Wie funktioniert ein molekularer Lastenaufzug?: Membran-Transportmechanismus in krankheitserregenden Bakterien geklärt



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08.01.2024 11:32

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wie funktioniert ein molekularer Lastenaufzug?: Membran-Transportmechanismus in krankheitserregenden Bakterien geklärt

Manche bakteriellen Membrantransporter arbeiten fast wie Lastenaufzüge, um Substanzen durch die Zellmembran in das Innere der Zelle zu transportieren. Der Transporter selbst durchspannt dabei die Zellwand. Ein lösliches Protein außerhalb des Bakteriums bringt wie ein Gabelstapler die Substanz zum „Fahrstuhl“ und entlädt dort seine Ladung. Diese wird vom Lastenaufzug ins Innere der Zelle, also quasi in ein anderes Stockwerk gebracht. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn haben nun in Zusammenarbeit mit einem Team der Universität York das Zusammenspiel von Transporter und Zubringer aufgeklärt.

Interessanterweise passen sie sich während des Transportprozesses genau aneinander an. Da dies sehr schnell geschieht, haben die Forschenden den Aufzug durch das gezielte Einbringen von Verankerungen, so genannten Disulfidbrücken, quasi “blockiert”. Dadurch konnten sie nachweisen, dass nur der beladene „Gabelstapler“ zum „Fahrstuhl“ passt, wenn dieser sich in der richtigen Etage befindet. So wird der Transport wirklich effektiv. Die Studie ist jetzt im Fachmagazin „Nature Communications“ erschienen.

Wie alle Zellen sind auch Bakterien von einer Zellmembran umgeben. Diese dünne Fettschicht umschließt Nährstoffe, Erbmaterial und Eiweiße der Zelle und begrenzt diese daher. Allerdings müssen bestimmte Substanzen die Membran passieren können. Zum Beispiel solche, die den Krankheitserregern helfen, die Immunantwort des menschlichen Körpers zu umgehen. Dazu verfügen krankmachende Bakterien wie Haemophilus influenzae über sogenannte ATP-unabhängige periplasmatische (TRAP)-Transporter. Sie haben zwei sehr flexible Transmembran-Domänen, die die Zellwand durchspannen. Die Krankheitserreger Haemophilus influenzae benutzen den TRAP-Transporter dazu, um Sialinsäure aus der Umgebung in das Zellinnere zu bringen, die dann wiederum in die bakterielle Zellwand eingebaut wird. Das kleine Zuckermolekül kommt im menschlichen Gewebe sehr häufig vor. „Eingebaut in der bakteriellen Zellwand wirkt die Sialinsäure wie eine Tarnkappe für die Bakterien. Sie können sich auf diese Weise vor unserem Immunsystem verstecken, weil sie damit dem körpereigenen Gewebe ähnlich sehen“, sagt PD Dr Gregor Hagelueken vom Institut für Strukturbiologie am UKB. Er ist auch Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ sowie im Exzellenzcluster Immunosensation2 der Universität Bonn.

Protein fängt Substanz wie eine Venusfliegenfalle

Unterstützung findet der TRAP-Transporter dabei durch ein zusätzliches Substratbindungsprotein (SBP), welches außerhalb der bakteriellen Membran nach Sialinsäure sucht. Hat dieser „Gabelstapler“ ein Zuckermolekül gefunden, so verändert die Bindungstasche des SBP seine Form und bindet die Sialinsäure fest. „Dieser Bindungsprozess kann mit dem Zuschnappen einer Venusfliegenfalle verglichen werden“, sagt Philipp Hendricks, einer der Erstautoren der Studie und Doktorand am Institut für Strukturbiologie der Universität Bonn.

Es wurde schon lange vermutet, dass der TRAP Transporter die geschlossene Form des Substratbindeproteins erkennt. Die Bonner Forschenden gingen also der Frage nach, ob das Öffnen und Schließen des SBP und die Auf- und Abwärtsbewegung des TRAP-Transporters tatsächlich aneinandergekoppelt sind. Weil diese Bewegungen sehr schnell sind, nutzte die Arbeitsgruppe um Hagelueken das so genannte Disulfid-Engineering, ein spezielles biotechnologisches Werkzeug, um den Transporter zu blockieren. „Dabei arretierten wir den ‘Fahrstuhl’ sozusagen in verschiedenen Stockwerken – entweder im Inneren der Zelle oder außerhalb“, sagt Erstautor Dr. Martin Peter. Er war Postdoktorand am Institut für Strukturbiologie und forscht inzwischen an der Universität Heidelberg.

Bakterieller Lastentransport sichtbar mit Fluoreszenzmikroskopie

In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ulrich Kubitscheck am Clausius-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn konnten die Forscher den TRAP Transporter in künstliche Membranen einbauen. Mittels Einzelmolekül-Fluoreszenzmikroskopie konnten sie die Bindung zwischen dem TRAP-Transporter und dem „Gabelstapler“ genau beobachten und ihnen so live bei der Arbeit zusehen. „Unsere Experimente zeigten, dass die Bewegungen des SBP und die des Transmembran-Aufzugs tatsächlich miteinander gekoppelt sind“, sagt Erstautor Jan A. Ruland, Postdoktorand am Clausius–Institut der Universität Bonn. So bindet das SBP in seinem geschlossenen Zustand vorzugsweise an den nach innen gerichteten Membran-Fahrstuhl und das „offene“ SBP an den nach außen gerichteten TRAP-Transporter. „Diese neuen Einsichten in den Mechanismus des Transporters können in Zukunft dabei helfen, Antibiotika zu entwickeln, die dafür sorgen, dass die Aufzüge von Bakterien stecken bleiben. Das wäre das Ende des Versteckspiels und unser Immunsystem könnte die Bakterien leichter zerstören“, resümiert Hagelueken vom UKB.

Publikation: Martin F. Peter, Jan A. Ruland Yeojin Kim, Philipp Hendricks et al; Conformational coupling of the sialic acid TRAP transporter HiSiaQM with its substrate binding protein HiSiaP; Nature Communications;
DOI: https://doi.org/0.1038/s41467-023-44327-3

Pressekontakt:
Dr. Inka Väth
stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: (+49) 228 287-10596
E-Mail: inka.vaeth@ukbonn.de

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr etwa 500.000 Patient*innen betreut, es sind ca. 9.000 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,6 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 585 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking sowie in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW und weist den dritthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB 2022 und 2023 als Deutschland begehrtesten Arbeitgeber und Ausbildungs-Champion unter den öffentlichen Krankenhäusern in Deutschland ausgezeichnet.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Gregor Hagelueken
Institut für Strukturbiologie
Universitätsklinikum Bonn
TRA „Life & Health“, Universität Bonn
Telefon: +49 228 287-51200
E-Mail: hagelueken@uni-bonn.de


Originalpublikation:

Martin F. Peter, Jan A. Ruland Yeojin Kim, Philipp Hendricks et al; Conformational coupling of the sialic acid TRAP transporter HiSiaQM with its substrate binding protein HiSiaP; Nature Communications; DOI: 0.1038/s41467-023-44327-3


Bilder

Forschende des Universitätsklinikum Bonn und der Universität Bonn ergründen einen wichtigen Membran-Transportmechanismus in krankheitserregenden Bakterien: PD Dr Gregor Hagelueken (li) und Philipp Hendricks (re.) gehören zum Forschungs-Team.

Forschende des Universitätsklinikum Bonn und der Universität Bonn ergründen einen wichtigen Membran-
Alessandro Winkler
Universitätsklinikum Bonn


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW