Fischweibchen können über ihre Eier das Fluchtverhalten ihrer Nachkommen beeinflussen



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07.09.2021 11:42

Fischweibchen können über ihre Eier das Fluchtverhalten ihrer Nachkommen beeinflussen

Buntbarsch-Weibchen können über die Zusammensetzung ihrer Eier beeinflussen, wie schnell ihre Nachkommen bei Gefahr die Flucht ergreifen können. Dies konnten Forschende unter der Leitung von Barbara Taborsky vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern anhand von Experimenten mit sozial brütenden Buntbarschen erstmals zeigen.

Bei vielen Tier- und Pflanzenarten können die Mütter Eigenschaften wie zum Beispiel Körperbau oder Wachstum ihrer Nachkommen beeinflussen. Dies kann, wie zum Beispiel bei Vögeln und Fischen, durch Veränderungen der Zusammensetzung der Eier geschehen, oder über Signale an den Embryo bei Säugetieren. Mütter und Väter können auch direkt über Brutpflegeverhalten ihre Nachkommen beeinflussen. Die Eltern nehmen bestimmte Faktoren wie beispielsweise Nahrungsknappheit, Risiko durch Räuber oder sozialen Stress in ihrer Umgebung wahr, und senden entsprechende Signale an ihre Nachkommen, wobei sie sogenannte «elterliche Effekte» erzeugen. Diese Signale können die Nachkommen auf die zukünftigen Umweltbedingungen oder Stressfaktoren nach der Geburt oder dem Schlüpfen aus dem Ei vorbereiten.

«In zwei Experimenten mit sozial brütenden Buntbarschen haben wir herausgefunden, dass Mütter durch eine gezielte Ausstattung ihrer Eier ihre Nachkommen auf erhöhten Raubdruck vorbereiten können. Nachkommen, deren Eltern während der Eibildung einen Räuber sehen konnten, produzierten Junge, die eine schnellere Fluchtreaktion zeigten», erklärt Barbara Taborsky, Professorin am Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern und Letztautorin der im Fachjournal PNAS erschienenen Studie. Nachkommen von Müttern, denen vor der Eiablage Raubfischvideos gezeigt wurden, wiesen einen um 50 Millisekunden schnelleren Fluchtreflex auf. Frühere Versuche wiesen nach, dass dieser Fluchtreflex ausschlaggebend ist für die Wahrscheinlichkeit, eine Räuberattacke zu überleben. «Mit dieser Studie konnten wir erstmals nachweisen, dass ein mütterlicher Effekt auf die Eiausstattung nicht nur Wachstum oder Körperbau beeinflusst, sondern auch ein adaptives Verhalten der Nachkommen erzeugen kann», erklärt Taborsky.

Räuberexponierte Mütter legen grössere und «teurere» Eier

In den Experimenten bekamen Fisch-Mütter mehrfach pro Woche Videoclips mit Raubfischen gezeigt, während einer Kontrollgruppe Videos von leeren Aquarien gezeigt wurden. Nachdem schnellere Fluchtreflexe bei den Nachkommen der Räuber-Versuchsgruppe gefunden wurden, fragten sich die Forschenden, wie die Mütter ihre Nachkommen über das erhöhte Raubrisiko «informieren» können.

«Wir fanden heraus, dass Mütter der Räuber-Versuchsgruppe grössere und proteinreichere Eier legten, also mehr Energie für jedes einzelne Junge aufwandten», erklärt Barbara Taborsky. Weiter unterschieden sich die Nachkommen in den ersten Tagen nach dem Schlüpfen in ihren Wachstumshormonen, und waren auch grösser. Zusätzlich zu ihrer schnelleren Fluchtreaktion würde in der Natur auch dieser Grössenunterschied den Jungen einen Überlebensvorteil gegenüber Räubern verschaffen. Es braucht jedoch noch weitere Studien, um die biologischen Grundlagen derartiger mütterlicher Effekte vollständig zu verstehen.

Elterliche Effekte beeinflussen die genetische Fitness von Nachkommen

Die Studie ist laut den Forschenden ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Verständnis, wie Eltern ihre Nachkommenschaft auf zu erwartende Herausforderungen vorbereiten. «Es ist bereits bekannt, dass bei Kindern die Ernährung und Schulung bereits in frühem Alter wichtig ist. Weit weniger bekannt ist bislang aber, wie Tiere Informationen über die zu erwartende Umwelt an ihre Nachkommen weitergeben. Dass Eltern vielfältige Möglichkeiten haben, Nährstoffe oder Hormone in ihren Eiern zu deponieren, um die Fitness, also das Überleben und den Fortpflanzungserfolg der Nachkommen zu beeinflussen, wurde lange Zeit ignoriert», so Barbara Taborsky.

Die Experimente sowie genetische Analysen wurden von Sakshi Sharda im Zuge ihrer Masterarbeit durchgeführt, und Forschende vom Institut für Pflanzenwissenschaften und vom Departement für Chemie, Biochemie und Pharmazie der Universität Bern führten die chemischen Analysen durch.
Die Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert.

Das Institut für Ökologie und Evolution

Das Institut für Ökologie und Evolution an der Universität Bern widmet sich der Forschung und Lehre in allen Aspekten von Ökologie und Evolution und versucht eine wissenschaftliche Basis für das Verständnis und die Erhaltung der lebenden Umwelt zu bieten. Es untersucht die Mechanismen, durch die Organismen auf ihre Umwelt reagieren und mit ihr interagieren, einschliesslich phänotypischer Reaktionen auf individueller Ebene, Veränderungen in Häufigkeiten von Genen und Allelen auf Populationsebene wie auch Veränderungen in der Artenzusammensetzung von Gemeinschaften bis hin zur Funktionsweise von ganzen Ökosystemen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Barbara Taborsky
Institut für Ökologie und Evolution, Universität Bern
Telefon: +41 31 631 91 57
E-Mail: barbara.taborsky@iee.unibe.ch


Originalpublikation:

Sakshi Sharda, Tobias Zuest, Matthias Erb, and Barbara Taborsky. Predator-induced maternal effects determine adaptive anti-predator behaviours via egg composition. PNAS, Published: September 06, 2021. https://doi.org/10.1073/pnas.2017063118 (Die Studie wird online ab 10.09.2021 verfügbar sein. Sie ist auf Anfrage bei Media Relations der Universität Bern erhältlich.)


Weitere Informationen:

https://www.unibe.ch/aktuell/medien/media_relations/medienmitteilungen/2021/medi…


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW