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08.12.2023 10:57
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Studienpreis für einen neuen Baustein im Medikamenten-Baukasten
Im Baukasten für neue Medikamente, die zum Beispiel Bakterien bekämpfen helfen, welche gegen bekannte Antibiotika resistent sind, sollten möglichst kostengünstige und umweltfreundliche Bausteine liegen. Enzyme bieten sich dafür an. Sie können zum Beispiel verschiedene Bestandteile von Wirkstoffen herstellen oder verbinden. Simon Schröder hat in seiner Masterarbeit in der Arbeitsgruppe Mikrobielle Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum ein Enzym näher charakterisiert, das in der Lage ist, die begehrte Stickstoff-Stickstoff-Verbindung in Molekülen zu knüpfen. Außerdem fand er noch weitere Enzyme, die das können.
Die Arbeit wurde mit dem DECHEMA-Studienpreis ausgezeichnet und am 4. Dezember 2023 in der Zeitschrift Molecular Catalysis veröffentlicht.
Bausteine limitieren das Design neuer Wirkstoffe
Forschende befinden sich in ständigem Wettbewerb mit schädlichen Mikroorganismen, die Antibiotikaresistenzen entwickeln. Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen versuchen sie traditionell, Mikroorganismen aus der Natur zu isolieren, welche antibiotisches Verhalten aufweisen. Sie identifizieren dann die verantwortlichen Substanzen und studieren deren Funktion. Heute wird dieser Prozess durch computergestützte Methoden ergänzt, die es erlauben, maßgeschneiderte, neue Moleküle zu entwerfen, die spezifische Wirkungen auf Organismen und ihre Stoffwechselprozesse haben.
„Das Design und die Produktion solcher künstlichen Verbindungen ist aber oft dadurch limitiert, welche Vorläufermoleküle oder Bausteine für deren Herstellung zur Verfügung stehen“, erklärt Simon Schröder. Deren Herstellungsprozess sollte idealerweise ökonomisch und ökologisch sein, beispielsweise durch Verwendung von Mikroorganismen oder deren katalytischen Enzymen. Dementsprechend wichtig und interessant ist also die Erweiterung des Baukastens verfügbarer Moleküle zur Herstellung von neuen Medikamenten.
Die gewünschte Bindung einfacher zugänglich machen
„Wir beschäftigen uns mit der Produktion einer bestimmten Art von solchen Molekülen“, erklärt Schröder. 2017 wurde ein Enzym isoliert, das in der Lage ist, die in der Natur nur selten vorkommende Stickstoff-Stickstoff-Bindung in Molekülen zu knüpfen. Über dieses Enzym mit dem systematischen Namen „KtzT“ ist jedoch immer noch sehr wenig bekannt: Wie funktioniert es? In welchen Verbindungen kann es diese Bindung knüpfen? Eignet es sich für die Produktion von pharmazeutisch relevanten Molekülen?
„Zunächst konnten wir die Produktion und Isolation dieses Enzyms im Labor um den Faktor 35 verbessern“, berichtet Simon Schröder. „Dadurch waren wir in der Lage, KtzT zu charakterisieren, also seine optimalen Reaktionsbedingungen zu identifizieren: Bei welcher Temperatur, welchem pH-Wert arbeitet es am besten und wie stabil ist es unter verschiedensten Bedingungen?“
Das Forschungsteam hat außerdem KtzT-ähnliche Enzyme gefunden, isoliert und gezeigt, dass sie ebenfalls in der Lage sind, die Reaktion zu katalysieren. „Außerdem konnten wir eine mehrschrittige Reaktion mit mehreren Enzymen umsetzen, wodurch die Stickstoff-Stickstoff Bindung noch einfacher zugänglich wird“, so Simon Schröder. Mit bioinformatischen Methoden entwickelte er unter anderem ein Strukturmodell des Enzyms, das es ermöglicht, Hypothesen bezüglich des Reaktionsmechanismus aufzustellen und das Enzym gezielt so zu modifizieren, dass es die Stickstoff-Stickstoff-Bindung auch in anderen Verbindungen knüpfen kann.
Seit 2023 ist das Bochumer Team Teil des EU-weiten Netzwerks „BiodeCCodiNNg“, das sich unter anderem mit der Erforschung von Stickstoff-Stickstoff-bindenden Enzymen beschäftigt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dirk Tischler
Arbeitsgruppe Mikrobielle Biotechnologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 22656
E-Mail: dirk.tischler@ruhr-uni-bochum.de
Originalpublikation:
Simon Schröder, Artur Maier, Sandy Schmidt, Carolin Mügge, Dirk Tischler: Enhancing Biocatalytical N-N Bond Bormation With The Actinobacterial Piperazate Synthase KtzT, in: Molecular Catalysis, 2024, DOI: 10.1016/j.mcat.2023.113733, https://doi.org/10.1016/j.mcat.2023.113733
Bilder
Simon Schröder hat Biochemie an der Ruhr-Universität Bochum studiert und seine Masterarbeit in der …
© Privat
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch