Natur als Vorbild: Forscher entwickeln neuartige Entzündungshemmer



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09.09.2020 11:53

Natur als Vorbild: Forscher entwickeln neuartige Entzündungshemmer

Entzündungshemmende Stoffe auf Basis von Bestandteilen menschlicher Körperzellen könnten künftig die Therapie für Patienten verbessern. Forscherinnen und Forscher am Institut für Pharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben ein Verfahren entwickelt, um sie in kontrollierter Qualität herstellen zu können. Die Substanzen werden vom Körper nicht als Fremdstoffe erkannt und bieten daher Vorteile gegenüber körperfremden Entzündungshemmern wie Ibuprofen oder Diclofenac. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin “European Journal of Pharmaceutical Sciences” veröffentlicht.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

“Wir versuchen nachzumachen, was die Natur vormacht”, sagt Prof. Dr. Karsten Mäder vom Institut für Pharmazie der MLU. Denn die neuartigen Entzündungshemmer kommen im menschlichen Körper natürlich vor, beispielsweise auf der Innenseite von Körperzellen. Stirbt eine Zelle, kehrt sie ihr Inneres nach außen, genauer gesagt einen bestimmten Bestandteil ihrer Zellmembran: Phosphatidylserin (PS). Das gibt Fresszellen das Signal, diese tote Zelle zu verdauen. Dass hierbei keine Entzündungsreaktion stattfindet, auch dafür sorgt PS. Ähnliches passiert in der Lunge, die beim Einatmen mit sehr vielen Fremdstoffen konfrontiert ist. Hier sorgt ein weiteres Phospholipid, das Phosphatidylglycerol (PG), dafür, dass es keine übertriebene Entzündungsreaktion gibt. Mäders Arbeitsgruppe hat diese Substanzen nun so aufbereitet, dass sie potenziell als Arzneimittel genutzt werden könnten – mögliche Einsatzgebiete sind Infarkte, Arthritis oder Schuppenflechte.

Medizinisch sind beide Phospholipide deshalb interessant, weil der Körper sie nicht als Fremdstoffe erkennt, wodurch weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind. Eine Studie aus den USA hat bereits gezeigt, dass besonders PS gegen die Entzündung nach einem Herzinfarkt wirkt. “Allerdings war die Herstellung der Zubereitung aufwendig”, so Mäder. In der halleschen Arbeitsgruppe wurde nun ein Herstellungsverfahren entwickelt, das wesentlich einfacher und kostengünstiger ist. Die Phospholipide bilden dabei kleine Teilchen unter zehn Nanometern, weswegen sie einfach steril zu filtrieren sind. Sie erwiesen sich außerdem als nicht schädlich für Körperzellen und Blutbestandteile. Vor allem die so hergestellten PG-Teilchen verringerten unter Laborbedingungen die entzündliche Aktivität der Fresszellen. “Die Ergebnisse weisen auf ein hohes Potential der Phospholipide für anti-entzündliche Therapien hin”, bilanziert Mäder die Forschungsarbeit.

Damit die natürlichen Entzündungshemmer beim Menschen angewendet werden können, sind jedoch noch mehrjährige klinische Studien nötig. Die Forschung wird vom Phospholipid Research Center in Heidelberg unterstützt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Karsten Mäder
Direktor des Instituts für Pharmazie der MLU
Telefon: +49 345 55-25167
E-Mail: karsten.maeder@pharmazie.uni-halle.de


Originalpublikation:

Klein et al. Phosphatidylserine (PS)- and phosphatidylglycerol-(PG)-enriched mixed micelles (MM): a new nano-drug delivery system with anti-inflammatory potential? European Journal of Pharmaceutical Sciences (2020). https://doi.org/10.1016/j.ejps.2020.105451


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW