Das älteste “Ortsnamenschild” der Welt



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03.12.2020 13:21

Das älteste “Ortsnamenschild” der Welt

Wissenschaftler der Universität Bonn haben zusammen mit dem Ägyptischen Antikenministerium das älteste Ortsnamenschild der Welt entschlüsselt. Eine Inschrift aus der Zeit der Herausbildung des ägyptischen Staates im späten Vierten Jahrtausend v. Chr. aus dem archäologisch noch kaum erforschten Wadi el Malik östlich von Assuan trägt vier Hieroglyphen: “Domäne des Horus-Königs Skorpion”.

“Dieser Herrscher mit dem Namen `Skorpion´ war eine prominente Figur in der Phase der Entstehung des ersten Territorialstaates der Welt”, sagt der Ägyptologe Prof. Dr. Ludwig D. Morenz von der Universität Bonn. Der Herrscher lebte um 3070 v.Chr., seine genauen Lebensdaten und die Länge seiner Regierungszeit sind nicht bekannt. Der Name “Skorpion” ist zusammen mit drei weiteren Hieroglyphen auf einer vor mehr als zwei Jahren entdeckten Felsinschrift aus einem Nebenwadi des Wadi Abu Subeira im Osten Assuans vermerkt: “Domäne des Horus-Königs Skorpion”. Eine Kreis-Hieroglyphe weist darauf hin, dass es um eine Ortsbezeichnung geht. “Damit handelt es sich um das älteste bekannte Ortsnamenschild der Welt”, sagt Morenz.

Unter welchen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten die Menschen vor mehr als fünftausend Jahren lebten, dazu ist die Quellenlage sehr dünn. “Gerade deshalb ist die Neuentdeckung der Felsinschrift eine Bereicherung”, sagt der Ägyptologe. Der sehr frühe Gebrauch der Kulturtechnik Schreiben an diesem eher abseitigen Ort ist für das Vierte Jahrtausend v.Chr. ungewöhnlich. Trotz ihrer Kürze öffnet die Inschrift ein Fenster in die Welt der Entstehung des Ägyptischen Staates und der damit verbundenen Kultur. Morenz: “Erstmals wird hier der Prozess der Binnenkolonisation im Niltal konkreter inschriftlich greifbar.”

Ägypten als erster Territorialstaat der Welt

Nach Einschätzung des Wissenschaftlers war Ägypten der erste Territorialstaat weltweit. “Es gab vorher auch schon anderswo Herrschaftssysteme, die aber viel kleinflächiger waren”, sagt Morenz. Schon länger ist bekannt, dass die Nord-Süd-Ausdehnung Ägyptens damals bereits rund 800 Kilometer betrug. “Tatsächlich gingen mehrere rivalisierende Zentren im neuen Zentralstaat auf”, sagt Morenz. An der Peripherie des Reiches wurden damals gezielt Königsgüter – sogenannte Domänen – gegründet, um das Pharaonenreich zu festigen.

Während des Vierten Jahrtausends bildete sich bereits eine Verwaltung heraus, was sich anhand niedergeschriebener Beamtentitel sowie von Steuern und Abgaben nachweisen lässt. Diese Abgaben zeugen von sozio-ökonomischen Abhängigkeiten und basieren auf Kontrolle, Hierarchie und einem besonderen Gewaltpotenzial des Herrschers als Horus-Gott und irdischer Entsprechung zugleich. “Die Grenzen zwischen symmetrisch und asymmetrisch gedachten Abhängigkeiten verliefen seinerzeit anscheinend eher fließend”, sagt Morenz. Damit konnte das symmetrische Prinzip vom Geben-und-Nehmen in ein asymmetrisches der Ausbeutung übergehen.

Von kleineren Textträgern wie Etiketten zu Warenlieferungen, Rollsiegeln und Gefäßaufschriften sind bereits verschiedene Namen von Wirtschaftseinheiten (Domänen) bekannt. Durch die Felsinschrift werde erstmals eine solche Königsdomäne als konkreter archäologischer Ort fassbar. Hier wurden neben verschiedenen Felsbildern auch noch weitere frühe Felsinschriften entdeckt und zusammen mit Keramik aus dieser Zeit gefunden. “Dieses Gebiet steht noch am Anfang der archäologischen Erschließung”, sagt Morenz. Die Wissenschaftler sehen hier die Chance, den folgenreichen Prozess der weltweit ersten Staatsentstehung genauer in den Blick zu nehmen. Dazu gehören die Ausweitung und Sicherung des Herrschaftsbereichs an den Rändern im Niltal und die Festigung des seinerzeit neuartigen Königtums.

Seit einigen Jahren arbeiten die Wissenschaftler der Abteilung für Ägyptologie der Universität Bonn mit Abdelmonem Said und Mohamed Abdelhay vom Assuaner Amt („Taftish“) des Ägyptischen Antikenministeriums zusammen. Das Forscherteam hatte bereits mehrere bis in das Neolithikum zurückreichende Felsbilder dokumentiert. Das Projekt entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs “Macht und Herrschaft” im ägyptologischen Teilprojekt („Vom doppelten Horus. Königsideologische Arbeit in der formativen Phase des ägyptischen Königtums und ihre Inszenierung“) und ist zusätzlich in den Bonner Exzellenzcluster “Beyond Slavery and Freedom” eingebunden.

In der von der Abteilung für Ägyptologie an der Universität Bonn neu begründeten Reihe „KATARAKT. Assuaner Archäologische Arbeitspapiere“ wird die Studie als erster Band vorgelegt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Ludwig D. Morenz
Universität Bonn
Abteilung für Ägyptologie
Tel. 0228/735733
E-Mail: lmorenz@uni-bonn.de


Originalpublikation:

Ludwig D. Morenz, Abdelmonem Said, Mohamed Abdelhhay: Binnenkolonisation am Beginn des ägyptischen Staates. Eine Fallstudie zur Domäne des Königs SKORPION im späten Vierten Jahrtausend v. Chr., EBVerlag, 188 Seiten, 29,80 Euro. Das Buch ist in deutscher Sprache abgefasst und beinhaltet eine arabische Übersetzung.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW