16.11.2020 17:29
UKE-Forschungsteam identifiziert neues neurologisches Syndrom bei Kindern
Genetischer Defekt führt zu verzögerter Sprachentwicklung und motorischen Beeinträchtigungen
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und weiteren beteiligten Einrichtungen haben ein neues neurologisches Syndrom bei Kindern identifiziert. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in dem Fachmagazin Nature Communication veröffentlicht.
Dem Syndrom liegen Veränderungen in der sogenannten RNA-Interferenz zugrunde. „Dieser Mechanismus reguliert die Expression von Genen in den Zellen, er steuert also, wie genetische Informationen im Organismus zum Ausdruck kommen und in Erscheinung treten“, sagt Prof. Dr. Hans-Jürgen Kreienkamp aus dem Institut für Humangenetik des UKE. Für die Entdeckung des Mechanismus wurden die beiden US-Wissenschaftler Andrew Z. Fire und Craig C. Mello 2006 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.
In einer multidisziplinären Studie wurde durch klinische, genetische, neurobiologische und biochemische Untersuchungen sowie durch Computersimulationen erstmals gezeigt, dass minimale Veränderungen in einer zentralen Komponente der RNA-Interferenz, dem sogenannten Argonaute-2 Protein, zu einer schweren neuronalen Entwicklungsverzögerung führen. Alle der 21 untersuchten Patienten weisen eine Intelligenzminderung sowie verzögerte Sprachentwicklung und motorische Beeinträchtigungen auf. „Die Studie zeigt erstmals die zentrale Bedeutung der RNA-Interferenz und der damit verbundenen Regulation der Genexpression für die Entwicklung des menschlichen Gehirns“, erklärt Dr. Dr. Davor Lessel, der die Studie gemeinsam mit Prof. Kreienkamp geleitet hat.
An dem Forschungsprojekt beteiligt waren neben dem Institut für Humangenetik auch die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKE, der Fachbereich Chemie der Universität Hamburg sowie weitere Arbeitsgruppen aus acht Ländern.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Dr. Davor Lessel
Institut für Humangenetik
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Telefon: 040 7410-51818
d.lessel@uke.de
Prof. Dr. Hans-Jürgen Kreienkamp
Institut für Humangenetik
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Telefon: 040 7410-54395
kreienkamp@uke.de
Originalpublikation:
Davor Lessel, Hans-Jürgen Kreienkamp et. al., Germline AGO2 mutations impair RNA interference and human neurological development, Nature Communication, 2020. DOI: 10.1038/s41467-020-19572-5
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
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Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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