Vergleichbare Gedächtnisstrategien bei Vögeln und Menschen



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06.12.2023 09:42

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Vergleichbare Gedächtnisstrategien bei Vögeln und Menschen

Das Arbeitsgedächtnis ist bei höheren kognitiven Funktionen sowohl bei Primaten – zu denen auch die Menschen zählen – als auch bei Rabenvögeln von entscheidender Bedeutung. In ihren Untersuchungen mithilfe zweier Dohlen entdeckten Forschende der Ruhr-Universität Bochum nun bemerkenswerte Parallelen in der Gedächtnisoptimierung von Primaten und Rabenvögeln. Sie deuten darauf hin, dass die Fähigkeit, kontinuierliche Eindrücke in Kategorien einzuteilen, eine Schlüsselrolle in der Optimierung des Arbeitsgedächtnisses spielt. Die Ergebnisse wurden am 6. November 2023 im Fachjournal „Communications Biology“ veröffentlicht.

Erinnerungsleistung nimmt ab, wenn Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht wird

Um die Gedächtnisleistung der Dohlen zu analysieren, führten die Forschenden um Erstautorin Aylin Apostel und Prof. Dr. Jonas Rose verschiedene Tests durch. Dazu wurden zwei Vögel darauf trainiert, sich Farben möglichst genau zu merken. Je nachdem, wie genau sie bei der Auswahl waren, erhielten sie unterschiedlich viel Futter. Die Vögel wurden vor verschiedene Herausforderungen gestellt. Zum Beispiel mussten sich die Dohlen Farben über verschiedene Zeiträume merken oder sich an mehrere Farben gleichzeitig erinnern. Die Belohnung für richtige Farbwiedergabe wurde abgestuft, um die Vögel zu motivieren, möglichst präzise zu antworten.

Die Forschenden stellten fest, dass die Leistung der Vögel abnahm, wenn das Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht wurde. Aylin Apostel: „Die Funktionsweise des Arbeitsgedächtnisses zeigt sich beispielsweise in den Herausforderungen an Servicepersonal, das sich an größere Bestellungen erinnern muss. Ähnlich wie beim Menschen zeigen auch Rabenvögel eine verminderte Genauigkeit und eine Tendenz zur Voreingenommenheit, wenn das Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht wird. Dies äußert sich in ungenaueren Erinnerungen, vergleichbar mit einem Kellner, der zwei Milchkaffee an Stelle von einem Latte Macchiato und einem Cappuccino bringt. Der Kellner hat aufgrund höherer Anforderung an sein Arbeitsgedächtnis beide spezifischen Bestellungen nur noch als allgemeinere Kategorie Milchkaffee im Kopf.“ Gleichermaßen zeigten die Vögel zunehmend kategorisches Antwortverhalten aufgrund von höheren Anforderungen an das Arbeitsgedächtnis.

Attraktordynamik als grundlegendes biologisches Prinzip

Als zentralen Punkt der Studie beschreiben die Forschenden die Attraktordynamik. Jonas Rose erläutert: „Die Attraktordynamik fungiert als grundlegender Prozess im Gehirn von Rabenvögeln und Primaten, um Erinnerungen geschickt in bestimmte Kategorien zu dirigieren. Die Gedächtnisleistung wird hierdurch in Teilen verzerrt und damit ungenauer, aber insgesamt verbessert. Die beeindruckende Entdeckung ist, dass dieses Prinzip im Gehirn von Rabenvögeln und Primaten gleichermaßen effektiv funktioniert, obwohl ihre evolutionären Pfade deutlich voneinander abweichen. Es scheint somit ein grundlegendes biologisches Prinzip für die effiziente Nutzung des Arbeitsgedächtnisses zu sein.“

Der Vergleich von Primaten und Dohlen eröffnet Einblicke in die Evolution und die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses. Apostel: „Die Entdeckung gemeinsamer Prinzipien in verschiedenen Gehirnen bietet vielversprechende Ansätze für die Weiterentwicklung von allgemeingültigen Modellen, die die kognitive Funktionsweise von Tieren und Menschen erklären.“

Förderung

Die Publikation wurde gefördert durch den Sonderforschungsbereich 874 (SFB 874) der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie ein Freigeist-Stipendium der Volkswagenstiftung. Der SFB 874 „Integration und Repräsentation sensorischer Prozesse“ bestand von 2010 bis 2022 an der Ruhr-Universität Bochum. Die Open-Access-Förderung wurde ermöglicht und organisiert vom Projekt DEAL.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Aylin Apostel
Neuronale Grundlagen des Lernens
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 29620
E-Mail: aylin.klarer@ruhr-uni-bochum.de

Prof. Dr. Jonas Rose
Neuronale Grundlagen des Lernens
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 27135
E-Mail: jonas.rose@ruhr-uni-bochum.de


Originalpublikation:

Aylin Apostel, Matthew Panichello, Timothy J. Buschman, Jonas Rose et al.: Corvids Optimize Working Memory by Categorizing Continuous Stimuli, in: Nature Communications Biology, 2023, DOI 10.1038/s42003-023-05442-5


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW