Wann Rückenschmerzen chronisch werden

Wann Rückenschmerzen chronisch werden


Teilen: 

17.04.2020 09:56

Wann Rückenschmerzen chronisch werden

Die Psyche spielt eine entscheidende Rolle, wenn aus akuten Schmerzen andauernde werden. Warum manche Menschen gefährdeter sind als andere.

Bei rund 35 bis 40 Prozent aller Rückenschmerzpatienten sind die Beschwerden von Dauer. Die Art und Weise, wie man die Schmerzen empfindet und wie sehr sie in der Folge das eigene Leben beeinträchtigen, kann jedoch von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein.

Prof. Dr. Monika Hasenbring beschäftigt sich seit langem mit der Frage, welche Bedeutung die individuelle Schmerzverarbeitung für die Entwicklung chronischer Beschwerden hat, denn sie weiß, dass diese kein rein medizinisches, sondern auch ein psychologisches Phänomen sind.

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Vier Risikogruppen

Als Leiterin der Abteilung für medizinische Psychologie und medizinische Soziologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat sie bereits vor Jahren ein Modell der Schmerzverarbeitung entwickelt, bei dem sie Patienten einer von vier Risikogruppen zuordnen kann. Dieses Modell helfe, geeignete Diagnose- und Therapieformen auf die verschiedenen Risikogruppen abzustimmen.

Die erste Gruppe reagiert demnach sehr ängstlich auf Schmerz und deutet ihn typischerweise als Symptom einer schweren Erkrankung. In der Folge vermeiden diese Menschen alle möglichen Situationen, die eventuell den Schmerz auslösen könnten. Inaktivität und Muskelschwäche sind die Folgen, welche wiederum Schmerzen und die negative Stimmung begünstigen.

Durchhalteparolen verschlimmern den Schmerz

Zur zweiten Gruppe gehören Menschen, die die Schmerzen unterdrücken – sowohl gedanklich als auch in ihrem Verhalten. Mit Leitsätzen wie „Stell dich nicht so an“ oder „Denk nicht an den Schmerz“ zwingen sie sich selbst zum Durchhalten. Eine Strategie, die sich nicht unbedingt positiv auswirkt, denn diese Personen legen keine entspannungsfördernden Pausen ein. So kann es auch hier zu einer Verstärkung der Schmerzen kommen.

In der dritten Gruppe finden sich Patienten, die sich vom Schmerz ablenken können. Sie schaffen es, eine positive Stimmung aufrechtzuerhalten. Da sie aber auch dazu neigen, ihren Körper nicht zu schonen, kommt es bei ihnen ebenfalls häufig zu einer Verschlimmerung der Beschwerden.

Balance zwischen Be- und Entlastung

Einzig Personen, die sich der vierten Gruppe zuordnen lassen, schaffen es durch ihre Einstellung und ihr Verhalten, ihre Schmerzen zu reduzieren. „Diese Menschen reagieren recht flexibel auf den Schmerz“, beschreibt Monika Hasenbring ihre Erfahrungen. „Sie finden eine Balance zwischen Be- und Entlastung und legen auch mal Pausen ein, meiden Bewegungen aber nicht“, so die Wissenschaftlerin.

Auch Leistungssportler leiden unter Rückenschmerzen

Aktuell beschäftigt sich Monika Hasenbring mit der Frage, ob dieses Modell auch auf Leistungssportler mit Rückenschmerzen anzuwenden ist. Im Rahmen des bundesweiten interdisziplinären Forschungsnetzwerks Medicine in Spine Exercise, welches unter dem Label „Ran Rücken“ vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert wurde, verglich sie Daten aus der Allgemeinbevölkerung mit denen von 200 Sportlerinnen und Sportlern, die angaben, unter Rückenschmerzen zu leiden. Das Ergebnis der Befragungen: Obwohl man denken könnte, dass Leistungssportlerinnen und Leistungssportler ein besonderes Verhältnis zu ihrem Körper haben, sind sie hinsichtlich ihrer Risikofaktoren für die Chronifizierung von Rückenschmerzen der Allgemeinbevölkerung sehr ähnlich, sie passen in dasselbe Modell.

„Unsere Erkenntnisse können den Betroffenen helfen, denn die kognitive Einstellung zum Schmerz ist etwas, was wir durch Psychotherapie ändern können“, erklärt Hasenbring. „Wenn wir den Patientinnen und Patienten klarmachen können, in welchem Kreislauf aus Gedanken und Schmerzverstärkung sie sich befinden, können wir ihnen auch Lösungen aufzeigen, besser mit der Situation umzugehen.“

Ausführlicher Beitrag in Rubin

Einen ausführlichen Beitrag zu dem Thema finden Sie im Wissenschaftsmagazin Rubin. Texte auf der Webseite und Bilder aus dem Downloadbereich dürfen zu redaktionellen Zwecken unter Angabe des Copyrights honorarfrei verwendet werden.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Monika Hasenbring
Abteilung für medizinische Psychologie und medizinische Soziologie
Fakultät Medizin
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 25439
E-Mail: monika.hasenbring@rub.de


Originalpublikation:

https://news.rub.de/wissenschaft/2020-04-17-medizinische-psychologie-schmerz-als…


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW