Vorklinische Krebsstudie: Neuer Therapieansatz zur Behandlung von Neuroblastomen bei Kleinkindern



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25.08.2023 12:41

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Vorklinische Krebsstudie: Neuer Therapieansatz zur Behandlung von Neuroblastomen bei Kleinkindern

Neuroblastome sind Tumoren des Nervensystems, können sich an vielen Stellen im Körper bilden und sind die häufigste Ursache für krebsbedingte Todesfälle bei Kleinkindern. Eine Forschungsgruppe der Universitätsmedizin Halle deckte nun erstmals die Abläufe in der Entwicklung von Neuroblastomen auf. Das Protein IGF2BP1 ist dabei wie ein Funken, der auf Zellebene ein ganzes Lauffeuer krebsfördernder Prozesse auslösen kann. In vorklinischen Versuchen nutzten sie ein Molekül, das IGF2BP1 blockieren und den Funken im Keim ersticken könnte. Die Ergebnisse zum neuen möglichen Therapieansatz sind in der Fachzeitschrift „Molecular Cancer“ veröffentlicht.

Am Anfang des Lebens sorgt das Protein IGF2BP1 während der Entwicklung des Embryos dafür, dass Zellen schnell wachsen können. Kommt es später noch vor, wird es mit unterschiedlichen Tumoren in Verbindung gebracht. In der aktuellen Studie analysierten die Forschenden die genetischen Merkmale der Tumore von 100 an Neuroblastomen erkrankten Kindern und führten ausführliche Versuche in Zellkulturen sowie mit Mäusen durch. „Kurzgesagt sorgt IGF2BP1 dafür, dass ein anderes Protein verstärkt gebildet wird. Beide Proteine können verschiedene, bisher ungeklärte Prozesse auf genetischer Ebene aktivieren, die unter diesen fehlerhaften Umständen stark krebsfördernd wirken“, erläutert Sven Hagemann, Erstautor und Biochemiker am Institut für Molekulare Medizin an der Universitätsmedizin Halle. Das Resultat ist ein außer Kontrolle geratener Flächenbrand in der Zelle, der dafür sorgt, dass Neuroblastome entstehen, überleben, wachsen und sich ausbreiten. Die Studie zeigt zum ersten Mal, dass IGF2BP1 alleine bereits ausreicht, um diesen Tumor auszulösen. So entwickelten Mäuse, bei denen die IGF2BP1-Bildung herbeigeführt wurde, in jedem Fall ein Neuroblastom.

Zielgerichtete Therapien sind dringend gesucht

Bei Kindern mit Hochrisiko-Neuroblastomen kommt es bei über der Hälfte zu einem Rückfall. Es brauche deshalb dringend neue therapeutische Ansätze, um bei dieser Krebserkrankung im Kindesalter effektiver eingreifen zu können. Die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördern entsprechende Projekte der Universitätsmedizin Halle mit dem Ziel, die zentralen Treiber bei Krebs zu identifizieren und mithilfe neuartiger niedermolekularer Wirkstoffe zu entschärfen.

„Es wäre sehr vielversprechend, IGF2BP1 im menschlichen Körper gezielt zu blockieren, da es ab dem Säuglingsalter normalerweise nicht mehr gebildet wird – außer in Krebszellen“, erklärt Prof. Dr. Stefan Hüttelmaier, Direktor des Instituts für Molekulare Medizin an der Universitätsmedizin Halle. In enger Kooperation mit dem Institut für Pharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist es dem Team nun gelungen, ein solches Molekül erfolgreich zu testen. „In ersten vorklinischen Versuchen zeigte unser Wirkstoffkandidat bisher keine unerwünschten Effekte und dient damit als Grundlage für die weitere Entwicklung. Perspektivisch ließen sich mit einer gezielten Therapie gegen Neuroblastome schwere Nebenwirkungen vermeiden, wie sie bei einer Chemotherapie auftreten“, so Hüttelmaier. Bis klinische Versuche denkbar wären, brauche es aber noch ein paar Jahre, um offene Fragen zu untersuchen. Unklar sei beispielsweise, wie es im Detail dazu kommt, dass IGF2BP1 überhaupt präsent ist oder wie der Wirkstoff am besten zum gewünschten Wirkungsort im Körper gebracht werden kann.

Seit gut 20 Jahren arbeitet Prof. Hüttelmaier am Protein IGF2BP1: „Damals forschten wir an Neuronen, bis wir plötzlich darüber gestolpert sind, dass dieses Protein besonders stark bei Krebs ausgebildet wird.“ Anhand klinischer Daten konnte das Team um Prof. Hüttelmaier 2015 nachweisen, dass IGF2BP1 eine Rolle in der Entstehung von Neuroblastomen spielt. „Jetzt ist es uns gelungen, weitere Puzzlestücke aufzudecken und außerdem erstmals einen möglichen Therapieansatz aufzuzeigen. Wenn uns der Wurf gelingt, ein passendes Molekül zu entwickeln, dann ist das nicht nur bei Neuroblastomen relevant. Denn Studien zeigen, dass IGF2BP1 auch bei anderen Tumoren eine zentrale Rolle spielt“, blickt Hüttelmaier voraus.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Universitätsmedizin Halle

Institut für Molekulare Medizin
Prof. Dr. rer. nat. Stefan Hüttelmaier, Direktor
stefan.huettelmaier@medizin.uni-halle.de

Sven Hagemann M. Sc. Biochemie, Doktorand
sven.hagemann@medizin.uni-halle.de


Originalpublikation:

Hagemann S, Misiak D, Bell JL, Fuchs T, Lederer MI, Bley N, Hämmerle M, Ghazy E, Sippl W, Schulte JH, Hüttelmaier S. IGF2BP1 induces neuroblastoma via a druggable feedforward loop with MYCN promoting 17q oncogene expression. Mol Cancer. 2023 May 29;22(1):88. doi: https://doi.org/10.1186/s12943-023-01792-0


Weitere Informationen:

https://www.umh.de/molmed Institut für Molekulare Medizin an der Universitätsmedizin Halle


Bilder

Erstautor Sven Hagemann arbeitet unter anderem mit Zellkulturen.

Erstautor Sven Hagemann arbeitet unter anderem mit Zellkulturen.

Universitätsmedizin Halle

Sven Hagemann im Labor des Instituts für Molekulare Medizin an der Universitätsmedizin Halle.

Sven Hagemann im Labor des Instituts für Molekulare Medizin an der Universitätsmedizin Halle.

Universitätsmedizin Halle


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW