Tiefe Hirnstimulation verhindert im Mausmodell epileptische Anfälle



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17.02.2021 11:22

Tiefe Hirnstimulation verhindert im Mausmodell epileptische Anfälle

Wissenschaftler*innen um die Neurobiologin Prof. Dr. Carola Haas, Forschungsgruppenleiterin an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und des Forschungszentrums BrainLinks-BrainTools, haben einen neuen Therapieansatz zur Prävention epileptischer Anfälle bei Schläfenlappenepilepsie erforscht. Sie zeigten bei Mäusen, dass sich mit einer niederfrequenten Stimulation bestimmter Hirnareale die epileptische Aktivität komplett beenden ließ. Statt mit Strom stimulierten die Forscher*innen die Zellen mit Licht. Dafür hatten sie zuvor ein lichtsensitives Molekül in die Zellen eingeschleust, das eine besonders präzise Stimulation erlaubt.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Epileptische Aktivität, ausgehend von einer oder mehreren erkrankten Hirnregionen im Bereich des Schläfenlappens, ist schwer einzudämmen. Viele Patientinnen und Patienten mit einer sogenannten Schläfenlappenepilepsie sprechen häufig nicht auf die Behandlung mit anti-epileptischen Medikamenten an, und die betroffenen Hirnareale müssen deshalb operativ entfernt werden. Leider verschafft dieser Eingriff nur etwa einem Drittel der Patienten Anfallsfreiheit, sodass die Entwicklung alternativer Therapieansätze von großer Bedeutung ist. Wissenschaftler*innen um die Neurobiologin Prof. Dr. Carola Haas, Forschungsgruppenleiterin an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und des Forschungszentrums BrainLinks-BrainTools, haben einen neuen Therapieansatz zur Prävention epileptischer Anfälle bei Schläfenlappenepilepsie erforscht. Sie zeigten bei Mäusen, dass sich mit einer niederfrequenten Stimulation bestimmter Hirnareale die epileptische Aktivität komplett beenden ließ. Statt mit Strom stimulierten die Forscher*innen die Zellen mit Licht. Dafür hatten sie zuvor ein lichtsensitives Molekül in die Zellen eingeschleust, das eine besonders präzise Stimulation erlaubt. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Dezember 2020 im Fachmagazin elife.

„Sobald wir die Hirnregion mit einer Frequenz von einem Hertz stimulierten, waren die epileptischen Anfälle verschwunden. Dieser Effekt war über mehrere Wochen stabil“, sagt Haas. Eine Gewöhnung, wie sie bei einer medikamentösen Therapie auftreten kann, fand nicht statt. Die Hirnregion wurde täglich eine Stunde stimuliert.

Schaltkreise und Zellen identifiziert

Bei einer Schläfenlappenepilepsie ist oft der Hippocampus krankhaft verändert und stellt meist den sogenannten Fokus der epileptischen Aktivität dar. In früheren Studien konnte auf Grundlage präziser genetischer Markierungstechniken bereits das Fasersystem und dessen synaptische Kontakte zwischen Schläfenlappen und Hippocampus dargestellt werden, welche bei einer Schläfenlappenepilepsie typischerweise erhalten bleiben. Die Forscher*innen nutzten dieses Fasersystem, um die Aktivität des Hippocampus unter dem Einsatz lichtabhängiger Proteine spezifisch und zeitlich präzise zu manipulieren. Bei der Messung der Hirnströme zeigte sich, dass eine rhythmische Aktivierung des erkrankten Hippocampus mit einer niedrigen Frequenz von einem Hertz die epileptische Aktivität unterdrückt und deren Ausbreitung verhindert.

Haas und ihre Kolleg*innen wiesen nach, dass die anti-epileptische Wirkung größtenteils auf die wiederholte Aktivierung der überlebenden Körnerzellen im Anfallsfokus zurückführen ist. Einzelzell-Untersuchungen bestätigten die Vermutung, dass die Körnerzellen aufgrund der Stimulation weniger erregbar sind und sich der epileptische Anfall dadurch weniger leicht ausbreitet. „Es ist auch möglich, dass wir einen weitgreifenden Netzwerkeffekt haben, da sich die Stimulation über die Schaltkreise des Hippocampus ausbreiten kann“, so Haas. In der Zukunft möchte das Team, zusammen mit der Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg, das gesamte Gehirn während der Stimulation mittels Magnetresonanztomografie beobachten. Mit dieser Technik ließen sich weitere Hirnregionen identifizieren, die von der Stimulation betroffen sind. Entsprechende Erkenntnisse darüber könnten Aufschluss darüber geben, wie diese miteinander verbunden sind und welche weiteren Konsequenzen eine Stimulation hat.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Carola Haas
Forschungsgruppenleiterin
Sektion für Experimentelle Epilepsieforschung
Klinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-52950
carola.haas@uniklinik-freiburg.de


Originalpublikation:

Original-Titel der Studie:
Hippocampal low-frequency stimulation prevents seizure generation in a mouse model of mesial temporal lobe epilepsy.
DOI: 10.7554/eLife.54518
Link zur Studie: https://elifesciences.org/articles/54518


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW