16.02.2021 11:00
Krebsforschung: Gezielte Eliminierung leukämischer Stammzellen
Die Berner Krebsforschung hat einen weiteren Mechanismus gegen Leukämie entdeckt: Einem Forschungsteam des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Universität Bern ist die Identifikation eines wichtigen Signalweges zur Regulierung leukämischer Stammzellen gelungen. Damit erweitern die Forschenden das Arsenal potenziell hoch wirksamer Medikamente gegen Leukämien («Blutkrebs»).
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Eine Leukämie wird von Leukämiestammzellen verursacht. Diese sind gegenüber den meisten bekannten Therapien resistent. Auch Rückfälle sind auf diese Resistenz zurückzuführen. Leukämiestammzellen entstehen aus normalen blutbildenden (hämatopoetischen) Stammzellen. Wegen ihrer nahen Verwandtschaft haben leukämische und blutbildende Stammzellen viele gemeinsame Signalwege. Will man die Vermehrung leukämischer Stammzellen stoppen, gilt es, Signalwege zu finden, die nur in der Leukämiestammzelle aktiv sind, nicht aber in der normalen blutbildenden Stammzelle. Mit dieser Zielsetzung forscht das Team um Prof. Adrian Ochsenbein an der Universitätsklinik für medizinische Onkologie am Inselspital, Universitätsspital Bern. In der heute publizierten Arbeit von Sabine Höpner in «Nature Communications» wird die neuste Entdeckung, der sogenannte LIGHT/LTbR-Signalweg, vorgestellt.
Ein neuer Ansatz zur Kontrolle der Leukämiestammzellen
Der LIGHT/LTbR-Signalweg spielt bei der normalen Blutbildung in der blutbildenden Stammzelle keine Rolle. Nur in einer Situation mit einem erhöhten Bedarf, wie zum Beispiel nach einer Chemotherapie, ist er zur Aufrechterhaltung der Stammzellfunktion wichtig. Im Gegensatz dazu sind Leukämiestammzellen immer auf diesen Signalweg angewiesen. Der LIGHT/LTbR-Signalweg führt zu einer erhöhten symmetrischen Zellteilung und dadurch zur Vermehrung der Leukämiestammzellen. Wird er zum Beispiel durch monoklonale Antikörper blockiert, so verlieren diese ihre Stammzellenfunktion und sterben ab. Zudem ist die Bindestelle LIGHT bei Leukämiestammzellen deutlich häufiger vorhanden als bei normalen Stammzellen. Im Laborversuch haben Tiere mit chronischer myeloischer Leukämie deutlich besser überlebt, nachdem der neu entdeckte Signalweg blockiert worden war.
Der jüngste Beitrag: ein Hoffnungsträger der künftigen Leukämiebehandlung
Die veröffentlichten Resultate zeigen, dass mehrere Rezeptor/Liganden-Paare an der Aufrechterhaltung der Leukämiestammzelle beteiligt sind. Die Forschenden gehen davon aus, dass der neue Ansatz (Blockierung von LIGHT) in Zukunft zu einer verbesserten Therapie verschiedener Leukämieerkrankungen führen kann.
Die Therapie mit blockierenden Medikamenten verschiedener Immunrezeptoren und Liganden hat die Behandlung von Krebskrankheiten revolutioniert. Allerdings sind wichtige, bei soliden Tumoren eingesetzte Medikamente bei der Leukämie nicht wirksam. Die von uns definierten Signalwege CD70/CD27 und LIGHT/LTbR sind deshalb ein wichtiger Fortschritt zur Verbesserung der Immuntherapie bei myeloischen Leukämien. Forschungsgruppen in Stanford haben Antikörper gegen CD47 entwickelt, die einen weiteren Immunsignalweg (Phagozytose) aktivieren. Diese Medikamente sind wie Cusatuzumab (Antikörper gegen CD70) bereits in einer Phase-II-Entwicklung zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Adrian Ochsenbein, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für medizinische Onkologie, Inselspital, Universitätsspital Bern
Dr. phil. nat. Sabine Höpner, Department for BioMedical Research, Universität Bern
Originalpublikation:
DOI https://doi.org/10.1038/s41467-021-21317-x
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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