Ein neuer Job für Augenzellen



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05.08.2020 09:32

Ein neuer Job für Augenzellen

Marburger Neurophysiologen zeigen, wie die besten Ansätze bei Sehkraft-wiederherstellenden Gentherapien erkannt werden können

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Degenerative Netzhauterkrankungen, wie die Makuladegeneration oder Retinitis Pigmentosa, zählen zu den häufigsten Ursachen für eine Erblindung. Bei diesen Erkrankungen gehen die lichtsensitiven Sinneszellen der Netzhaut unwiederbringlich verloren. Weltweit arbeiten Forscherinnen und Forscher an Sehkraft-wiederherstellenden Gentherapien, um die verbleibenden Zellen der Netzhaut lichtsensitiv zu machen und so die Funktion der verlorenen Sinneszellen zu ersetzen. Ein Forschungsteam aus Marburg und Oxford hat nun Messmethoden etabliert, mit denen sich verschiedene Behandlungsansätze im Vorfeld detailliert untersuchen und vergleichen lassen. So lässt sich die Entwicklung erfolgversprechender Gentherapien am Auge in Zukunft effizienter und schneller gestalten. Ihre Erkenntnisse veröffentlicht die Forschungsgruppe in der Fachzeitschrift „Cellular And Molecular Life Sciences“.

„Die Augenheilkunde hat seit einigen Jahren bereits eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Gentherapie“, sagt Dr. Moritz Lindner vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität, einer der Mit-Initiatoren der Studie. Aktuelle Therapieansätze zielten vor allem auf einzelne, genau definierte Erkrankungen in frühen Stadien ab. Die sogenannte Sehkraft-wiederherstellende Gentherapie soll dagegen auch die Behandlung von Spätstadien ermöglichen. In diesen Stadien sind die Sinneszellen der Netzhaut bereits zugrunde gegangen. „Aber es gibt weitere Zellen im Auge, die durch die Gentherapie gewissermaßen umprogrammiert werden können. In der Netzhaut befinden sich beispielweise Zellen, die die Informationen aus den Sinneszellen verarbeiten und Bildinformationen, wie Größe oder Bewegungsrichtung eines Gegenstandes, an das Gehirn weiterleiten. Durch das gentherapeutische Einbringen von lichtsensitiven Proteinen reagieren aber auch diese Zellen auf Lichtreize. Man umgeht somit die fehlenden Sinneszellen“, erklärt Lindner.

Erste Ansätze dieser Art befänden sich bereits in klinischen Studien. „Jedoch gibt es bisher kaum Daten, aus denen sich ablesen lässt, welche der diversen lichtsensitiven Proteine am besten geeignet sind und welcher der verschiedenen Typen von Netzhautzellen genau behandelt werden soll“, sagt Lindner. Das Forschungsteam hat im Tiermodell nun einen Versuchsaufbau entwickelt, mit dem sich die Lichtantworten in den Netzhäuten sehr genau beschreiben lassen. „Wir konnten zeigen, dass die gemessenen Lichtantworten denen von gesunden Augen stärker ähneln, wenn man zielgerichtet einen ganz bestimmten Zelltyp behandelt“, sagt Lindner. „Viel wichtiger ist aber, dass sich jetzt relativ einfach systematisch verschiedene in Entwicklung befindliche Ansätze vergleichen lassen“, ergänzt Lindner. Damit könne die Entwicklung vielversprechender Ansätze effizienter vorangetrieben werden und schlussendlich schneller in die klinische Anwendung kommen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Moritz Lindner
Institut für Physiologie und Pathophysiologie
Abteilung Neurophysiologie
Philipps-Universität Marburg
E-Mail: moritz.lindner@uni-marburg.de


Originalpublikation:

Moritz Lindner et al.: The functional characteristics of optogenetic gene therapy for vision restoration, Cellular And Molecular Life Sciences 2020, DOI: 10.1007/s00018-020-03597-6 (https://doi.org/10.1007/s00018-020-03597-6).


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW