Auf der Suche nach Wirkstoffen gegen Stress-Krankheiten: TU-Forschende legen zwei neue Veröffentlichungen vor



Teilen: 

10.11.2023 11:27

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Auf der Suche nach Wirkstoffen gegen Stress-Krankheiten: TU-Forschende legen zwei neue Veröffentlichungen vor

Depressionen, Diabetes, Fettleibigkeit oder Störungen der embryonalen Entwicklung – all dies kann durch Stress ausgelöst oder befördert werden. Forschende der TU Darmstadt zeigen in zwei aktuellen Veröffentlichungen in renommierten Fachjournalen neue Wege für die Behandlung von stressbedingten Erkrankungen auf.

In einer aktuellen Veröffentlichung in der Zeitschrift „Nature Structural and Molecular Biology“ hat die Arbeitsgruppe um Professor Felix Hausch (Fachbereich Chemie sowie Centre for Synthetic Biology/Forschungsfeld Matter+Materials der TU Darmstadt) die Architektur und Funktionsweise der Proteine FKBP51 und FKBP52 im Komplex mit dem Glucocorticoidrezeptor und dem Chaperon Hsp90, dem Protein, das für die Aktivierung des Glucocorticoidrezeptor notwendig ist, aufgeklärt.

Die beiden Proteine steuern die Steroidhormonrezeptoren (zum Beispiel den Glucocorticoidrezeptor), die unter anderem Stress- und Hormonsignale des Körpers verarbeiten. So spielen sie eine Schlüsselrolle bei stressbedingten Störungen und bei der korrekten Embryonalentwicklung. Wie FKBP51 und FKBP52 auf Steroidhormonrezeptoren wirken, war bisher unbekannt.

„Durch den systematischen Einbau photoreaktiver Aminosäuren konnten wir erstmals direkte Kontakte von FKBP51 und FKBP52 mit dem Glucocorticoidrezeptor in lebenden menschlichen Zellen abbilden“, erklärt Asat Baischew, der in der AG Hausch promovierte und Erstautor der Veröffentlichung ist. „Dies ermöglicht es uns, eine Momentaufnahme des Glucocorticoidrezeptors in dem bisher schwer fassbaren Zustand vor der Aktivierung zu rekonstruieren“, fügt Sarah Engel, Doktorandin und zweite Schlüsselautorin der Publikation, hinzu. Diese Studien zeigen, wie FKBP51 und FKBP52 unterschiedlich mit dem Glucocorticoidrezeptor interagieren, erklären die differenzielle Pharmakologie von FKBP51-bindende Substanzen (Liganden) und liefern eine strukturelle Grundlage für die Entwicklung von FKBP-Liganden mit höherer Wirksamkeit. Die gewonnenen Erkenntnisse eröffnen neue Ansätze für die Entdeckung verbesserter Medikamente zur Behandlung von Depressionen, diabetesbedingter Fettleibigkeit oder chronischen Schmerzen.

Mit der Frage, wie diese Behandlungswege konkret beschritten werden können, befasst sich eine zweite aktuelle Veröffentlichung der AG Hausch in der renommierten Zeitschrift „Angewandte Chemie“.

Die Forschenden befassten sich hier speziell mit dem Protein FKBP51. Es ist ein wichtiger Regulator von Stresshormon-Rezeptoren und ein potentielles Angriffsziel zur Behandlung von Depression, Fettleibigkeit oder Diabetes. Jüngste biochemische Befunde zeigten jedoch, dass bisher verfügbaren Wirkstoffe zwar an FKBP51 binden, nicht aber dessen regulatorische Wirkung auf Stresshormon-Rezeptoren blockieren.

Forschende der AG Hausch haben nun sogenannte PROTACs (Proteolysis Targeting Chimeras) für FKBP51 entwickelt. Dies erlaubt es erstmals, durch pharmakologische Behandlung das FKBP51-Protein in seiner Gesamtheit in lebenden menschlichen Zellen abzubauen, anstatt wie bisher nur Teile davon zu inhibieren, also in ihrer Aktivität zu hemmen. „FKBP51 erwies sich als außerordentlich hartnäckig gegenüber induziertem Protein-Abbau“, erklärt Thomas Geiger, Doktorand und Erstautor der Veröffentlichung. „Anders als bei dem kleineren, verwandten Protein FKBP12 mussten über 220 PROTAC-Varianten hergestellt und getestet werden, bevor mit der Substanz SelDeg51 ein Molekül mit ausreichender Aktivität und Selektivität gefunden wurde.“

Die Studie eröffnet einen fundamental neuen Ansatz, um die molekularen Funktionen von FKBP51 zu treffen. Dieser soll nun in weiterführenden Arbeiten unter anderem im Rahmen des GOBio inital-geförderten Verwertungsprojektes MoProX zu verbesserten Medikamenten für stressbedingte Krankheiten weiterentwickelt werden.

Hintergrund
Die Forschungen zur Veröffentlichung „Large-scale, in-cell photocrosslinking at single-residue resolution reveals the molecular basis for glucocorticoid receptor regulation by immunophilins“ wurden teilweise durch den Schwerpunkt TRABITA (Transiente Bindungstaschen für die Wirkstoffentwicklung) des hessischen Forschungsförderprogramms LOEWE finanziert.
Die Studie „Discovery of a Potent PROTAC Enables Targeting of FKBP51’s Scaffolding Functions” wurde teilweise über den Zukunftscluster PROXIDRUGS vom Bundesforschungsministerium finanziert.

AG Hausch/sip


Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41594-023-01098-1


Weitere Informationen:

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.202309706


Bilder

Aufklärung des Multiproteinkomplex aus FKBP51 (pink), HSP90 (blau) und Glucocorticoidrezeptor (gelb) durch ortsspezifischen Einbau der unnatürlichen Aminosäure para-Benzoyl-phenylalanin und Photocrosslinking in humanen Zellen.

Aufklärung des Multiproteinkomplex aus FKBP51 (pink), HSP90 (blau) und Glucocorticoidrezeptor (gelb)

AG Hausch


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW