Schlaganfall-Genetik: Verschiedene Mechanismen erhöhen das Risiko



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22.05.2024 13:39

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Schlaganfall-Genetik: Verschiedene Mechanismen erhöhen das Risiko

LMU-Forschende haben zwei unabhängige Wege ausfindig gemacht, wie bestimmte Genvarianten die Wahrscheinlichkeit kardiovaskulärer Erkrankungen erhöhen.

Sie stehen ganz oben auf der Weltrangliste der häufigsten Todesursachen: kardiovaskuläre Erkrankungen wie Schlaganfall oder koronare Herzkrankheit. Mögliche Risikofaktoren umfassen das Alter, die persönliche Lebensweise und Vorerkrankungen, aber auch die Genetik spielt eine Rolle. „Großangelegte genomweite Assoziationsstudien haben mehrere Gene identifiziert, die das Risiko für Schlaganfall und kardiovaskuläre Erkrankungen beeinflussen“, sagt LMU-Professor Martin Dichgans. „Sie haben außerdem gezeigt, dass man genetische Informationen dazu nutzen kann, mögliche Angriffspunkte für eine medikamentöse Behandlung ausfindig zu machen.“

Dichgans, Direktor des Instituts für Schlaganfall- und Demenzforschung am LMU Klinikum und Wissenschaftler im Exzellenzcluster SyNergy, ist Leiter einer jetzt im Fachmagazin Nature Cardiovascular Research erschienenen Studie, die das Gen HTRA1 besonders genau unter die Lupe genommen hat. Es kodiert für eine Protease – ein Enzym, das einen regulierenden Einfluss auf die extrazelluläre Matrix hat. „HTRA1 hat sich als Risikogen für verschiedene Krankheitsbilder erwiesen, darunter Schlaganfall und Erkrankungen der kleinen Hirngefäße“, erklärt der Schlaganfall- und Demenzforscher. Menschen, die bestimmte Varianten des Gens vererbt bekommen, sind also signifikant häufiger davon betroffen. Die Mechanismen, die diesem erhöhten Risiko zugrunde liegen, seien bislang jedoch nur unzureichend bekannt.

Funktionsverlust oder verringerte Konzentration

In der neuen Studie konnten die Forschenden nun einen wichtigen Teil dieser Wissenslücke schließen. Dazu nutzten Sie umfassende genetische Datenbanken und untersuchten in biochemischen Experimenten die Auswirkungen von 78 bekannten Protease-Domänenvarianten auf die enzymatische Funktion der Protease. „Wir konnten zwei unabhängige Mechanismen nachweisen, durch die seltene und häufige Varianten des Gens das kardiovaskuläre Risiko beeinflussen“, fasst Postdoktorandin Nathalie Beaufort, eine der Hauptautorinnen, die Erkenntnisse zusammen. So würden bestimmte seltene Ausprägungen von HTRA1 die Aktivität der Protease verringern, während andere, in der Gesellschaft häufiger auftretende Formen zu einer verringerten Konzentration des Enzyms im Blut führen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei künftigen klinischen Anwendungen sowohl die HTRA1-Aktivität als auch die HTRA1-Konzentrationen berücksichtigt werden müssen“, meint Beaufort.

„Beide Mechanismen erhöhen in der Konsequenz die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls und koronarer Arterienerkrankungen“, so Postdoktorand Rainer Malik, ebenfalls Hauptautor der Studie. „Sie sind jedoch unabhängig voneinander und wirken sich unterschiedlich auf andere Merkmale aus.“ So seien die seltenen Genvarianten, welche zu einem Verlust der Protease-Aktivität führen, zusätzlich mit bestimmten Skelettveränderungen assoziiert. Die häufigen – den Proteingehalt betreffenden – Varianten hingegen, senken das Risiko für Migräne und bestimmte degenerative Augenerkrankungen.

Nicht nur das Schlaganfallrisiko wird beeinflusst

Das habe auch Auswirkungen auf künftige therapeutische Strategien. Im Prinzip könnte das kardiovaskuläre Risiko entweder durch die Wiederherstellung der HTRA1-Aktivität oder durch die Erhöhung der HTRA1-Konzentration gesenkt werden. „Wie unsere Studie jedoch zeigt, führt eine Erhöhung der HTRA1-Konzentration zu einem erhöhten Risiko für altersbedingte Makuladegeneration und andere Netzhauterkrankungen“, so Malik. Das unterstreiche die Notwendigkeit, organspezifische oder zelltypspezifische Therapeutika zu entwickeln.

„Bislang wurde die Beziehung zwischen HTRA1 und Krankheit als binäres Merkmal betrachtet“, kommentiert Dichgans. „Unsere Ergebnisse zeigen nun, wie wichtig es ist, die Ausprägung von HTRA1 als einen kontinuierlichen und vielfältigen Phänotyp zu betrachten.“ In Zukunft wollen die Forschenden herausfinden, wie sich die Genvarianten in verschiedenen Zelltypen und Geweben auswirken.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Martin Dichgans
Director, Institute for Stroke and Dementia Research (ISD)
Ludwig-Maximilians-Universität München
Tel: +49 (0)89 4400 – 46019
isd@med.uni-muenchen.de


Originalpublikation:

Rainer Malik, Nathalie Beaufort et al.: Genetically proxied HTRA1 protease activity and circulating levels independently predict risk of ischemic stroke and coronary artery disease. Nature Cardiovascular Research 2024.
https://doi.org/10.1038/s44161-024-00475-3


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW