Neue Erkenntnisse zur menschlichen Gehirnentwicklung: Forschende identifizieren geschlechtsspezifische Unterschiede



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23.02.2024 11:16

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Neue Erkenntnisse zur menschlichen Gehirnentwicklung: Forschende identifizieren geschlechtsspezifische Unterschiede

Bereits in den frühen Phasen des Lebens zeigen sich je nach Entwicklungsstadium signifikante Unterschiede in der Art und Weise, wie das Gehirn Signale und Informationen aufnimmt und verarbeitet. Eine gestörte Entwicklung kann dauerhafte Folgen haben und zu psychischen Erkrankungen führen. Forschende des Universitätsklinikums Tübingen haben nun gemeinsam mit internationalen Forschungspartnern aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen: Die neuronale Komplexität der Gehirnaktivität verändert sich vom späten Stadium der Schwangerschaft bis in die frühe Kindheit anders als erwartet und zudem mit geschlechtsspezifischen Unterschieden.

In der Studie hat das Team untersucht, wie das menschliche Gehirn auf äußere Reize, wie beispielsweise Tonsequenzen, reagiert, sowohl vor als auch nach der Geburt. Gemessen werden konnten die Reaktionen des Gehirns mit der fetalen Magnetenzephalographie (fMEG), die nicht-invasiv an der Oberfläche des Bauches der Mutter die Gehirnaktivität schon im Mutterleib misst. Die Sensoren befinden sich unter einer Messschale, die optimal an die Form des mütterlichen Bauches angepasst ist. „Sensorische Stimulation bietet uns eine einzigartige Möglichkeit, zu beobachten, wie junge Gehirne Informationen von außen verarbeiten. Und das auf eine vollkommen sichere Weise”, erklärt Prof. Dr. Hubert Preissl vom fMEG-Zentrum Tübingen und dem Institut für Diabetesforschung und metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München.

Erkrankungen frühzeitig erkennen und therapieren

Die Hypothese der Forschenden: Je weiter sich das Gehirn entwickelt, desto komplexer sind die neuronalen Reaktionen auf Reize von außen. Überraschenderweise zeigen die Ergebnisse, dass die Komplexität der neuronalen Antworten abnimmt, und zwar in geschlechtsspezifisch unterschiedlichem Tempo. Diese Unterschiede könnten Aufschluss darüber geben, warum bestimmte Entwicklungsstörungen bei Jungen und Mädchen in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. „Zunächst war ich ziemlich überrascht”, gibt Dr. Joel Frohlich vom Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie zu. „Instinktiv hatte ich angenommen, dass mit der Reifung des Gehirns auch seine Aktivität komplexer werden würde.” Jedoch erscheint es sinnvoll, dass reifende Gehirnverbindungen auf externe Reize mit strukturierteren Mustern reagieren. Ein entwickelteres Gehirn ist also geordneter und hat dadurch weniger Möglichkeiten, auf denselben Reiz in unterschiedlicher Weise zu reagieren.

Das Forscherteam aus Tübingen plant, den Zusammenhang zwischen den beobachteten Gehirnmustern und der langfristigen psychischen Gesundheit weiter zu erforschen. „Je früher wir das Risiko für die Entwicklung neuropsychiatrischer und metabolischer Störungen identifizieren, desto effektiver können wir die Gehirnentwicklung unterstützen, um schwerwiegende Krankheitsverläufe zu verhindern”, erklärt Prof. Dr. Alireza Gharabaghi vom Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie. Diese Erkenntnisse könnten den Weg für zukünftige präventive Maßnahmen und Behandlungsstrategien ebnen, die das Forschungsteam auch im Rahmen des Zentrums für Bionic Intelligence und des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit erforscht. An der Studie wesentlich beteiligt waren Dr. Joel Frohlich, Dr. Julia Moser, Dr. Katrin Sippel, Dr. Pedro Mediano, Prof. Dr. Hubert Preissl und Prof. Dr. Alireza Gharabaghi vom Tübinger Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie.

Hintergrund: Neurotechnologie für bessere Therapien von Gehirnerkrankungen

Das Tübinger Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie wurde 2020 mit dem Ziel gegründet, Patientinnen und Patienten mit innovativen Methoden zu helfen. Rund 25 Ärztinnen, Neurowissenschaftler, Ingenieurinnen und Informatiker arbeiten zusammen, damit Patienten von modernsten neurotechnologischen Entwicklungen profitieren können. Schwerpunkt ist die Neuromodulation. Dabei geht es darum, Hirnfunktionen positiv zu beeinflussen – durch Hirnschrittmacher und Neuroprothesen, durch magnetische oder elektrische Stimulation oder auch Neurorobotik und Orthesen, die helfen, die Rehabilitation nach einer Schädigung des Gehirns zu verbessern.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Universitätsklinikum Tübingen
Stabsstelle Kommunikation und Medien
Hoppe-Seyler-Straße 6, 72076 Tübingen
Tel. 07071 29-88548, Fax 07071 29-25024
presse@med.uni-tuebingen.de

Prof. Dr. med. Alireza Gharabaghi
Ärztlicher Direktor
Institut für Neuromodulation und Neurotechnologie


Originalpublikation:

Frohlich J, Moser J, Sippel K, Mediano P, Preissl H & Gharabaghi A Sex differences in prenatal development of neural complexity in the human brain https://www.nature.com/articles/s44220-024-00206-4
DOI: 10.1038/s44220-024-00206-4


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW