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04.10.2023 17:05
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Wie sich die Lunge gegen Bakterien wehrt
Der Körper im Kampf gegen Lungenentzündung: Pneumokokken-Bakterien wachsen schlechter, wenn sie dem Stoffwechselmolekül NAD+ ausgesetzt sind. Das hat eine Forschungsgruppe um den Marburger Lungenmediziner Professor Dr. Bernd Schmeck herausgefunden, als sie untersuchte, wie die Atemwege auf eine Infektion mit Pneumokokken reagieren, dem wichtigsten Erreger der Lungenentzündung. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Philipps-Universität Marburg und des Deutschen Zentrums für Lungenforschung berichten im Wissenschaftsmagazin „Nature Communications“ über ihre Ergebnisse.
Lungenentzündung ,eine der häufigsten Todesursachen weltweit, geht oftmals auf eine Ansteckung mit dem Bakterium Streptococcus pneumoniae zurück. „Die Oberfläche der Atemwege bildet die erste Verteidigungslinie gegen Infektionen“, hebt der Lungenspezialist Bernd Schmeck von der Philipps-Universität Marburg hervor, der die Forschungsarbeit leitete. „Sie bildet Schleim, um Bakterien einzuschließen, und sondert Stoffe ab, die Immunzellen anlocken oder die Bakterien direkt abtöten.“ Doch wie genau die Atemwegszellen die Pneumokokken bekämpfen, „darüber wissen wir noch viel zu wenig“, erklärt Schmeck.
Um das zu ändern, fanden sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem Marburger Forschungsschwerpunkt „Diffusible Signals“ zusammen, der von Schmeck koordiniert und vom Land Hessen im Förderprogramm „LOEWE“ finanziell unterstützt wird. Lösliche Signalmoleküle sind an den meisten Wechselwirkungen zwischen Krankheitserregern und dem befallenen Gewebe beteiligt.
Der Lungenexperte brachte Fachleute des Marburger Zentrums für Synthetische Mikrobiologie und des Deutschen Zentrums für Lungenforschung zusammen, um genau unter die Lupe zu nehmen, wie die Atemwege auf eine Pneumokokken-Infektion reagieren. Das Team untersuchte, welche Änderungen im Zellstoffwechsel auf RNA- und Proteinebene genau stattfinden, wenn Pneumokokken die Atemwege befallen. Dabei fiel vor allem das Molekül NAD+ auf.
NAD+ unterstützt die Aktivität einer Vielzahl von Enzymen. „Um die funktionelle Bedeutung von NAD+ zu erforschen, haben wir die verschiedenen Enzyme seines Stoffwechsels näher untersucht, insbesondere die Auswirkungen auf eine Pneumokokken-Infektion“, berichtet Erstautor Dr. Björn Klabunde, der seine Doktorarbeit in Schmecks Labor anfertigte. „Wir fanden heraus, dass eine Infektion zu einem fehlgesteuerten NAD+-Stoffwechsel führt.“
Die Resultate der Forschungsgruppe erlauben neue Einblicke in den Infektionsprozess: „Die Infektion mit Streptococcus pneumoniae führt zu einer reduzierten NAD+-Produktion in den Atemwegszellen, was wiederum zu einer stärkeren Vermehrung der Bakterien führt“, sagt Schmeck. „Verabreicht man hingegen NAD+, so bremst dies die Bakterien aus.“
Auch eine bakterielle Gegenwehr identifizierte das Team – diese beruht auf der Produktion eines anderen Signals, nämlich ATP: „Verstärken die Erreger ihren ATP-Stoffwechsel, so wirkt dies der antibakteriellen Wirkung von NAD+ entgegen“, erläutert Klabunde. „Unsere Ergebnisse legen erstmals nahe, dass die NAD+-Enzymkaskade als antibakterieller Mechanismus gegen Streptococcus pneumoniae wirkt“, fasst Schmeck zusammen.
Bernd Schmeck lehrt Molekulare Pneumologie und Infektiololgie an der Philipps-Universität und leitet die Sektion für Atemwegsinfektionen am Universitätsklinikum Marburg. Er gehört dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung, dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und dem Zentrum für Synthetische Mikrobiologie der Philipps-Universität Marburg an, außerdem fungiert er als Sprecher des LOEWE-Schwerpunkts „Diffusible Signals“.
Neben Schmecks Arbeitsgruppe beteiligten sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Philipps-Universität Marburg und des benachbarten Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie sowie aus Universitäten und Forschungseinrichtungen in Greifswald, Gießen, Maastricht und Borstel an der wissenschaftlichen Studie. Das Bundesforschungsministerium, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Von-Behring-Röntgen-Stiftung sowie das Hessische Wissenschaftsministerium beteiligten sich an der Finanzierung der Forschungsarbeit.
Originalveröffentlichung: Björn Klabunde & al.: NAD+ metabolism is a key modulator of bacterial respiratory epithelial infections, Nature Communications 2023, DOI: http://www.nature.com/articles/s41467-023-41372-w
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Bernd Schmeck,
Institut für Lungenforschung
Tel: 06421-28 21954
E-Mail: bernd.schmeck@staff.uni-marburg.de
Institutshomepage: http://www.uni-marburg.de/de/fb20/bereiche/ziei/lungenforschung
Profilbereich „Virologie und Infektionsbiologie“ der Philipps-Universität Marburg: http://www.uni-marburg.de/de/forschung/profil/profilbereiche/virologie-infektionsbiologie
LOEWE-Schwerpunkt „Diffusible Signals“: http://www.uni-marburg.de/en/fb20/diffusible-signals (englischsprachig)
Deutsches Zentrum für Lungenforschung: https://dzl.de
Bilder
Lungenentzündung steht im Fokus der wissenschaftlichen Arbeit des Teams um (von rechts) Professor Dr …
Foto: Dr. Wilhelm Bertrams
Das Bild darf nur für die Berichterstattung über die zugehörige wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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