Faltung von SARS-CoV2-Genom zeigt Angriffspunkte für Medikamente – auch Vorbereitung auf „SARS-CoV3“



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20.11.2020 10:30

Faltung von SARS-CoV2-Genom zeigt Angriffspunkte für Medikamente – auch Vorbereitung auf „SARS-CoV3“

Ein internationaler Forschungsverbund hat erstmals RNA-Faltungsstrukturen des SARS-CoV2-Genoms beobachtet, mit denen das Virus den Infektionsverlauf steuert. Da diese Strukturen bei verschiedenen Beta-Coronaviren sehr ähnlich sind, legen die Wissenschaftler damit nicht nur die Grundlagen für die gezielte Entwicklung neuartiger Medikamente zur COVID-19-Behandlung, sondern auch für künftige Infektionsgeschehen mit neuen Coronaviren, die sich in der Zukunft entwickeln könnten.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Genau 29.903 Buchstaben lang ist der genetische Code des SARS-CoV2-Virus, aufgereiht in einem langen RNA-Molekül. Es beinhaltet die Information zur Herstellung von 27 Proteinen. Dies ist zwar sehr wenig im Vergleich zu den vielleicht 40.000 Proteinsorten, die eine menschliche Zelle herstellen kann. Doch Viren nutzen bekanntermaßen ja den Stoffwechsel ihrer Wirtszellen, um sich selbst zu vermehren. Entscheidend ist für diese Strategie, dass Viren die Bildung der eigenen Proteine präzise steuern können.

SARS-CoV2 nutzt als Steuerelemente für die Protein-Herstellung räumliche Faltungen seines RNA-Erbmoleküls: Überwiegend in Bereichen, die nicht für die Viren-Proteine codieren, werden aus dem RNA-Einzelstrang Strukturen mit RNA-Doppelstrang-Abschnitten und –schleifen. Bisher gab es allerdings nur Modelle dieser Faltungen, die sich auf Computeranalysen oder indirekte experimentelle Nachweise stützten.

Nun konnte ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Leitung von Chemikern und Biochemiker der Goethe-Universität und der TU Darmstadt die Modelle erstmals experimentell überprüfen. Beteiligt waren außerdem Forscher des israelischen Weizmann Institute of Science, des schwedischen Karolinska-Instituts und der Katholischen Universität Valencia.

Die Forscher konnten die Struktur von insgesamt 15 solcher regulatorischen Elemente bestimmen. Dazu nutzten sie die Kernresonanz- oder NMR-Spektroskopie, bei der die Atome der RNA einem starken Magnetfeld ausgesetzt werden und so etwas über ihre räumliche Anordnung verraten. Die Ergebnisse dieser Methode glichen sie mit denen aus einem chemischen Verfahren ab (Dimethylsulfat-Footprint), mit dessen Hilfe zwischen RNA-Einzelstrang- und Doppelstrangbereichen unterschieden werden kann.

Der Koordinator des Konsortiums, Prof. Harald Schwalbe vom Zentrum für Biomolekulare Magnetische Resonanz der Goethe-Universität Frankfurt, erläutert: „Mit unseren Ergebnissen haben eine breite Basis gelegt, um künftig genau zu verstehen, wie SARS-CoV2 das Infektionsgeschehen steuert. Wissenschaftlich war das ein gewaltiger, sehr arbeitsintensiver Kraftakt, den wir nur durch den außergewöhnlichen Einsatz der Teams hier in Frankfurt und Darmstadt gemeinsam mit unseren Partnern im COVID-19-NMR-Konsortium stemmen konnten. Doch es geht direkt weiter: Derzeit untersuchen wir zusammen mit unseren Kooperationspartnern, welche viralen Proteine und welche Proteine der menschlichen Wirtszellen mit den gefalteten regulatorischen Regionen der RNA interagieren, und ob sich daraus Ansatzpunkte für Therapien ergeben können.“

Weltweit forschen über 40 Arbeitsgruppen mit 200 Wissenschaftlern im COVID-19-NMR-Konsortium, in Frankfurt arbeiteten seit Ende März 2020 45 Doktoranden und Postdocs in zwei Schichten pro Tag an sieben Tagen die Woche mit.

Das Potenzial der Entdeckungen geht über neue Behandlungsoptionen für Infektionen mit SARS-CoV2 hinaus, davon ist Schwalbe überzeugt: „Die Steuerungsregionen der viralen RNA, deren Struktur wir untersucht haben, sind zum Beispiel bei SARS-CoV fast identisch und auch bei anderen Beta-Coronaviren sehr ähnlich. Daher hoffen wir, dass wir einen Beitrag dazu leisten konnten, auf künftige ‚SARS-CoV3‘-Viren besser vorbereitet zu sein.“

Das Zentrum für Biomolekulare Magnetische Resonanz wurde 2002 als Forschungsinfrastruktur der Goethe-Universität Frankfurt gegründet und seitdem vom Land Hessen gefördert.

Bilder zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/94413328

Bildtext: Regulatorische RNA-Elemente des SARS-CoV2-Genoms. Schwarz: Regionen, die nicht für Proteine kodieren (UTR). Orange: Regionen, die für Proteine kodieren (ORF).


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Harald Schwalbe
Institut für Chemie und chemische Biologie
Center for Biomolecular Magnetic Resonance (BMRZ)
Goethe-Universität Frankfurt
Tel 069 798-29137
schwalbe@nmr.uni-frankfurt.de


Originalpublikation:

Anna Wacker et. al.: Secondary structure determination of conserved SARS-CoV-2 RNA elements by NMR spectroscopy. Nucleic Acids Research, 2020, https://academic.oup.com/nar/advance-article/doi/10.1093/nar/gkaa1013/5961789


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW