20.08.2020 16:29
Covid-19: Deutschlandweite Studie zur psychischen Belastung im Gesundheitswesen – Pflegekräfte besonders betroffen
Welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Beschäftigten im Gesundheitswesen hat, zeigt die erste deutschlandweite Studie der Augsburger Universitätsmedizin. Trotz hoher psychischer Belastung – gerade beim Pflegepersonal – gibt es Zufriedenheit mit den Eindämmungsmaßnahmen, die von Krankenhäusern und dem Staat ergriffen wurden. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience veröffentlicht (Open Access).
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Der Ausbruch von Covid-19 ist die schwerwiegendste Pandemie seit der Spanischen Grippe 1918. Zu Ausbrüchen von neuen und alten Infektionserregern kommt es immer wieder, wie dem Zika-Virus 2016, der Schweinegrippe 2009 (H1N1/09 Virus) und der SARS-Epidemie zwischen 2002 und 2004. Letztere zeigte bereits, dass Beschäftigte des Gesundheitswesens unter einem substantiellen Risiko stehen, psychische Probleme zu entwickeln. Aktuelle Studien aus China machen deutlich, dass Pflegepersonal in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie in hohem Maße von psychischer Belastung, Depression, Angst, Schlaflosigkeit und Stress betroffen ist.
Erkenntnisse über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Beschäftigten in der Krankenversorgung in Ländern mit einkommensstarker Wirtschaft und der Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen und medizinischen Disziplinen im Gesundheitssektor gibt es jedoch bislang nur wenige.
Die erste deutsche Studie dazu wurde an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg und der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt, die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience veröffentlicht. Beteiligt waren der Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie unter Prof. Dr. Alkomiet Hasan und der Lehrstuhl für Medizinische Psychologie und Soziologie von Prof. Dr. Miriam Kunz.
Erste Studie aus Deutschland bestätigt psychosozialen Stress
Im Rahmen der Studie wurden im Zeitraum vom 15. April bis 1. Mai 2020 in ganz Deutschland 3.669 Beschäftigte im Gesundheitswesen, darunter Angehörige der Ärzteschaft, der Pflege und des sonstigen Krankenhauspersonals, zu ihrer subjektiven Belastung und Stress angesichts der Pandemie mittels einer Online-Befragung anonym untersucht. Ebenso erfragt wurde die Wahrnehmung der Informationspolitik und die Zustimmung zu den von Staat und jeweiligem Krankenhaus ergriffenen Eindämmungsmaßnahmen.
Am höchsten waren subjektive Belastung und Stress beim Personal auf Covid-19-Stationen sowie beim Pflegepersonal, das sich im Vergleich mit der Ärzteschaft auch kritischer gegenüber der Informationssituation und der Eindämmungsmaßnahmen äußerte. Gründe für den erhöhten psychosozialen Stress in der Pflege könnten sein, dass Pflegerinnen und Pfleger mehr Zeit in direktem Kontakt mit Patienten und deren Angehörigen verbringen und dadurch vermehrt deren Sorgen und Ängsten ausgesetzt sind, aber auch dem Virus selbst. Die Ergebnisse zeigten weiterhin, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen gemäß Selbstauskunft im Vergleich zur Gesamtbevölkerung mit einem deutlich höheren Ansteckungsrisiko mit Covid-19 ausgesetzt waren, insbesondere bei einem Arbeitseinsatz auf Stationen mit hohem Aufkommen von Covid-19-Patienten und -Patientinnen.
„Insbesondere für Pflegende und für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in COVID-19-Risikobereichen sollte es niederschwellige Angebote zum Erkennen von beginnenden stress-assoziierten Erkrankungen und dem Erhalt der psychischen Gesundheit geben,“ sagt Studienautor Alkomiet Hasan.
Trotz hoher Belastung überwiegend Zufriedenheit mit den Eindämmungsmaßnahmen
Alle Befragten äußerten die Belastung durch subjektiven mentalen Stress, Sorgen um die persönliche Zukunft und die Gesundheit von Familienangehörigen sowie Angst, sich mit dem Virus anzustecken und es an Familie und Freunde zu übertragen.
Insgesamt zeigen die Beschäftigten im deutschen Gesundheitswesen jedoch hohe Zustimmungsraten zu den von Krankenhäusern und Staat ergriffenen Maßnahmen und werteten sowohl das Maß an Unterstützung und Schutz als auch die Qualität der Versorgung von Patienten mit und ohne Covid-19-Infektion positiv. Auch die Fragen nach der Verfügbarkeit von persönlicher Schutzausrüstung wurden überwiegend positiv beantwortet. Die Befragten gaben nur selten die Antwort, sich von ihrem Arbeitgeber sehr im Stich gelassen zu fühlen und zeigten sich in der Mehrzahl willig, nach der Pandemie weiter im Gesundheitswesen arbeiten zu wollen.
Die Studie
“Subjective burden and perspectives of German healthcare workers during the COVID-19 pandemic” wurde publiziert in European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. Befragt wurden 3.669 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Zeitraum vom 15. April bis 1. Mai 2020, davon 61 Prozent Frauen und 39 Prozent Männer aus Ärzteschaft und Pflege, außerdem Psychologen und Psychologinnen, Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen und Beschäftigte aus anderen Bereichen der Krankenversorgung. 2,8 Prozent der Befragten waren zum Zeitpunkt der Befragung positiv auf Covid-19 getestet worden, 26,5 Prozent gehörten zu Covid-19-Risikogruppen aufgrund von Vorerkrankungen, Alter, oder aus anderen Gründen. Im Durchschnitt leisteten die Befragten circa zwei Überstunden seit Beginn der Pandemie, behandelten im Schnitt circa drei Patienten mit Covid-19 und berichteten, dass durchschnittlich 1,2 Freunde oder Familienmitglieder positiv auf Covid-19 getestet worden waren.
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Die Augsburger Universitätsmedizin
…umfasst die Medizinische Fakultät der Universität Augsburg, das Universitätsklinikum Augsburg sowie – als Kooperationspartner – das Bezirkskrankenhaus Augsburg – Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Augsburg. Die Forschungsschwerpunkte der Medizinischen Fakultät liegen in den Bereichen Medizinische Informatik sowie Umwelt und Gesundheit. Rund 100 Professorinnen und Professoren werden im Endausbau in der bio- und humanmedizinischen Forschung und Lehre tätig sein. Seit dem Wintersemester 2019/20 bietet die Medizinische Fakultät einen humanmedizinischen Modellstudiengang an, der vorklinische und klinische Inhalte integriert und besonderen Wert auf eine wissenschaftliche Ausbildung der im Endausbau 1.500 Studierenden legt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Alkomiet Hasan
Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Augsburg
Ärztlicher Direktor Bezirkskrankenhaus Augsburg
Telefon: 0821 4803-1001
E-Mail: alkomiet.hasan@med.uni-augsburg.de
Originalpublikation:
Victoria Kramer*, Irina Papazova*, Andreas Thoma*, Miriam Kunz, Peter Falkai, Thomas Schneider-Axmann, Anke Hierundar, Elias Wagner, Alkomiet Hasan: Subjective burden and perspectives of German healthcare workers during the COVID-19 pandemic In: European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience
https://doi.org/10.1007/s00406-020-01183-2
*Die AutorInnen trugen gleichermaßen bei.
Weitere Informationen:
https://doi.org/10.1007/s00406-020-01183-2 Publikation (Open Access)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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