Künstliche Intelligenz hilft bei der Aufklärung eines katalytischen Enzymmechanismus



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18.07.2024 15:57

Künstliche Intelligenz hilft bei der Aufklärung eines katalytischen Enzymmechanismus

Arbeitsgruppen der Universität Greifswald ist es gelungen, einen fundamentalen Regulationsmechanismus des Enzyms Acetyl-CoA Synthetase aus dem Bakterium Bacillus subtilis bis auf nahezu atomarer Auflösung aufklären. Dabei wurden auch neue Ansätze in der künstlichen Intelligenz angewandt. Die Studie wird nun in einem Artikel in der Fachzeitschrift Nature Communications (DOI: 0.1038/s41467-024-49952-0) beschrieben.

Enzyme sind Biokatalysatoren, die es allen lebenden Zellen ermöglichen, Reaktionen unter den milden Bedingungen in den Zellen durchzuführen. Ohne Enzyme würden viele Reaktionen in lebenden Organismen gar nicht bzw. nur sehr langsam stattfinden. Damit erfüllen Enzyme vielfältige Aufgaben in Organismen aller Domänen des Lebens und ein Leben ohne Enzyme wäre nicht möglich. Ein Enzym, das sowohl in Säugetieren, in Pflanzen und in Bakterien vorkommt, ist die Acetyl-CoA Synthetase. Es ist daran beteiligt, das zentrale Stoffwechselmolekül Acetyl-Coenzym A herzustellen. Dieses Molekül ist für vielfältige Biosynthesen zur Herstellung von Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten unabdingbar.

Alle Organismen können ihren Stoffwechsel an die zur Verfügung stehenden Nährstoffe anpassen. Bei reichhaltigem Nährstoffangebot sind Organismen in der Lage Biosyntheseprozesse zu initiieren, um so Proteine, Kohlenhydrate und Fette als Baustoffe und zur Energiereserve zu erzeugen (Anabolismus). Wird das Nährstoffangebot hingegen knapp, können diese Nährstoffe zur Energiegewinnung abgebaut werden (Katabolismus). Zentral für diese beiden Stoffwechselvorgänge ist das Molekül Acetyl-Coenzym A. Eine Möglichkeit der Zellen von Pflanzen, Tieren und Bakterien dieses Molekül zu erzeugen ist eine Reaktion, die durch das Enzym Acetyl-CoA Synthetase katalysiert wird. Dieses Enzym muss sehr stringent reguliert werden, damit es nicht dauerhaft aktiv ist und die Bildung von Acetyl-Coenzym A nur dann stattfindet, wenn es zum Stoffwechselzustand der Zellen passt.

Es wurde gezeigt, dass die Acetyl-CoA Synthetase sowohl aus Bakterien als auch aus Säugetieren über eine Modifikation reguliert wird. Ähnlich wie ein Lichtschalter kann das Enzym durch bestimmte Reaktionen sehr spezifisch ausgeschaltet werden und anschließend wieder angeschaltet werden. In Organismen wie Pflanzen oder Säugetieren ist dieser Prozess seit langem bekannt. Bisher war aber nicht klar, wie diese Regulation mechanistisch abläuft. In der nun veröffentlichten Studie konnten neue Ansätze der künstlichen Intelligenz (KI) genutzt werden, um den Regulationsmechanismus des Enzyms detailliert bis auf nahezu atomarer Auflösung aufzuklären. AlphaFold2 verwendet KI, um Proteinstrukturvorhersagen mit hoher Qualität durchzuführen. Am Rechenzentrum der Universität Greifswald konnte erfolgreich AlphaFold2 installiert werden, und somit ein vollständig unbekannter Regulationsmechanismus des Enzyms aufgeklärt werden.

„Mit dieser Studie konnten wir einen vollständig unbekannten Regulationsmechanismus dieses fundamentalen Enzyms aufklären. Die Erkenntnisse werden auch relevant sein für höhere Organismen, da der Regulationsmechanismus evolutionär stark konserviert ist“, erklärt der Doktorand und Erstautor der Studie Chuan Qin. Prof. Michael Lammers Leiter des Arbeitskreises Synthetische und strukturelle Biochemie, fügt hinzu: „Es ist doch erstaunlich, dass es selbst in einem so gut untersuchten Organismus wie Bacillus subtilis immer noch so viel zu entdecken gibt, das auch Relevanz für Organismen anderer Domänen des Lebens hat. Diese Arbeit war nur durch die hervorragende Zusammenarbeit der Gruppen des Instituts für Biochemie, aber auch des Rechenzentrums der Universität Greifswald möglich“.

Weitere Informationen
Beteiligte Gruppen:
Prof. Michael Lammers, Institut für Biochemie
Prof. Mihaela Delcea, Institut für Biochemie
Prof. Uwe Bornscheuer, Institut für Biochemie
Dr. Stefan Kemnitz, Rechenzentrum der Universität Greifswald


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Lammers
Institut für Biochemie
Felix-Hausdorff-Straße 4, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 4356
michael.lammers@uni-greifswald.de
https://biochemie.uni-greifswald.de/forschung/forschung-in-den-arbeitskreisen/or…


Originalpublikation:

C. Qin, L. G. Graf, K. Striska, M. Janetzky, N. Geist, R. Specht, S. Schulze, G. J. Palm, B. Girbardt, B. Dörre, L. Berndt, S. Kemnitz, M. Doerr, U. T. Bornscheuer, M. Delcea, M. Lammers, Nature Communications 2024,15, 6002. doi: 0.1038/s41467-024-49952-0


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW