Energiewende in der Pilzzelle



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24.06.2021 11:38

Energiewende in der Pilzzelle

Ein Dogma wankt: Hefepilze können auch ohne Filamentierung tödliche Infektionen auslösen

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Jena. Nahezu alle Studien legten bisher nahe, dass die Bildung von Hyphen einer der wichtigsten Virulenzfaktoren des Hefepilzes Candida albicans ist. Die Jenaer Professorin Ilse Jacobsen vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – (Leibniz-HKI) und ihr Team zeigten nun erstmals, dass auch eine mutierte Form des Pilzes, die keine Hyphen bildet, tödlich verlaufende systemische Infektionen verursachen kann. Von ihren Ergebnissen berichten die Forschenden im Fachjournal Nature Communications.

Mehr Menschen sind anfällig für krankmachende Pilze

Ärztinnen und Ärzte beobachten in der Klinik immer häufiger tödlich verlaufende Pilzinfektionen. Auch als Ko-Infektion bei COVID-19-Erkrankten stellen sie die Medizin vor große Herausforderungen. Ironischerweise werden diese Infektionen ausgerechnet durch medizinische Errungenschaften begünstigt, da viele Therapien, wie etwa bei Transplantationen oder Autoimmunerkrankungen, unsere Abwehrkräfte absichtlich herunterfahren.

„Im mikrobiellen Gleichgewicht ist der Hefepilz Candida albicans eigentlich ein harmloser Besiedler unserer Schleimhäute. Durch die Störung eines ausgeglichenen Mikrobioms, wie zum Beispiel durch die Einnahme von Antibiotika in Kombination mit Immunsuppression, kann der Pilz disseminierte und damit lebensbedrohliche Infektionen auslösen“, erklärt Ilse Jacobsen, Mikrobiologin und Tierärztin am Leibniz-HKI. Bei allen Formen der sogenannten Candidose geht der Erreger Candida albicans von kugelförmigen Hefezellen in ein fadenförmiges, sogenanntes filamentöses Wachstum über, wie zahlreiche Studien belegen. Mit den gebildeten Hyphen und dem Gift Candidalysin kann der Pilz tief in die Zellen eindringen. Candida albicans-Mutanten, die keine Hyphen bilden können, lösten in den bisherigen Versuchen hingegen keine oder nur mild verlaufende Infektionen aus.

Dominante Rolle der Filamentierung im Infektionsgeschehen überdenken

Ilse Jacobsen und ihr Team untersuchten die Virulenz einer Candida-Mutante, bei der das Gen EED1 ausgeschaltet ist. Es kodiert einen Schlüsselfaktor für das Hyphenwachstum. Zunächst beobachtete die Professorin für Mikrobielle Immunologie an der Universität Jena, dass die Pilz-Mutante in der Zellkultur keine Schäden verursacht. Um die Hypothese zu bekräftigen stellte die Gruppe eine systemische Infektion in einem Maus-Infektionsmodell nach. Die Forschenden gingen davon aus, dass die Mutante in der kugeligen Hefe-Form nicht in die Organe einwachsen kann und erwarteten auch hier keine nennenswerten Auswirkungen. Doch überraschenderweise erlagen ebenso viele Mäuse der Krankheit wie nach einer Infektion mit dem vollständig filamentösen Wildtyp-Stamm.

Stark erhöhte Pilzbelastung

„Als wir uns das Gewebe der Tiere anschauten, fanden wir eine hundertfach höhere Pilzbelastung der Organe“, so Christine Dunker. Sie ist Doktorandin in Jacobsens Team und Erstautorin der Studie. „Der Pilz konnte sich in den Organen blitzschnell vermehren. Durch diese hohe Menge an Pilzzellen beispielsweise im Nierengewebe entstand ein enormer Druck, der die Organe schließlich erheblich schädigte.“ Auch die Reaktion des Immunsystems hat eine Auswirkung auf den schweren Krankheitsverlauf: „Die Makrophagen, also unsere Fresszellen, erkannten den Pilz zwar zu Beginn der Infektion. Jedoch schlug das Immunsystem erst in einem späteren Stadium Alarm und veranlasste die Bildung einer Vielzahl von weißen Blutkörperchen, sogenannte neutrophile Granulozyten“, ergänzt Dunker. „Beim Versuch die Eindringlinge abzutöten, lösten die Immunzellen starke Entzündungsreaktionen aus und schädigten das Gewebe zusätzlich. Dieser Kollateralschaden ist aufgrund der Pilzmenge größer als beim Wildtyp.“

Pilz nutzt alternative Energiequellen

Den Grund für die schnelle Vermehrung der Pilzzellen vermuten die Forschenden in einem veränderten Stoffwechsel der Pilz-Mutante: Sie passt ihre metabolischen Prozesse an und schöpft Energie aus alternativen Kohlenstoff-Quellen, wie etwa Zitrat – das gerade in der Niere häufig vorkommt – oder Proteinen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessieren sich nun dafür, welche konkreten molekularen Mechanismen für die Anpassung verantwortlich sind.

Therapeutische Ansätze gegen Filamentierung weiterverfolgen

Zur medikamentösen Behandlung von Pilzinfektionen stehen nur wenige Stoffklassen zur Verfügung. Ein Teil der Forschung konzentriert sich deshalb darauf, neue Wirkstoffe zu identifizieren, die die Filamentierung der Hefezellen unterdrücken sollen. Trotz ihrer Erkenntnisse plädiert Jacobsen weiterhin für diesen Ansatz: „Substanzen, die den Pilz gänzlich abtöten, erhöhen den Selektionsdruck und fördern dadurch Resistenzen, die bereits heute ein Problem sind. Wenn wir Wirkstoffe entwickeln, die die Filamentierung des Pilzes unterdrücken, können wir damit seine Virulenz senken. Wir müssen jedoch im Blick behalten, wie sich der Pilz verhält, sobald er aufgrund der fehlenden Filamentierung seinen Stoffwechsel anpasst und alternative Kohlenstoff-Quellen nutzt.“

Internationale Zusammenarbeit

Die Studie entstand in einer Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Jena und Würzburg mit einem Kollegen in Los Angeles. Sie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Projektes JA1960/1-1 und des Sonderforschungsbereiches/Transregio „FungiNet“ gefördert. Die Leiterin der Studie, Ilse Jacobsen, hat die Professur für Mikrobielle Immunologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne und leitet am Leibniz-HKI die gleichnamige Forschungsgruppe. Als Tierärztin engagiert sie sich außerdem für einen verantwortungsvollen Einsatz von Tierversuchen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Ilse Denise Jacobsen
Professorin für Mikrobielle Immunologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Leiterin der gleichnamige Forschungsgruppe am Leibniz-HKI

ilse.jacobsen@leibniz-hki.de


Originalpublikation:

Dunker C, Polke M, Schulze-Richter B, Schubert K, Rudolphi S, Greßler AE, Pawlik T, Prada Salcedo JP, Niemiec MJ, Slesiona-Künzel S, Swidergall M, Martin R, Dandekar T, Jacobsen ID (2021) Rapid proliferation due to better metabolic adaptation results in full virulence of a filament-deficient Candida albicans strain. Nature Communications doi.org/10.1038/s41467-021-24095-8


Anhang

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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW