28.07.2020 09:14
Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen analysiert Strategien zur Massenakzeptanz bei Corona-Apps
Aktuell werden weltweit Corona-Warn-Apps zur Nachverfolgung von Infektionsketten entworfen und angeboten. Solche Contact-Tracing-Apps sind zentraler Bestandteil nationaler Strategien zur Lockerung von Kontaktbeschränkungen – auch in Deutschland. Damit diese Apps allerdings erfolgreich sind, müssen sie von einem großen Teil der Bevölkerung akzeptiert und aktiv genutzt werden. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen hat untersucht, wie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger mit Hilfe von App-Designs Massenakzeptanz zielgerichtet erreichen können.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Drei Aspekte, die auch in der öffentlichen Diskussion eine hervorstechende Rolle spielen, stehen im Fokus der Studie. Wie muss Datenschutz gestaltet werden? Welche Unannehmlichkeiten können in Kauf genommen werden? Und wem soll die App primär nutzen? Um Antworten auf diese Frage zu finden, hat das Forschungsteam verschiedene Corona-Tracing-Apps entworfen. Die Akzeptanz der verschiedenen App-Designs wurde anschließend in einer Experimentalstudie untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Aspekte innerhalb der Bevölkerung unterschiedlich gewichtet werden. Während beispielsweise das Datenschutz-Design sowohl für Kritikerinnen und Kritiker der App als auch für unentschlossene Menschen von Bedeutung ist, scheint das Convenience-Design, das etwa auf einen schonenden Batterieverbrauch optimiert ist und wenige Nutzerinteraktionen benötigt, besonders für unentschlossene Menschen wichtig zu sein.
„Die große Herausforderung beim Entwurf einer Contact-Tracing-App im Vergleich zu klassischen Konsumenten-Apps besteht weniger in der Umsetzung der technischen Kernfunktionalitäten“, erklärt Dr. Simon Trang, Juniorprofessor für Informationssicherheit und Compliance an der Universität Göttingen und Erstautor der Studie, „vielmehr geht es darum, eine App zu präsentieren, die von der breiten, heterogenen Masse der Bevölkerung angenommen wird. Wenn dies nicht gelingt, wird das Vorhaben scheitern. Massenakzeptanz wird somit zur zentralen Design-Anforderung für Entscheidungsträger bei dieser neuartigen Klasse von mobilen Apps.“ Ko-Autor Dr. Manuel Trenz, Professor für Interorganisationale Informationssysteme an der Universität Göttingen, ergänzt: „Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger müssen sich also fragen, welcher spezifische Teil der Bevölkerung überzeugt werden muss, um Massenakzeptanz und damit den Erfolg der App zu realisieren. Und dann sollte man sich auf jene Aspekte fokussieren, die für diese Gruppen besonders wichtig sind.“
Besonders bedeutsam scheint dabei zu sein, den Nutzen der App zu kommunizieren. Soziale und gesellschaftlich orientierte Argumente überzeugen kritische und unentschlossene Menschen (zum Beispiel: „Schützen Sie die Bevölkerung“), während individuelle Argumente (zum Beispiel: „Schützen Sie sich selbst“) verpuffen oder sogar kontraproduktiv sein können. „Überraschenderweise finden wir diesen negativen Effekt auch, wenn beide Vorteile gemeinsam kommuniziert werden“, berichtet Ko-Autor Dr. Welf Weiger, Juniorprofessor für Digital Marketing an der Universität Göttingen. Daher empfehlen die Forscherinnen und Forscher eine klar fokussierte Kommunikationsstrategie, die den gesellschaftlichen Nutzen von Contact-Tracing-Apps hervorhebt – anders als in vielen Ländern derzeit. „Unsere Ergebnisse liefern eine Erklärung für das Scheitern von existierenden Contact-Tracing-Apps wie beispielsweise in Frankreich und Norwegen. Gleichzeitig bieten sie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in Ländern, die diese Apps noch entwickeln, wichtige Hinweise dazu, welche Punkte bei der Gestaltung dieser Apps zentral sind, um wirksam zur Eindämmung der Covid19-Pandemie und zur Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens beizutragen“, resümiert Trang.
Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift European Journal of Information Systems erschienen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Simon Trang
Georg-August-Universität Göttingen – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Juniorprofessur für Informationssicherheit und Compliance
Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen
Telefon: 0551 3929723
E-Mail: simon.trang@wiwi.uni-goettingen.de
www.infsec.uni-goettingen.de
Originalpublikation:
Trang, Simon; Trenz, Manuel; Weiger, Welf H.; Tarafdar, Monideepa; Cheung, Christy. 2020. “One app to trace them all? Examining app specifications for mass acceptance of contact-tracing apps” European Journal of Information Systems. Doi: https://doi.org/10.1080/0960085X.2020.1784046
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Informationstechnik, Medizin, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
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