05.06.2020 19:00
Gesundheitsamt Lübeck untersuchte Immunität bei COVID-19 Infizierten
Antikörper-Studie zeigt Immunität nach durchgemachter Erkrankung
Das Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck hat eine wissenschaftliche Studie zur Entwicklung der Immunität nach einer COVID-19-Infektion durchgeführt. Prof. Dr. Sol-bach, ehemaliger Leiter des Institutes für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Lübeck, ist derzeit wissenschaftlich im Gesundheitsamt tätig und Ko-Autor der Studie.
Zahlreiche Forschungsprojekte untersuchen derzeit, ob und in welcher Konzentration infizierte Personen Antikörper entwickeln und so anschließend über Abwehrmechanismen verfügen und möglicherweise immun gegen eine erneute COVID-19-Erkrankung sind.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die Serum-Antikörper Spiegel, die in Immunglobulin A (IgA) und Immunglobulin G (IgG) unterschieden und gemessen werden, wurden in Lübeck in einem ersten Untersuchungszeitraum bis Ende April 2020 insgesamt 110 laborbestätigten Fällen gemäß der RKI-Falldefinition bestimmt. Die Auswertung von Anti-SARS-CoV-2 Antikörpern erfolgte mit dem Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) des Herstellers Euroimmun. Ziel der Studie ist die Untersuchung, ab welchem Zeitpunkt nach Infektion und in welcher Höhe Antikörper-Spiegel nachweisbar sind. Wichtig ist die Frage, wie lange Antikörper in dieser Konzentration nachweisbar bleiben. Nur wenn der Körper eine ausreichende Anzahl von Antikörpern bildet, ist der Mensch vor einer erneuten Erkrankung mit dem-selben Virus geschützt.
Außerdem hat das Lübecker Gesundheitsamt die Ergebnisse der Antikörperbestimmun-gen und die klinischen Symptome der Patienten verglichen. In Lübeck gab es bereits 13 Tage vor dem Bundesdurchschnitt mehr Genesene als Neu-Erkrankte. Ein Erfolg dank konsequenter Quarantänemaßnahmen und Nachverfolgung von Kontaktpersonen. Die COVID-19-Symptomatik verlief bei 84 Prozent der Untersuchten mild bis moderat. Bei 10 Prozent der Untersuchten fehlten klinische Zeichen vollständig. Das durchschnittliche Erkrankungsalter lag bei 51 Jahren. Frauen waren leicht häufiger betroffen als Männer.
Innerhalb von 50 Tagen nach einer Infektion konnten bei 84 der 110 Patienten (76 Prozent) Antikörperspiegel für IgA) nachgewiesen werden, 78 der 110 Patienten (71%) wiesen IgG-Antikörper im Blut auf. Die sogenannte Titerhöhe, also die Konzentration der Antikörper, korrelierte nicht mit Alter, Geschlecht oder der Schwere der Erkrankung. Es konnte damit keine Abhängigkeit zu diesen Parametern nachgewiesen werden. 30 Prozent der Patienten entwickelten keine Antikörperwerte, die über dem Toleranzwert, dem Cut-Off-Wert, lagen.
„Die Untersuchung liefert Real-Life Daten über die Entwicklung von Immunität nach einer durchgemachten COVID-19-Infektion in einer Niedrig-Prävalenz-Region mit eher milden bis moderaten Verläufen“, erläutert Priv.-Doz. Dr. med. Dipl.-Kfm. Alexander Mischnik, Leiter des Gesundheitsamts der Hansestadt Lübeck die Ergebnisse. „Unsere Daten tragen zu einem besseren Verständnis zur Entwicklung von Antikörperspiegeln bei und lassen eine länger anhaltende Immunität gegen COVID-19 nach der Infektion ver-muten. Damit liefert unsere Studie Erkenntnisse über reine Stichprobenuntersuchungen hinaus, wie sie derzeit an vielen Orten durchgeführt werden.“
Es zeichnet sich aber sehr deutlich ab, dass in der Niedrig-Inzidenz-Region Lübeck mit 79 Fällen pro 100.000 Einwohnern (zum Vergleich: Bayern 360 Fälle pro 100.000 Einwohner) zum jetzigen Zeitpunkt die Rate der Antikörper-positiven Einwohner im unteren einstelligen Prozentbereich liegen dürfte.
„Wir haben bereits geplant, die Untersuchten im Herbst nochmal einzuladen und Anti-körper-Spiegel zu bestimmen, weil wir wissen möchten, wie lange diese Immunantwort anhält. Dazu gibt es bislang im Zusammenhang mit COVID-19 keine belastbaren Er-kenntnisse aus Studien“, so Mischnik und Solbach weiter.
„Die Erhebung ist durch das Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck durchgeführt worden und in einer Vorabveröffentlichung erschienen“, sagte Prof. Dr. med. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Präsidentin der Universität zu Lübeck. „Erstautor der Publikation ist Prof. Dr. Werner Solbach, ehemaliger Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität zu Lübeck. Weitere Ergebnisse zur Ausbreitung des Coronavirus in der Lübecker Bevölkerung wird die Längsschnittuntersuchung ELISA erbringen, die derzeit in Kooperation der Universität zu Lübeck, des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und des Gesundheitsamtes der Hansestadt Lübeck durchgeführt wird.“
Die vollständige Publikation Antibody profiling of COVID-19 patients in an urban low-incidence region in Northern Germany ist online abrufbar unter:
medRxiv 2020.05.30.20111393
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1101/2020.05.30.20111393
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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