21.03.2020 10:26
TU Berlin: Coronavirus – “Social Distancing” aus mathematischer Perspektive
Es braucht etwas Mathematik, um „Social Distancing“ zu verstehen
Prof. Dr. Martin Skutella erklärt die Zahlen hinter dem Phänomen
Die ganze Welt scheint nur ein Thema zu haben: „Social Distancing“, also die Reduktion von sozialen Kontakten. Trotzdem scheint es so, als kennen viele Menschen zwar das Schlagwort, aber die Bedeutung erschließt sich meistens nicht so schnell. Warum? Dahinter steckt im wesentlichen Mathematik. Prof. Dr. Martin Skutella, Professor für Mathematik und Informatik an der TU Berlin, erläutert die Mathematik hinter dem gesellschaftlichen Phänomen. Sein Beispiel sind die Social Media.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Nimmt man als Beispiel das Video, das Martin Skutella zu dem Thema in seinem Homeoffice gedreht hat, funktioniert die Rechnung wie folgt: Er schickt das Video an zehn seiner Studierenden. Von diesen zehn liken vier das Video und diese vier schicken es jeweils wiederum weiter an zehn Studierende. Von jeder Zehner-Gruppe liken es wiederum vier, schicken es weiter an zehn und immer so weiter… „Dann hätte das Video innerhalb von zehn Tagen über eine Million Likes. In der Sprache der Social-Media-Community: Das Video geht viral“, so Martin Skutella.
Mathematisch wird diese Entwicklung durch eine geometrische Summe beschrieben: Nach n Tagen hat das Video 1+q+q2+q3+……..+qn = (qn+1 -1)/(q-1) Likes. (Sollte die mathematische Formel bei Ihnen nicht korrekt dargestellt sein, rufen Sie bitte folgenden Link auf: http://www.tu-berlin.de/?212831.)
Dabei bezeichnet q die Anzahl der Likes, die jeder Like am nächsten Tag nach sich zieht.
Was würde aber passieren, wenn die Studierenden nicht ganz so mitteilungsfreudig wären und jede*jeder das Video jeweils nur an fünf anstatt an zehn Personen weiterleitet und von denen jeweils nur zwei anstatt vier es liken würden? Wenn die Studierenden also virtuelles „Social Distancing“ betreiben würden?
„In dem Fall gäbe es zwar immer noch ein sogenanntes exponentielles Wachstum. Aber die magische Grenze von einer Million Likes würde eben erst nach 20 Tagen und nicht schon nach zehn erreicht“, erklärt der Wissenschaftler: „Genau das versuchen die Behörden aktuell durch den Aufruf zu erreichen, soziale Kontakte soweit wie möglich zu vermeiden. Der Virus wird sich weiterverbreiten, aber eben langsamer. Damit erhält unser Gesundheitssystem wertvolle Vorbereitungszeit.“
Das Video „Social Distancing aus mathematischer Perspektive“ zum Download:
https://youtu.be/dHENXQBZsOQ
Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
Prof. Dr. Martin Skutella
TU Berlin
Kombinatorische Optimierung und Graphenalgorithmen
E-Mail: martin.skutella@tu-berlin.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Mathematik, Medizin, Politik
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
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