Wie Proteine Säugetier-Spermien auf ihrem Weg zur Eizelle schützen



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22.06.2023 10:46

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Wie Proteine Säugetier-Spermien auf ihrem Weg zur Eizelle schützen

Die Samenflüssigkeit von Säugetieren enthält eine Vielzahl von Eiweißen, die von den Geschlechtsanhangsdrüsen ausgeschüttet werden und wichtig für die Vorgänge bei der Befruchtung sind. Eines dieser Eiweiße, welches bei Huftieren – und in besonders großer Menge bei Schweinen – vorkommt, ist das Spermadhesin AQN-3. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) und des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie hat das Protein untersucht und unerwartete Eigenschaften entdeckt, die dazu beitragen könnten, dass Spermien bis zum Erreichen der Eizelle funktionsfähig bleiben.

Die Erkenntnisse sind in der Fachzeitschrift „Chemistry and Physics of Lipids“ veröffentlicht.

Die Eiweiße in der Samenflüssigkeit gelten als wichtig für das Überleben der männlichen Keimzellen und deren Wechselwirkungen mit den Komponenten des weiblichen Genitaltraktes, ohne dass bisher vollständig klar ist, wie das im Einzelnen funktioniert. In der Samenflüssigkeit von Huftieren gibt es fünf verschiedene Eiweiße, die sich an die Spermienoberfläche anheften (Spermadhesine), in besonders großer Menge im Sperma bei Schweinen.

Um die Funktion dieser Eiweiße zu verstehen, wurden für Forschungszwecke die Spermadhesine AWN und AQN-3 künstlich in Bakterien hergestellt. In einer früheren Arbeit zeigte das Wissenschaftsteam um Karin Müller und Beate Braun vom Leibniz-IZW, dass AWN spezifisch an negativ geladene Lipide bindet. Diese sind jedoch primär auf der ins Innere der Spermienzelle gerichteten Hälfte der Zellmembran zu finden. Damit ergab sich die Frage, wie sich die Spermadhesine an die Oberfläche der Spermien anheften? Da aus Arbeiten anderer Gruppen bekannt ist, dass AWN mit AQN-3 Aggregate bildet, wurde nun untersucht, ob AQN-3 an typische Lipide auf der Außenseite der Spermienmembran bindet, wie Phosphatidylcholin und Sphingomyelin. „Überraschenderweise zeigte sich in den genutzten Modellsystemen mit Lipidstreifen und –vesikeln, dass auch AQN-3 eine selektive Bindung mit negativ geladenen Lipiden eingeht, wie z. B. mit Phosphatidsäure und verschiedenen Phosphatidylinositol-Phosphaten“, erklärt Müller. Darüber hinaus besitzt AQN-3 eine extreme Neigung zur Bildung von Aggregaten mit sich selbst und anderen Eiweißen.

Studien anderer Arbeitsgruppen beschreiben noch ein weiteres Eiweiß in den Aggregaten aus nativem AWN und AQN-3 in der Samenflüssigkeit, das Eiweiß pB1. „Das pB1 Protein gehört zu einer Gruppe von Proteinen, von denen bekannt ist, dass sie in Spermien von Rinderarten an das Phosphatidylcholin auf der Außenseite der Zellmembran binden und so stabilisierend wirken“, sagt Peter Müller von der Humboldt-Universität zu Berlin. Es wird deshalb vermutet, dass pB1 durch Aggregatbildung die schützende Proteinhülle aus AWN und AQN-3 in der Zellmembran von Spermien verankert. Negativ geladene Lipide wie Phosphatidylinositol-Phosphate dienen als Signalmoleküle bei der Befruchtung. Werden sie vorzeitig gebildet und ausgeschleust, könnten sie durch Spermadhesine „abgefangen“ werden, bis die Spermien die Eizelle am Ort der Befruchtung erreicht haben.

Interessanterweise ist die Zusammensetzung der Proteinhülle um die Spermien artspezifisch. So bilden Spermadhesine nur bei Schweinen die Hauptkomponente in der Samenflüssigkeit. Es ergibt sich somit die Frage, wie deren Rolle bei anderen Arten ausgefüllt wird und ob ihre schützenden Eigenschaften bei der Anwendung von Techniken der assistierten Fortpflanzung im Rahmen von Arterhaltungsmaßnahmen genutzt werden könnten.

Publikationen
Müller K, Müller P, Lui F, Kroh PD, Braun BC (2023): Porcine spermadhesin AQN-3 binds to negatively charged phospholipids. CHEM PHYS LIPIDS.

Kroh PD, Braun BC, Lui F, Müller P, Müller K (2022): Boar spermadhesin AWN: Novel insights into its binding behavior and localization on sperm. BIOL REPROD. https://doi.org/10.1093/biolre/ioab244.

Kontakt Kommunikation

Steven Seet
Wissenschaftskommunikation
Tel: +49 (0)30 5168 122
E-Mail: seet@izw-berlin.de


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Karin Müller
Leibniz Institute for Zoo and Wildlife Research
(Forschungsverbund Berlin e.V.)
Department of Reproduction Biology
Alfred-Kowalke-Straße 17
10315 Berlin
Tel: +49 (0)30 5168 613
E-mail: mueller@izw-berlin.de


Originalpublikation:

Müller K, Müller P, Lui F, Kroh PD, Braun BC (2023): Porcine spermadhesin AQN-3 binds to negatively charged phospholipids. CHEM PHYS LIPIDS.


Bilder

Hausschwein

Hausschwein
Nicolas Castez unsplash.com
Nicolas Castez


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW