Wie der Schwefel in Eisen-Schwefel-Proteine gelangt



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17.04.2024 10:32

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wie der Schwefel in Eisen-Schwefel-Proteine gelangt

Das medizinisch bedeutsame Protein Frataxin sorgt dafür, dass die Herstellung von lebenswichtigen Eisen-Schwefel-Proteinen schnell und präzise erfolgt. Das hat eine Kooperation dreier Forschungsgruppen unter Marburger Leitung herausgefunden, indem sie anaerobe Kryo-Elektronenmikroskopie, biochemische Verfahren und Mössbauer-Spektroskopie kombinierte. Das Team berichtet im Forschungsmagazin „Nature Communications“ über seine Ergebnisse.

„Enzyme mit Eisen-Schwefel-Clustern, Würfelchen aus Eisen- und Schwefelionen, sind unersetzlich für zahlreiche essenzielle Lebensprozesse“, sagt der Biochemiker Professor Dr. Roland Lill von der Philipps-Universität Marburg, der seit vielen Jahren an der Synthese von Eisen-Schwefel-Proteinen arbeitet und das Forschungsprojekt initiierte. Diese Proteine sind insbesondere an der Energiegewinnung in den Mitochondrien, an der Vervielfältigung der Erbsubstanz DNA sowie an deren Reparatur nach Schädigungen im Zellkern beteiligt.

Die Entstehung von Eisen-Schwefel-Proteinen ist ein mehrstufiger Prozess, der das Zusammenwirken spezialisierter Enzyme erfordert. Die Reifung von Eisen-Schwefel-Clustern startet an einem Molekülkomplex im Mitochondrium, einem Zellorganell, das auch für die Energieumwandlung der Zelle zuständig ist. „Wie der Schwefel für die Synthese von Eisen-Schwefel-Clustern an seinen Platz gelangt, war bislang nicht klar“, führt Lills Mitarbeiter Dr. Vinzent Schulz aus, einer der drei Leitautoren des Fachartikels.

Um zu klären, wie Schwefel aus der Aminosäure Cystein freigesetzt und dann von einer Komponente des Molekülkomplexes zur nächsten weitergereicht wird, tat sich Lills Marburger Team mit den Arbeitsgruppen von Dr. Bonnie J. Murphy am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt und von Professor Dr. Volker Schünemann an der Universität Kaiserslautern-Landau zusammen.

„Die anaerobe Kryo-Elektronenmikroskopie lieferte zum ersten Mal genaue Schnappschüsse, die den schrittweisen Übergang des Schwefels vom Cystein über die Komponenten NFS1 zum ISCU2 zeigen“, legt Lill dar. „Die gefundenen Zwischenstufen sind extrem labil und waren daher nur schwer strukturell fassbar. Man musste ein kleines Schwefelmolekül in einer vieltausendmal größeren Struktur genau erkennen.“ Eingehende biochemische Voranalysen erlaubten es, die Zwischenschritte so spezifisch herzustellen, dass sich die Einzelschritte des Prozesses erstmals beobachten ließen.

Zu dem Molekülkomplex gehört unter anderem Frataxin; dabei handelt es sich um ein klinisch relevantes Protein, das bei der seltenen neurodegenerativen Erkrankung Friedreich-Ataxie in mutierter Form vorliegt. Erst kürzlich wurde ein erstes Medikament für diese Krankheit zugelassen. „Aber welche genaue biochemische Aufgabe Frataxin normalerweise im Prozess der Eisen-Schwefel-Cluster-Synthese übernimmt, war bislang weitgehend unbekannt“, erläutert Lill. „Meist wurde eine direkte Eisenbindung vermutet.“

Nun fand die Gruppe heraus, dass Frataxin dabei hilft, den Schwefel innerhalb des Molekülkomplexes schnell und präzise vom NFS1 zum ISCU2 weiterzugeben. „Dabei induziert Frataxin kleine Strukturveränderungen, die die Schwefel-übertragenden Aminosäuren so nahe zueinander bringen, dass die Reaktion schnell und präzise stattfinden kann“, erklärt der Marburger Zellbiologe. „Aus diesen Erkenntnissen lassen sich nun Ideen für neue Therapieansätze entwickeln.“

Professor Dr. Roland Lill leitet das Institut für Zytobiologie und Zytopathologie der Philipps-Universität und gehört dem Marburger „LOEWE-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie (SYNMIKRO)“ an. Der Biochemiker ist Träger des Leibnizpreises, des am höchsten dotierten deutschen Wissenschaftspreises. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft unterstützten die Forschungsarbeit finanziell.

Originalveröffentlichung: Vinzent Schulz, Ralf Steinhilper, Jonathan Oltmanns & al.: Mechanism and structural dynamics of sulfur transfer during de novo [2Fe-2S] cluster assembly on ISCU2, Nature Communications 2024, DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-47310-8

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Roland Lill,
Institut für Zytobiologie und Zytopathologie
Tel.: 06421 28 66449
E-Mail: lill@staff.uni-marburg.de


Bilder

Der Marburger Biochemiker Roland Lill erforscht seit vielen Jahren die Synthese von Eisen-Schwefel-Proteinen.

Der Marburger Biochemiker Roland Lill erforscht seit vielen Jahren die Synthese von Eisen-Schwefel-P
Foto: Rolf Wegst
Das Bild darf nur für die Berichterstattung über die zugehörige wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW