Forschende entdecken neuartigen antibiotischen Wirkstoff in menschlicher Nase



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18.12.2023 12:21

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Forschende entdecken neuartigen antibiotischen Wirkstoff in menschlicher Nase

An der Universität Tübingen wurde erstmals der Wirkstoff Epifadin isoliert – Epifadin wird von bestimm-ten Bakterien in der Nase und auf der Haut des Menschen produziert, ist antibiotisch wirksam und der erste Vertreter einer bisher unbekannten Wirkstoffklasse.

Forschende der Universität Tübingen haben einen neuartigen antibiotischen Wirkstoff in der mensch-lichen Nase entdeckt, der gegen krankheitserregende Bakterien eingesetzt werden könnte. Produ-ziert wird das Molekül mit dem Namen Epifadin von bestimmten Bakterienstämmen der Art Staphy-lococcus epidermidis, die auf der Schleimhaut der Naseninnenwand vorkommen. Daneben konnten Epifadin-produzierende Stämme aber auch von der Hautoberfläche isoliert werden. Epifadin be-gründet eine neue, bisher unbekannte Mikroorganismen-abtötende Wirkstoffklasse, die als Leitstruk-tur zur Entwicklung von neuartigen Antibiotika genutzt werden könnte.

Die Nase, Haut oder der Darm des Menschen werden sowohl von gutartigen als auch von krank-heitserregenden Bakterien besiedelt. Gemeinsam leben diese Mikroorganismen in sogenannten Mik-robiomen. Ist das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht, können sich Krankheitserreger vermehren und wir werden krank. Das Bakterium Staphylococcus epidermidis kommt natürlicherweise im Haut- und im Nasenmikrobiom fast aller Menschen vor. Der neu identifizierte Stamm produziert den Wirk-stoff Epifadin vermutlich, um sich gegen konkurrierende Mikroorganismen durchzusetzen. Epifadin wirkt nicht nur gegen diejenigen Bakterien, die sich in lokaler Konkurrenz mit Staphylococcus epi-dermidis befinden. Auch gegen Bakterien aus anderen Lebensräumen wie dem Darm sowie gegen bestimmte Pilze ist Epifadin wirksam. Eine besonders gute Wirksamkeit wurde gegen den potenziel-len Krankheitserreger Staphylococcus aureus festgestellt, der auch als Krankenhauskeim bekannt ist, und besonders gefährlich ist, wenn er als antibiotikaresistente Form (MRSA) vorkommt.

Bereits 2016 entdeckten dieselben Arbeitsgruppen von Dr. Bernhard Krismer und Prof. Dr. Andreas Peschel gemeinsam mit den Professorinnen Stephanie Grond und Heike Brötz-Oesterhelt an der Universität Tübingen einen unbekannten antibiotischen Wirkstoff mit einzigartiger Struktur – das so-genannte Lugdunin. Epifadin ist nun also die zweite Entdeckung dieser Art von diesen Arbeitsgrup-pen, die im menschlichen Mikrobiom gemacht wurde.

Im Experiment tötet der Wirkstoff Epifadin den Erreger Staphylococcus aureus sehr zuverlässig ab. Der Wirkstoff schädigt dabei die Zellmembran feindlicher Bakterienzellen, wodurch diese zerstört werden. Die chemische Struktur von Epifadin ist höchst instabil und der Wirkstoff ist nur wenige Stunden aktiv. Dadurch wirkt Epifadin vor allem lokal und Kollateralschäden des Mikrobioms, wie bei heutigen Behandlungen mit Breitbandantibiotika, sind unwahrscheinlicher. Ob Epifadin oder seine Derivate für eine Therapie nutzbar sind, wird erst die zukünftige Forschung zeigen. Es wäre bei-spielsweise denkbar, Epifadin-produzierende Staphylococcus epidermidis in der Nasenschleimhaut und an anderen Stellen auf unserer Haut gezielt anzusiedeln und somit das Wachstum von Krank-heitserregern wie Staphylococcus aureus zu unterdrücken. So könnte bakteriellen Infektionen vor-gebeugt werden – mit natürlichen Mitteln, über die unser Körper bereits verfügt.

Forschende des Exzellenzclusters „Controlling Microbes to Fight Infections“ CMFI der Universität Tübingen kamen dem Wirkstoff und seiner Struktur vor zehn Jahren auf die Spur, als sie den produ-zierenden Stamm erstmals isolieren konnten. Komplexe Naturstoffe wie Epifadin werden von Mikro-organismen mithilfe von Enzymen aus Einzelbausteinen gebildet – „Biosynthese“ genannt. Erste Versuche diese Biosynthese nachzuvollziehen, hatten schon früh auf ein völlig neuartiges Molekül hingedeutet. Erst nach mehreren Jahren der engen Zusammenarbeit mit der chemischen Analytik und Synthese der Organischen Chemie an der Universität Tübingen, gelang ihnen die Anreicherung und Lagerung des Wirkstoffs auf eine Weise, die eine vollständige Isolierung der Reinsubstanz er-möglichte.

Studienleiter Bernhard Krismer vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT) erinnert sich: „Die Daten aus dem Labor waren sehr interessant, aber wegen der Instabilität schwer zu interpretieren. Ich war der Meinung, dass es sich trotz der Schwierigkeiten lohnt, weiter daran zu forschen. Hartnäckigkeit und eine hohe Frustrationstoleranz haben hier schließlich zum Erfolg geführt“.

Andreas Peschel, Professor für Mikrobiologie an der Universität Tübingen und Sprecher des Exzel-lenzclusters CMFI, ergänzt: „Seit Jahrzehnten stagniert die Entwicklung neuer Antibiotika. Wir brau-chen sie aber mehr denn je, denn wir verzeichnen weltweit einen rasanten Anstieg an multiresisten-ten Keimen über die letzten Jahre. Diese Infektionen sind schwer in den Griff zu bekommen und unsere Reserveantibiotika wirken nicht mehr so gut. Wir brauchen dringend neue Wirkstoffe und Behandlungsmethoden“.

In Folgestudien wird es darum gehen, aus der Struktur des Wirkstoffs Rückschlüsse auf seine Wir-kung zu ziehen. Auch hier erschwert die kurze Haltbarkeit von Epifadin eine umfassende chemische und biologische Analyse. Daher sollen im Labor zunächst mittels chemischer Synthese künstlich Moleküle mit einer ähnlichen Struktur und antimikrobieller Wirkung wie Epifadin hergestellt werden, die stabiler sind und mit denen sich besser arbeiten lässt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Bernhard Krismer
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT)/Infektionsbiologie
b.krismer @ uni-tuebingen. de
Telefon: +49 (7071) 29-74640

Prof. Dr. Stephanie Grond
Universität Tübingen
Institut für Organische Chemie
stephanie.grond @ uni-tuebingen. de


Originalpublikation:

Benjamin O. Torres Salazar, Taulant Dema, Nadine A. Schilling, Daniela Janek, Jan Bornikoel, Anne Berscheid, Ahmed M. A. Elsherbini, Sophia Krauss, Simon J. Jaag, Michael Lämmerhofer, Min Li, Norah Alqahtani, Malcolm J. Horsburgh, Tilmann Weber, José Manuel Beltrán-Beleña, Heike Brötz-Oesterhelt, Stephanie Grond, Bernhard Krismer & Andreas Peschel. (2023) Commensal production of a broad spectrum and short-lived antimicrobial peptide polyene eliminates nasal Staphylococcus aureus. Nature Microbiology. https://doi.org/10.1038/s41564-023-01544-2.


Bilder

Der Wirkstoff Epifadin in seiner isolierten Reinform. Der instabile Wirkstoff muss unter Schutzgas gelagert werden.

Der Wirkstoff Epifadin in seiner isolierten Reinform. Der instabile Wirkstoff muss unter Schutzgas g

© Jonas Ritz / Universität Tübingen.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des Epifadin produzierenden Bakteriums Staphylococcus epider-midis. Kolorierung: Elke Neudert/Universität Tübingen.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des Epifadin produzierenden Bakteriums Staphylococcus epider

© Jeremiah Shuster, Tübingen Structural Microscopy Core Facility / Arbeitsgruppe Geomikrobiologie / Universität Tübingen.


Anhang

attachment icon Dr. Bernhard Krismer und Prof. Dr. Stephanie Grond im Mikrobiologischen Labor des Interfakultären Instituts für Mikrobiologie und Infektionsmedizin Tübingen (IMIT) der Universität Tübingen.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW