a Thermal Gradient.Christof B. Mast, SeverinSchink, Ulrich Gerland and Dieter Braun. PNAS online 30. April 2013