15.04.2020 10:03
„Bürstenzellen“ in den Atemwegen bekämpfen gefährliche Keime
Mechanismus zur Abwehr bakterieller Lungenentzündungen entdeckt
Auf der Spur der „Bürstenzellen“: Noch vor zehn Jahren war die Funktion dieser seltenen Zellen, die über eine Art „Geschmackssinn“ verfügen und sich in der Atemwegsschleimhaut des Menschen befinden, weitgehend unbekannt. In den letzten Jahren konnte ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Kummer vom Institut für Anatomie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) Licht ins Dunkel bringen. Wie die neueste Veröffentlichung der Medizinerinnen und Mediziner in der Fachzeitschrift „Immunity“ zeigt, erfüllen die so genannten chemosensorischen Zellen eine sehr wichtige Aufgabe bei der Abwehr bakterieller Lungenentzündungen.
Die Bürstenzellen, die sich auf die Wahrnehmung potenziell gefährlicher Substanzen spezialisiert haben, sind in der Lage, kleine Bruchstücke von bakteriellen Eiweißen – etwa aus Pneumokokken – in der Atemluft zu erkennen. Anschließend setzen sie den Botenstoff Azetylcholin frei, der sonst vorwiegend aus dem Nervensystem bekannt ist. Azetylcholin wirkt auf benachbarte Zellen mit beweglichen Flimmerhärchen, die dann vermehrt schlagen und damit für den Abtransport der Bakterien sorgen – etwa durch Aushusten oder Verschlucken. Dieser Prozess, der als „mukoziliäre Clearance“ bezeichnet wird, ist einer der wichtigsten Abwehrmechanismen der Atemwege gegen Keime. Das Forschungsteam konnte zeigen, dass Mäuse, bei denen die Bürstenzellen inaktiv sind, eine erhöhte Infektionsanfälligkeit der unteren Atemwege aufweisen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die Arbeit entstand im Verbund des von der DFG geförderten SFB-TR84 „Innate Immunity of the Lung“ und unter Mitwirkung des Deutschen Zentrums für Lungenforschung.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Wolfgang Kummer
Institut für Anatomie und Zellbiologie
Aulweg 123, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-47000
E-Mail: wolfgang.kummer@anatomie.med.uni-giessen.de
Originalpublikation:
Perniss A, Liu S, Boonen B, Keshavarz M, Ruppert AL, Timm T, Pfeil U, Soultanova A, Kusumakshi D, Delventhal L, Aydin Ö, Pyrski M, Deckmann K, Hain T, Schmidt N, Ewers C, Günther A, Lochnit G, Chubanov V, Gudermann T, Oberwinkler J, Klein J, Mikoshiba K, Leinders-Zufall T, Offermanns S, Schütz B, Boehm U, Zufall F, Bufe B, Kummer W.:
Chemosensory cell-derived acetylcholine drives tracheal mucociliary clearance in response to virulence-associated formyl peptides. Immunity (Volume 52, Issue 4, 14 April 2020)
https://doi.org/10.1016/j.immuni.2020.03.005
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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