01.07.2020 10:59
Alternsforschung: Niedriger Spiegel des Stresshormons Cortisol trägt dazu bei, dass wir altern
Warum altern wir? Was genau passiert dabei im Körper? Und: Lässt sich dagegen etwas tun? Diese Fragen beschäftigen die Wissenschaft seit Menschengedenken. Einen Stein der Weisen haben die Pharmazeutinnen Alexandra K. Kiemer und Jessica Hoppstädter von der Universität des Saarlandes zwar nicht gefunden. Aber: Sie haben Vorgänge im Immunsystem entlarvt, die mit dazu beitragen, dass wir altern: Niedrige Spiegel des Hormons Cortisol und des Proteins Gilz lösen chronische Entzündungsprozesse aus. Die Forscherinnen veröffentlichen ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Aging Cell. (https://doi.org/10.1111/acel.13156)
Das Phänomen, dass Menschen altern, beruht auf einem verhängnisvollen Zusammenspiel vieler Faktoren. Mit zu den Übeltätern gehört das eigene Immunsystem. Wenn der Mensch altert, altert nämlich auch seine körpereigene Abwehr: Das im Laufe des Lebens erworbene, mühsam aufgebaute Immunsystem gegen Krankheitserreger, mit denen der Mensch in Kontakt kam, fährt mehr und mehr herunter. Das angeborene, unspezifische Immunsystem wird dagegen überaktiv. Die Folge sind chronische Entzündungen. Der dauernde Entzündungszustand richtet dabei gehörigen Schaden an: Chronische Entzündungskrankheiten wie Atherosklerose oder Arthritis haben leichteres Spiel.
„Diese Abläufe sind der Wissenschaft schon länger bekannt. Die Fachwelt nennt sie Inflamm-Aging: ein Kunstwort, das sich aus zwei untrennbar verbundenen Prozessen, der Entzündung, also englisch: ´inflammation`, und dem Altern, im Englischen: ´aging`, zusammensetzt“, erläutert Pharmazie-Professorin Alexandra K. Kiemer von der Universität des Saarlandes.
Was bislang noch nicht geklärt war, ist die Frage nach dem Warum dieser aufflammenden Entzündungen. Zu einer Antwort könnten Kiemer und ihre Arbeitsgruppe jetzt beitragen: Der Entzündungsprozess beruht den Ergebnissen der Forscherin Jessica Hoppstädter aus Kiemers Team zufolge darauf, dass im Alter die Menge des vom Körper gebildeten Hormons Cortisol abnimmt.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Cortisol und seine inaktive Form Cortison, landläufig auch Stresshormone genannt, werden in der Nebenniere gebildet. Cortisol ist als biochemischer Botenstoff an vielen Stoffwechselvorgängen im Körper beteiligt. Ein Cortisol-Mangel führt zu Entzündungen. „In höherem Lebensalter ist der Cortisol-Spiegel im Körper niedriger. Zwar stellen wichtige Immunzellen, die Makrophagen, eigentlich selbst aktives Cortisol aus inaktivem Cortison her. Das funktioniert mit zunehmendem Alter aber schlechter. Es kommt zu einem Macroph-Aging – also einem Altern der Makrophagen“, erklärt die promovierte Pharmazeutin Jessica Hoppstädter.
Makrophagen steuern als wichtige Immunzellen über Botenstoffe andere Immunzellen und bestimmen maßgeblich das Ausmaß einer Entzündungsreaktion. Im Alter geraten Makrophagen zunehmend aus dem Gleichgewicht. Folge ist, dass erhöhte Mengen von Entzündungs-Botenstoffen freigesetzt werden und Entzündungszellen ungehindert aktiver werden können.
Die Ergebnisse der Saarbrücker Pharmazeutinnen sprechen dafür, dass hinter dieser Fehlsteuerung der Makrophagen ein bestimmtes Protein steckt: Es trägt den Namen Gilz und wird unter anderem von Cortisol reguliert. „Gilz ist eine Kurzform für Glucocorticoid-induzierter Leuzin Zipper“, erklärt Professorin Kiemer. Ihre Arbeitsgruppe befasst sich seit Jahren mit diesem Protein und hat bereits in zahlreichen Studien aufdecken können, dass Gilz an einer Vielzahl wichtiger Abläufe im Körper maßgebend beteiligt ist: Es kann Gutes, aber auch Schlechtes bewirken.
„Im Immunsystem kommt Gilz eine Schlüsselrolle zu. Es hilft etwa dabei, in Makrophagen die Entzündungsreaktion abzuschalten. Daher stellten wir die Hypothese auf, dass der Verlust von Gilz dazu beiträgt, dass die Makrophagen im Alter Entzündungen auslösen“, erläutert Jessica Hoppstädter. Ihre Daten zeigen: Nimmt der Cortisol-Spiegel ab, führt dies dazu, dass die Makrophagen weniger Gilz herstellen, wodurch Makrophagen ungebremst Entzündungs-Botenstoffe ausschütten. Tatsächlich waren die Gilz-Spiegel im Alter verringert. Um zu untersuchen, ob das schon reicht, um Entzündungen zu verursachen, schaltete die Forscherin das Protein Gilz genetisch aus. Das Ergebnis bestätigte den Verdacht: Die Makrophagen wurden aktiviert, die schwelenden Entzündungsprozesse nahmen zu.
Kiemers Forschergruppe arbeitet in einer Reihe von verschiedenen Studien rund um das Protein Gilz auch an der Suche nach neuen Wirkstoffen, um den Gilz-Spiegel im Körper zu erhöhen. Aber: Ein Wirkstoff, das Entzündungs- oder Makrophagen-Altern aufzuhalten, ist noch lange nicht Sicht. „Bei all diesen Arbeiten handelt es sich um Grundlagenforschung. Da Gilz im Körper in ein riesiges Geflecht komplexer Zusammenhänge eingebunden ist, und Gutes wie auch Schlechtes bewirkt, muss bis zu Wirkstoffen noch sehr viel geforscht werden“, erklärt Alexandra K. Kiemer.
Kein Stein der Weisen also. Aber ein kleiner Schritt auf dem Weg zum Verständnis, warum und wie wir altern.
Die Studie
Die Studie „Altered glucocorticoid metabolism represents a feature of macroph-aging“ von Dr. Jessica Hoppstädter und Prof. Alexandra K. Kiemer gibt einen Einblick in die Rolle des Glukokortikoid-Stoffwechsels und der GILZ-Regulation während des Alterungsprozesses. An der Veröffentlichung beteiligt waren Forscherinnen und Forscher der Experimentellen und Klinischen Pharmakologie und Toxikologie (Prof. Markus R. Meyer) der Universität des Saarlandes, der Pharmakologie der Universität Perugia (Italien) und des Instituts für kardiovaskuläre Regeneration der Uniklinik Frankfurt. (Aging Cell, doi: https://doi.org/10.1111/acel.13156)
Fragen beantworten:
Prof. Dr. Alexandra K. Kiemer, Pharmazeutische Biologie
Tel.: 0681 302-57311 oder -57322, E-Mail: pharm.bio.kiemer@mx.uni-saarland.de
Dr. Jessica Hoppstädter, Pharmazeutische Biologie
Tel.: 0681 302-57304 E-Mail: j.hoppstaedter@mx.uni-saarland.de
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Dr. Jessica Hoppstädter, Pharmazeutische Biologie
Tel.: 0681 302-57304 E-Mail: j.hoppstaedter@mx.uni-saarland.de
Originalpublikation:
„Altered glucocorticoid metabolism represents a feature of macroph-aging“ – Aging Cell, doi: https://doi.org/10.1111/acel.13156
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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