Schaltmechanismus kontrolliert Schmerzempfinden

Schaltmechanismus kontrolliert Schmerzempfinden



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04.11.2020 09:22

Schaltmechanismus kontrolliert Schmerzempfinden

Schmerz einfach ausknipsen wie mit einem Lichtschalter – mit diesem Vergleich beschreibt eine internationale Forschungsgruppe die Wechselwirkung von Proteinen, die an der Schmerzempfindung beteiligt sind. Das Team um den Marburger Schmerzforscher Professor Dr. Johannes Oberwinkler berichtet in der Wissenschaftszeitschrift „PNAS“ über seine Ergebnisse.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Schmerzempfindliche Nervenzellen nehmen Reize auf, die auf Gefahren für den Körper hinweisen, etwa Hitze oder schädliche Substanzen. „Ionenkanäle vom TRPM3-Typ spielen eine wichtige Rolle für die Signaldetektion“, erklärt Johannes Oberwinkler vom Marburger Institut für Physiologie und Pathophysiologie, der die Forschungsarbeit leitete.

Stillt man Schmerzen durch Opium und opium-ähnliche Substanzen, so geschieht dies mittels so genannter Gβγ-Proteine – sie blockieren unter anderem die TRPM3-Kanäle der beteiligten Nervenzellen. „Wir haben im Detail untersucht, wie Gβγ-Proteine die TRPM3-Kanäle hemmen“, sagt Oberwinkler.

Das Team führte molekulargenetische Experimente durch und charakterisierte die beteiligten Moleküle mittels Röntgenkristallographie, um aufzuklären, wie die Hemmung der Ionenkanäle vor sich geht. Das Kanalprotein enthält demnach einen Abschnitt von zehn Aminosäuren, der als Koppelungsstelle für Gβγ-Proteine dient; koppelt Gβγ an diesen Abschnitt, so dämpft dies die Aktivität des Ionenkanals, was die Schmerzempfindung lindert.

In der Zelle kann das Kanalprotein indes in unterschiedlichen Versionen vorliegen, mit oder ohne den fraglichen Abschnitt – das kommt ganz darauf an, an welchen Stellen das Kanalprotein geschnitten und wieder zusammengefügt wird. Die Fachleute sprechen hier vom „alternativen Spleißen“. „Je nachdem, ob der fragliche Abschnitt in das Kanalprotein eingeschlossen wird oder nicht, lässt sich die hemmende Wirkung des Gβγ-Proteins an- und ausschalten“, führt Oberwinkler aus. Ließe sich die Wechselwirkung zwischen Gβγ und TRPM3-Kanälen künftig gezielt beeinflussen, indem man geeignete Medikamente entwickelt, so könnte dies die Behandlung von Schmerzen verbessern. „Ob das überhaupt geht, müssten aber langwierige und aufwändige Forschungsarbeiten erst noch erweisen“, betont der Hochschullehrer.

Professor Dr. Johannes Oberwinkler leitet die Arbeitsgruppe Molekulare Physiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität. Er gehört außerdem dem mittelhessischen Forschungszentrum CMBB an. Neben Oberwinkler und seinem Team sind weitere Forscherinnen und Forscher aus Belgien und den USA an der Veröffentlichung beteiligt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und zahlreiche weitere Förderorganisationen unterstützten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finanziell.

Originalveröffentlichung: Marc Behrendt, Fabian Gruss & al.:
The structural basis for an on–off switch controlling Gβγ-mediated inhibition of TRPM3 channels, PNAS 2020, DOI: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.2001177117

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Johannes Oberwinkler,
Arbeitsgruppe Molekulare Physiologie
Tel.: 06421 28-65427
E-Mail: johannes.oberwinkler@uni-marburg.de

Pressemitteilung von 2017 zur Schmerzforschung der Arbeitsgruppe: https://idw-online.de/de/news680391


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW