09.02.2021 19:02
“Herzpflaster“ aus Stammzellen zur Reparatur des Herzmuskels bei Herzschwäche geht in weltweit erste klinische Prüfung
Erstmals Anwendung am Menschen: Die BioVAT-HF-DZHK20-Studie untersucht die Anwendung von Herzmuskelgewebe aus Stammzellen bei Patient*innen mit schwerer Herzschwäche. Durch Einbau von im Labor gezüchtetem Herzmuskelgewebe soll die Pumpfunktion kranker Herzen nachhaltig verbessert werden. Die multizentrische klinische Studie beginnt mit der Rekrutierung von Patient*innen mit schwerer Herzmuskelschwäche in Göttingen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
(umg/dzhk) Weltweit sind 60 Millionen Patient*innen von Herzmuskelschwäche betroffen. Allein in Deutschland leiden 4 Millionen an Herzmuskelschwäche. Mit etwa 500.000 Fällen pro Jahr ist die Herzmuskelschwäche die häufigste Ursache für eine Krankenhausaufnahme. Nun hat das Paul-Ehrlich-Institut erstmalig die Prüfung eines Herzmuskelpräparates aus Stammzellen, sogenannte „Herzpflaster“, genehmigt. Nach mehr als 25 Jahren Forschung und präklinischer Entwicklung wird derzeit am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) die klinische Studie BioVAT-HF-DZHK20 zur „Sicherheit und Wirksamkeit von aus induzierten pluripotenten Stammzell-abgeleitetem menschlichem Herzmuskelgewebe bei terminaler Herzinsuffizienz“ eingeleitet. Der neuartige biologische Therapieansatz, der in dieser Art weltweit das erste Mal zur Anwendung kommt, wurde in Göttingen entwickelt. Dabei wird aus Stammzellen hergestelltes Herzmuskelgewebe auf das erkrankte Herz von Patient*innen mit Herzmuskelschwäche aufgebracht, um es zu stärken. Die Forschungsarbeiten, die zur Überführung der Methode vom Labor in die klinische Anwendung am Patienten nötig waren, wurden ganz wesentlich am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Standort Göttingen, durchgeführt.
Insgesamt 53 Patient*innen sollen in die Studie BioVAT-HF-DZHK20 aufgenommen werden. Rekrutiert werden diese an der Universitätsmedizin Göttingen sowie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck und am Herz- und Diabeteszent-rum NRW des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum in Bad Oeynhausen.
Die wissenschaftliche Leitung der BioVAT-HF-DZHK20 Studie hat Prof. Dr. Wolfram Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der UMG und Sprecher des DZHK-Standorts Göttingen. Die klinische Leitung der BioVAT-HF-DZHK20 Studie haben Prof. Dr. Tim Seidler, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG sowie Dr. Ahmad-Fawad Jebran, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der UMG. Gefördert wird die Studie durch das DZHK und die Repairon GmbH.
Der niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler sagt: „Herzerkrankungen stehen bei den Volkskrankheiten ganz oben. Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen weiter zu und sind die Todesursache Nummer eins in Deutschland. Der Start der Studie weltweit erstmals am Menschen ist ein Signal an die Betroffenen, das Hoffnung macht: Wenn das Vorhaben gelingt, können weit schwerere und belastendere Therapieoptionen vermieden werden. Das wäre ein Quantensprung in der klinischen Anwendung. Dieser Schritt ist das Ergebnis eines langen Vorlaufs in der Grundlagenforschung, die auch vom Land Niedersachsen gefördert wird. Niedersachsen kann stolz sein auf diese medizinische Spitzenforschung mit hohem Innovationspotential. Hier gewinnen vor allem die Menschen in Niedersachsen, zudem national und international. Die UMG erweist sich wieder einmal als Ort herausragender klinischer Forschung: Erst letzte Woche konnten wir die Auszeichnung von UMG und MHH als Onkologisches Spitzenzentrum feiern, heute vermelden wir einen bedeutenden Fortschritt in der klinischen Erforschung von Herzerkrankungen.“
Prof. Dr. Wolfgang Brück, Sprecher des Vorstandes der UMG, sagt: „Die Herz-Kreislaufforschung zählt seit langem zu den drei Forschungsschwerpunkten an der UMG, sie hat in dieser Zeit stetig national und international an Strahlkraft und Dynamik gewonnen. Gemeinsames Ziel aller Anstrengungen ist es, die Translation auszubauen und zu stärken, also den Transfer von Ergebnissen aus der Grundlagen-Forschung zügig in die Krankenversorgung an die Patient*innen zu bringen – das alles übrigens im engen Verbund mit Institutionen wie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung DZHK und den Wissenschaftspartnern am Göttingen Campus. Als UMG fördern wir diese Schwerpunkte. Wir sehen hier eine unserer zentralen Aufgaben als Einrichtung mit dem Anspruch auf universitäre Spitzenmedizin. Der Schritt in die klinische Phase der „Herzpflasterstudie“ ist ein herausragendes Beispiel für diese zielgerichtete und interdisziplinär ausgerichtete Schwerpunktausrichtung. Die Studie belegt das hohe innovative Potential der Herz-Kreislauf-Forschung an der UMG und die exzellente Qualität der Zusammenarbeit der unterschiedlichen wissenschaftlichen Einrichtungen am Göttingen Campus.“
„Da die Herzmuskelschwäche durch einen Verlust von Herzmuskelzellen bedingt ist, erscheint die Implantation von Herzmuskelzellen als logischer Ansatz. Durchbrüche im Bereich der Stammzellforschung erlauben es uns heute, menschliche Herzmuskelzellen in großer Menger sowie klinischer Qualität herzustellen. Über das von uns entwickelte Herzpflasterverfahren sollen diese dauerhaft in das erkrankte Herz integriert werden. Umfangreiche präklinische Prüfungen legen nahe, dass wir so das geschwächte Herz auch in Patient*innen mit Herzmuskelschwäche stärken können“, sagt Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann, wissenschaftlicher Leiter der Studie BioVAT-HF-DZHK20.
„Gelingt es mit einem Implantat aus einer großen Anzahl von Herzmuskelzellen die Herzfunktion zu verbessern, wäre das eine völlig neue Therapiemöglichkeit. Wir freuen uns, mit der Studie BioVAT-HF-DZHK20 eine sorgfältige klinisch-wissenschaftliche Untersuchung dieses Therapieansatzes durchführen zu können“, sagt Prof. Dr. Tim Seidler, Leiter der klinischen Prüfung und stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie an der UMG.
„Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche bleibt häufig nur die Herztransplantation. Vor dem Hintergrund des Mangels an Spenderorganen und der kontinuierlichen Zunahme der Patienten mit Herzmuskelschwäche kann die Implantation von Herzpflastern gerade Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche eine neue Behandlungsmöglichkeit bieten“, betont Dr. Ahmad-Fawad Jebran, stellvertretender Leiter der klinischen Prüfung und Oberarzt der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie an der UMG.
„Nach vier Jahren der Prozessentwicklung konnten wir in enger Abstimmung mit den zuständigen regulatorischen Behörden und in Zusammenarbeit mit der Repairon GmbH als erster Standort in Deutschland einen Herstellungsprozess für ein Prüfpräparat aus pluripotenten Stammzellen gemäß Arzneimittelgesetz aufsetzen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Joachim Riggert, Leiter der Abteilung für Transfusionsmedizin an der UMG.
„Mit der operativen Implantation von neuem, vitalem Herzgewebe eröffnen sich ganz neue Behandlungsoptionen für Patienten mit Herzmuskelschwäche. Der im Rahmen der Studie BioVAT-HF-DZHK20 zu erprobende Therapieansatz verspricht, anders als mechanische Kunstherzsysteme, eine biologische Reparatur des Herzens und könnte für unsere Patienten eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität ermöglichen“, sagt Prof. Dr. Ingo Kutschka, Direktor der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie an der UMG.
„Die Studie BioVAT-HF-DZHK20 ist ein Resultat der hervorragenden langjährigen Zusammenarbeit im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen. Die tatsächliche Translation solcher innovativer Therapieverfahren in die Klinik kann und wird auch in Zukunft nur über eine strukturierte interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich sein“, ergänzt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender des Herzzentrums und Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie an der UMG.
Hintergrundinformationen
Herzschwäche oder Herzinsuffizienz betrifft weltweit etwa 60 Millionen Menschen. Trotz der Fortschritte bei pharmakologischen und interventionellen Herzinsuffizienz-Therapien sterben 20 Prozent der Patient*innen mit Herzinsuffizienz innerhalb eines Jahres. Nach fünf Jahren sind trotz optimaler medizinischer Therapie 50 Prozent der Patient*innen mit Herzinsuffizienz verstorben. Aufgrund des dramatischen demografischen Wandels unserer alternden Bevölkerung wird die Häufigkeit (Prävalenz) von Herzinsuffizienz weiter zunehmen und dabei zum Tode von mehr Menschen führen als durch jede andere Krankheit. Neuartige Behandlungsoptionen für die Reparatur oder Regeneration des Herzens würden das Therapiespektrum erheblich erweitern.
Erklärvideo „ Was ist ein Herzpflaster, woraus besteht es und wie wirkt es?“ mit Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann:
https://www.youtube.com/watch?v=izkWrARVKQ8&feature=youtu.be
Weitere Informationen:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen, Germany
Telefon 0551 / 39-65781, Fax 0551 / 39-5699
Email: biovat.info@med.uni-goettingen.de
Web: www.biovat.dzhk.de
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
Christine Vollgraf
Leiterin Öffentlichkeitsarbeit
DZHK-Geschäftsstelle Berlin, Potsdamer Str. 58, 10785 Berlin
Telefon 030 / 3465 529-02
christine.vollgraf@dzhk.de
www.dzhk.de
Über DZHK
Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) vereint 32 Partnereinrichtungen der kardiovaskulären Forschung und angrenzender Fachrichtungen mit dem Ziel, die Aktivitäten auf diesem Gebiet zu bündeln und Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zügig in die Anwendung zu überführen (Translation). Das DZHK ist eines von sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die sich der Erforschung großer Volkskrankheiten widmen. Ihre Gründung wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert.
Über UMG
Die „Universitätsmedizin Göttingen (UMG)“ ist der einzige Maximalversorger in Südniedersachsen und fokussiert sich auf drei Forschungs- und klinische Schwerpunkte: Neurowissenschaften, Herz-Kreislauferkrankungen und Onkologie. Die UMG betreibt etwa 1.500 Planbetten, in 64 Kliniken und Instituten arbeiten rund 7.900 Beschäftigte. Zirka 65.500 Patienten werden im Jahr stationär versorgt und etwa 233.000 ambulante Fälle ambulant betreut. Die Medizinische Fakultät an der UMG lehrt rund 3.500 Studierenden Humanmedizin, Zahnmedizin, Molekulare Medizin, Cardiovascular Science. Die UMG ist in Südniedersachsen der größte Arbeitgeber und mit etwa 650 Auszubildenden und Schüler*innen der Gesundheitsberufe sowie Studierende im Studium am Gesundheitscampus der größte Ausbildungsbetrieb der Region.
Über UKSH
Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) ist mit den Standorten Kiel und Lübeck eines der größten medizinischen Zentren in Europa. Alleinstellungsmerkmal der Universitätsmedizin ist das Zusammenspiel von Krankenversorgung, Forschung und Lehre mit dem Effekt, dass wissenschaftliche Erkenntnisse direkt in die Krankenversorgung einfließen (Translation). Das UKSH als einziger Maximalversorger des nördlichsten Bundeslandes gewährleistet jährlich die individualisierte Diagnostik und Therapie für 500.000 Menschen – jedes 6. Einwohners – und erbringt ein Viertel aller Krankenhausleistungen. Die 85 Kliniken und Institute verfügen über das gesamte Spektrum der modernen Medizin – insbesondere für Patienten, die einer hochdifferenzierten Diagnostik und Therapie sowie einer Notfallversorgung rund um die Uhr bedürfen. Das UKSH als größter öffentlicher Arbeitgeber mit rd. 13.500 Mitarbeitern aus 120 Nationen sowie wichtiger Ausbildungsbetrieb eine bedeutende Rolle für die Gesundheitswirtschaft Norddeutschlands.
Im Universitären Herzzentrum Lübeck wird die klinische Studie von Prof. Dr. Stephan Ensminger, Direktor der Klinik für Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie und Prof. Dr. In-go Eitel, Direktor der Medizinischen Klinik II geleitet.
Über HDZ NRW
Als Spezialklinik zur Behandlung von Herz-, Kreislauf- und Diabeteserkrankungen zählt das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, mit 35.000 Patienten pro Jahr zu den größten und modernsten Zentren seiner Art in Europa. Das interdisziplinäre Herzinsuffizienzzentrum des HDZ NRW ist ausgewiesen als überregionales, über die Fachgesellschaften zertifiziertes Zentrum (HFU). Hier werden jährlich 6.500 Patienten mit einer Pumpschwäche des Herzens stationär behandelt. Mit 73 Herztransplantationen in 2020 ist das HDZ NRW das bundesweit größte Herztransplantationszentrum. Weitere Schwerpunkte des Herzzentrums liegen in der Behandlung des gesamten Spektrums angeborener und erworbener Herzerkrankungen einschließlich der Therapie von Herzrhythmusstörungen sowie künstlicher Herzunterstützungssysteme und Kunstherzen. Das HDZ NRW ist Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum.
Über REPAIRON
Die Repairon GmbH wurde 2014 aus der Universitätsmedizin Göttingen ausgegründet. Unternehmenszweck der Repairon ist die Entwicklung und klinische Zulassung von aus Stammzellen hergestelltem Ersatzgewebe für die Anwendung bei Organversagen. Als exklusiver Lizenznehmer der von der Arbeitsgruppe Zimmermann an der Universitätsmedizin Göttingen entwickelten Herzpflaster-Technologie wird die Repairon GmbH bei Nachweis eines klinischen Nutzens die Zulassung von Herzpflastern bei Herzmuskelschwäche anstreben.
„Herzpflaster“: Innovativer Ansatz zur Reparatur bei Herzschwäche
Für wen kann die Implantation eines Herzpflasters nützlich sein?
Herzmuskelzellen sind die Grundlage für die Pumpfunktion des Herzens. Patient*innen mit Herzmuskelschwäche haben im Laufe ihrer Erkrankung Herzmuskelzellen unwiderruflich verloren. Aktuelle Therapien, wie Medikamente oder die Implantation eines Defibrillators, verlangsamen wirksam das Fortschreiten der Erkrankung und schützen vor einem plötzlichen Herztod. Die verloren gegangene Herzmuskelfunktion wiederherzustellen, gelingt auf diese Weise jedoch nicht. In späten Stadien der Erkrankung bleiben die Implantation von Herzpumpen und die Herztransplantation als letzte Therapieoption.
„Patient*innen der Studie BioVAT-HF-DZHK20 haben eine fortgeschrittene Herzschwäche mit stark eingeschränkter Herzpumpfunktion und zeigen Krankheitssymptome wie Atemnot bereits bei alltäglicher Belastung. Im Rahmen der Studie wollen wir prüfen, ob sich das defekte Herz bei Patient*innen mit einer schweren Herzmuskelschwäche reparieren lässt“, sagt Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann. „Durch die Implantation von funktionellem Herzgewebe aus induzierten pluripotenten Stammzellen, umgangssprachlich als Herzpflaster oder wissenschaftlich als Engineered Human Myocardium (EHM) bezeichnet, beabsichtigen wir erstmalig und dabei zusätzlich zu einer optimalen medizinischen Therapie Herzmuskelgewebe wieder aufzubauen, um so die Pumpkraft des geschwächten Herzens nachhaltig zu steigern“, so Prof. Zimmermann.
„Herzpflaster“ aus Stammzellen: Wie werden sie hergestellt?
Am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UMG haben Prof. Zimmermann und sein Team ein Gewebezuchtverfahren (Tissue Engineering) entwickelt, das die Herstellung von menschlichem Herzmuskel aus induzierten pluripotenten Stammzellen gemäß Vorgaben des Arzneimittelgesetzes ermöglicht. Die induzierten pluripotenten Stammzellen wurden durch ein sogenanntes Reprogrammierungsverfahren aus Nabelschnurblut hergestellt und der Arbeitsgruppe um Prof. Zimmermann über die Repairon GmbH für die Herzpflasterherstellung zur Verfügung gestellt.
Über das am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UMG entwickelte Verfahren werden aus den Stammzellen zunächst Herzmuskelzellen und Bindegewebszellen als Grundlage für die Herzpflasterherstellung entwickelt. Im nächsten Schritt kommt das von Zimmermann und Mitarbeitern*innen entwickelte Verfahren der Herzpflaster Herstellung zum Einsatz. Nach einem etwa drei Monate dauernden Prozess der Herstellung in GMP-konformen Reinräumen der Abteilung Transfusionsmedizin der UMG werden die Herzpflaster mit Eigenschaften von kindlichem Herzmuskelgewebe für die Implantation freigegeben.
Ein einzelnes Herzpflaster wird aus 40 Millionen Zellen hergestellt. Durch Stapelung der Herzpflaster kann die Dosis individuell eingestellt werden. Die BioVAT-HF-DZHK20-Studie beginnt mit der Erprobung einer Dosis von fünf Herzpflastern (hergestellt aus 200 Millionen Zellen). Erwartet wird dabei, dass die Herzfunktion durch das Aufbringen von Herzmuskelgewebe gesteigert wird. Die Implantation erfolgt über einen minimal-invasiven herzchirurgischen Ansatz.
Herzpflaster – wie wirkt es??
Aus den Erfahrungen abgeschlossener vorklinischer Prüfungen erwartet das BioVAT-HF-DZHK20-Studienteam, dass sich die geschädigte Herzwand durch Implantation von aus fünf Einzelpräparaten hergestellten Herzpflastern um bis zu fünf Millimeter verdicken und zugleich funktionell stärken lässt. Die Abstoßung des Herzpflasters wird durch eine Verabreichung von Arzneimitteln zur Unterdrückung des Immunsystems verhindert.
Wie wird das Herzpflaster implantiert?
Jeder operative Eingriff für eine Herzpflasterimplantation im Rahmen der Studie BioVAT-HF-DZHK20 wird individuell geplant. Nach einer umfangreichen Prüfung des aktuellen Krankheitszustandes sowie interdisziplinärer Diskussion des Vorgehens bei jedem einzelnen Patienten, werden die Studienpatient*innen aufgefordert, mit der Einnahme von Arzneimitteln für die Unterdrückung des Immunsystems analog zum Vorgehen bei Herztransplantation zu beginnen.
Die Implantation des Herzpflasters erfolgt über einen minimal-invasiven Zugang, über einen etwa fünf Zentimeter großen Schnitt, auf der linken Seite des Brustkorbs auf das schlagende Herz. Dabei wird das Herzpflaster direkt auf den zuvor diagnostisch gesicherten Herzmuskeldefekt aufgenäht. Das operative Vorgehen gleicht der Fixierung von Herzschrittmacherkabeln auf dem Herzen und dauert etwa 90 Minuten. Im Rahmen von umfangreichen Folgeuntersuchungen 1, 3, 6 und 12 Monate nach der Implantation wird der therapeutische Effekt des Herzpflasterimplantats überprüft.
Bei klinischen Zeichen eines Behandlungserfolgs wird die Arzneimittelbehandlung zur Immunsuppression dauerhaft fortgesetzt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen, Germany
Telefon 0551 / 39-65781, Fax 0551 / 39-5699
Email: biovat.info@med.uni-goettingen.de
Web: www.biovat.dzhk.de
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
Christine Vollgraf
Leiterin Öffentlichkeitsarbeit
DZHK-Geschäftsstelle Berlin, Potsdamer Str. 58, 10785 Berlin
Telefon 030 / 3465 529-02
christine.vollgraf@dzhk.de
www.dzhk.de
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