16.06.2021 17:00
Rätsel um den Helligkeitseinbruch von Beteigeuze gelöst
Als der helle, orangefarbene Stern Beteigeuze im Sternbild Orion Ende 2019 und Anfang 2020 merklich dunkler wurde, war die Astronomie-Gemeinschaft verblüfft. Ein Astronom*innen-Team hat nun neue Bilder von der Oberfläche des Sterns veröffentlicht, die mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) aufgenommen wurden und deutlich zeigen, wie sich seine Helligkeit verändert hat. Die neuen Untersuchungen zeigen, dass der Stern teilweise von einer Staubwolke verdeckt war – eine Entdeckung, die das Rätsel der „Großen Verdunkelung“ von Beteigeuze löst.
Der Helligkeitseinbruch von Beteigeuze – eine Veränderung, die sogar mit bloßem Auge wahrnehmbar war – veranlasste Miguel Montargès und sein Team, Ende 2019 das VLT der ESO auf den Stern zu richten. Ein Bild vom Dezember 2019 zeigte im Vergleich zu einer früheren Aufnahme, das im Januar desselben Jahres aufgenommen wurde, dass die Sternoberfläche deutlich dunkler war, vor allem in der südlichen Region. Aber die Astronom*innen waren sich nicht sicher, warum.
Das Team setzte die Beobachtung des Sterns während seiner Großen Verdunkelung fort und nahm im Januar 2020 und März 2020 zwei weitere, noch nie zuvor gesehene Bilder auf. Im April 2020 hatte der Stern wieder seine normale Helligkeit erreicht.
„Zum ersten Mal sahen wir, wie sich das Erscheinungsbild eines Sterns in Echtzeit über einen Zeitraum von Wochen veränderte“, sagt Montargès vom Observatoire de Paris, Frankreich, und der KU Leuven, Belgien. Die jetzt veröffentlichten Bilder sind die einzigen, die wir haben, die zeigen, wie sich Beteigeuzes Oberfläche im Laufe der Zeit in ihrer Helligkeit verändert.
In ihrer neuen Studie, die heute in Nature veröffentlicht wurde, zeigt das Team, dass die mysteriöse Verdunkelung durch einen staubigen Schleier verursacht wird, der den Stern abschattet, was wiederum das Ergebnis eines Temperaturabfalls auf Beteigeuzes Sternoberfläche ist.
Die Oberfläche von Beteigeuze verändert sich regelmäßig, wenn sich riesige Gasblasen im Inneren des Sterns bewegen, schrumpfen und anschwellen. Das Team schließt daraus, dass der Stern einige Zeit vor der Großen Verdunkelung eine mächtige Gasblase ausstieß, die sich von ihm wegbewegte. Als sich ein Teil der Oberfläche kurz darauf abkühlte, reichte dieser Temperaturabfall aus, damit das Gas zu festem Staub kondensierte.
„Wir haben die Bildung von sogenanntem Sternenstaub direkt beobachtet“, sagt Montargès, dessen Studie den Nachweis liefert, dass sich Staub sehr schnell und nahe an der Oberfläche eines Sterns bilden kann. „Der Staub, der von kühlen, entwickelten Sternen ausgestoßen wird, wie der Auswurf, den wir gerade beobachtet haben, könnte später zu den Bausteinen von terrestrischen Planeten und Leben werden“, ergänzt Emily Cannon von der KU Leuven, die ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Im Internet wurde spekuliert, dass der Helligkeitsabfall von Beteigeuze nicht nur das Ergebnis eines staubigen Ausbruchs ist, sondern ein Zeichen für seinen bevorstehenden Tod durch eine spektakuläre Supernova-Explosion sein könnte. Eine Supernova wurde in unserer Galaxie seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr beobachtet. Heutige Astronomen sind sich also nicht ganz sicher, was sie von einem Stern im Vorfeld eines solchen Ereignisses erwarten können. Diese neue Untersuchung bestätigt jedoch, dass Beteigeuzes Große Verdunkelung kein frühes Zeichen dafür war, dass der Stern auf sein dramatisches Schicksal zusteuerte.
Die Beobachtung des Verdunkelns eines so bekannten Sterns war für Berufs- und Amateur-Astronom*innen gleichermaßen aufregend, wie Cannon zusammenfasst: „Wenn man nachts zu den Sternen hinaufschaut, scheinen diese winzigen, blinkenden Lichtpunkte ewig zu sein. Das Verblassen von Beteigeuze sprengt diese Illusion.“
Das Team nutzte das SPHERE-Instrument (Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet REsearch) am VLT der ESO, um die Oberfläche von Beteigeuze direkt abzubilden, zusammen mit Daten des GRAVITY-Instruments am VLTI (Very Large Telescope Interferometer) der ESO, um den Stern während der gesamten Verdunkelung zu beobachten. Die Teleskope, die sich am Paranal-Observatorium der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste befinden, waren ein „entscheidendes Diagnosewerkzeug, um die Ursache dieses Verdunkelungsereignisses aufzudecken“, sagt Cannon. „Wir waren in der Lage, den Stern nicht nur als Punkt zu beobachten, sondern konnten Einzelheiten seiner Oberfläche auflösen und sie während des gesamten Ereignisses überwachen“, fügt Montargès hinzu.
Montargès und Cannon freuen sich auf das, was die Zukunft der Astronomie, insbesondere das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, für ihre Untersuchung von Beteigeuze, einem roten Überriesenstern, bringen wird. „Mit der Fähigkeit, unvergleichliche räumliche Auflösungen zu erreichen, wird das ELT es uns ermöglichen, Beteigeuze unmittelbar mit bemerkenswerter Detailtreue abzubilden“, sagt Cannon. „Es wird auch die Stichprobe der roten Überriesen, deren Oberflächen wir durch direkte Bildgebung auflösen können, erheblich erweitern und uns weiter dabei helfen, die Geheimnisse hinter den Winden dieser massereichen Sterne zu entschlüsseln.“
Weitere Informationen
Die hier vorgestellten wissenschaftlichen Ergebnisse erscheinen demnächst unter dem Titel “A dusty veil shading Betelgeuse during its Great Dimming” (https://doi.org/10.1038/s41586-021-03546-8) in der Fachzeitschrift Nature.
Die beteiligten Wissenschaftler*innen sind M. Montargès (LESIA, Observatoire de Paris, Université PSL, CNRS, Sorbonne Université, Université de Paris France [LESIA] und Institute of Astronomy, KU Leuven, Belgium [KU Leuven]), E. Cannon (KU Leuven), E. Lagadec (Université Côte d’Azur, Observatoire de la Côte d’Azur, CNRS, Laboratoire Lagrange, Nice, France [OCA]), A. de Koter (Anton Pannekoek Institute for Astronomy, University of Amsterdam, Niederlande und KU Leuven), P. Kervella (LESIA), J. Sanchez-Bermudez (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, [MPIA] und Instituto de Astronomía, Universidad Nacional Autónoma de México, Mexico City, Mexico), C. Paladini (European Southern Observatory, Santiago, Chile [ESO-Chile]), F. Cantalloube (MPIA), L. Decin (KU Leuven und School of Chemistry, University of Leeds, UK), P. Scicluna (ESO-Chile), K. Kravchenko (Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik), A. K. Dupree (Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian, Cambridge, MA, USA), S. Ridgway (NSF’s NOIRLab, Tucson, AZ, USA), M. Wittkowski (ESO, Garching bei München, [ESO-Garching]), N. Anugu (Steward Observatory, University of Arizona, Tucson, AZ, USA und School of Physics and Astronomy, University of Exeter, UK [Exeter]), R. Norris (Physics Department, New Mexico Institute of Mining and Technology, Socorro, USA), G. Rau (NASA Goddard Space Flight Center, Exoplanets & Stellar Astrophysics Laboratory, Greenbelt, MD, USA [NASA Goddard] und Department of Physics, Catholic University of America, Washington, DC USA), G. Perrin (LESIA), A. Chiavassa (OCA), S. Kraus (Exeter), J. D. Monnier (Department of Astronomy, University of Michigan, Ann Arbor, MI, USA [Michigan]), F. Millour (OCA), J.-B. Le Bouquin (Univ. Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Grenoble, Frankreich und Michigan), X. Haubois (ESO-Chile), B. Lopez (OCA), P. Stee (OCA), und W. Danchi (NASA Goddard).
Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste bodengenundene Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt, beherbergen und betreiben. Die ESO ist einer der Hauptpartner bei ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt sein wird.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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Emily Cannon
Institute of Astronomy, KU Leuven
Leuven, Belgium
E-Mail: emily.cannon@kuleuven.be
Originalpublikation:
M. Montargès, E. Cannon et al., “A dusty veil shading Betelgeuse during its GreatDimming”, Nature, (2021)
https://www.eso.org/public/archives/releases/sciencepapers/eso2109/eso2109a.pdf
DOI: 10.1038/s41586-021-03546-8
Weitere Informationen:
https://www.eso.org/public/news/eso2109/ – Originalpressemitteilung der ESO mit weiteren Bildern, Videos und Links
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch