Alkohol verlängert das Leben von Nematoden

Alkohol verlängert das Leben von Nematoden



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10.09.2020 09:46

Alkohol verlängert das Leben von Nematoden

Unter extremen Umweltbedingungen reagieren viele Organismen mit Verteidigungsprogrammen, die ihnen das Überleben ermöglichen. Diese Mechanismen zu verstehen, kann zu Möglichkeiten führen, das Leben menschlicher Zellen zu verlängern. In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Aging Cell veröffentlichten Arbeit hat ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden und der TU Dresden sowie des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin (MPZPM) in Erlangen entdeckt, dass Alkohol die Lebensdauer von Nematodenlarven verdoppeln kann.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Nematoden – oder Fadenwürmer – leben in Böden rund um den Globus und zählen bis zu 40.000 Arten. Der Wurm Caenorhabditis elegans (C.elegans), der als Modellorganismus in der Biologie dient, kann seine Entwicklung anpassen, um auf Nahrungsmittelmangel, Überbevölkerung oder extreme Temperaturen zu reagieren: Er bildet die spezielle, nicht-fressende „Dauerlarve“, die von der Umgebung abgeschottet bleibt und ohne Futter etwa vier Wochen überleben kann. Biologinnen und Biologen glaubten lange, dass die Dauerlarve ein geschlossenes System ist und kaum Materie mit der Umwelt austauscht. Zufällig entdeckte das Forschungsteam jetzt jedoch, dass Dauer-Larven, die in einer Lösung mit Alkohol gehalten wurden, viel länger überleben.

Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Teymuras Kurzchalia vom MPI-CBG fand heraus, dass der Wurm Alkohol aus der Umwelt aufnehmen und verstoffwechseln kann. Alkohol aktiviert einen Schalter, der das metabolische Netzwerk der Larven umformt: Das Ethanol wird in Fettspeicher geleitet, wo daraus Aminosäuren und Zucker hergestellt werden; die daraus entstehende Energie ernährt den Wurm. Darüber hinaus überlebten mit Alkohol versorgte Larven Austrocknung, indem sie zusätzliche Mengen des Zuckers Trehalose produzierten.

Warum sterben die Larven trotzdem?

Trotz Alkohol als quasi unendlicher Energieversorger – in der Natur könnte Ethanol von Hefen und Bakterien in verrottenden Früchten und Pflanzenstängeln produziert werden – leben die Würmer zwar länger, sterben aber schließlich doch. Warum?

Um diese Frage zu beantworten, wandte sich die Kurzchalia-Gruppe an Prof. Dr. Vasily Zaburdaev und sein Team vom Lehrstuhl für Mathematik in den Lebenswissenschaften der FAU und dem MPZPM. Sie entwickelten ein mathematisches Modell des Stoffwechselwegs von Dauerlarven, mit dem die Lebensdauer von Würmern für verschiedene Ethanolkonzentrationen und mögliche Mutationen im Stoffwechselweg vorhergesagt werden können. Basierend auf dem Modell schlussfolgert das Team, dass die Anreicherung toxischer Verbindungen dazu führt, dass die Würmer trotz reichlich vorhandener Energieressourcen letztendlich sterben.

Zukünftig wollen die Forscherinnen und Forscher diese toxischen Verbindungen identifizieren und versuchen, ihre Wirkung zu mildern, um die Lebensdauer von Würmern noch weiter zu verlängern.
Das Lernen und Verstehen von Überlebensmechanismen und Stresstoleranz, die später zur Erhaltung des Lebens menschlicher Zellen genutzt werden können, ist das Ziel des interdisziplinären Projekts, an dem vier Gruppen in Erlangen und Dresden beteiligt sind und das von der „Leben?“-Initiative der Volkswagen Stiftung gefördert wird.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Vasily Zaburdaev
Lehrstuhl für Mathematik in den Lebenswissenschaften der FAU
vasily.zaburdaev@fau.de


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1111/acel.13214


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Mathematik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW