22.05.2020 07:42
Blutgefäßschädigung als Schlüssel zu COVID-19 / Neuer Ansatz für Behandlung denkbar
Das SARS-CoV-2 Virus befällt im Gegensatz zu den Grippeviren vornehmlich Blutgefäßstrukturen (Endothelzellen) und führt zu einer gesteigerten Entzündungsreaktion, vergleichbar mit einer Abstoßungsreaktion nach Organtransplantation. Das ist das wichtigste Ergebnis einer internationalen Studie der Unikliniken Wuppertal, Harvard, Basel, Leuven und Hannover. Die Studie wird heute (Freitag, 22.5.2020) mit einem Editorial in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht DOI: 10.1056/NEJMoa2015432, https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2015432
Editorial: DOI: 10.1056/NEJMe2018629, https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMe2018629
„Wir konnten erstmals die ausgeprägten und großflächigen Schädigungen der Blutgefäße zeigen, die die Blutzufuhr zu den Endorganen wie etwa Lunge, Herz, Niere oder Gehirn vermindern“, erklärt PD Dr. Maximilian Ackermann, Wissenschaftler am Institut für Pathologie und Molekularpathologie, die Ursache für die klinisch beobachteten Komplikationen (Mikroembolien) bei den COVID-19 Patienten. Besonders in der Lunge ist ein intaktes Gefäßsystem wesentlich für die Aufrechterhaltung der Sauerstoffaufnahme, da über 80% des Lungengewebes aus kleinsten Blutgefäßen besteht. Kleinste Schädigungen und Einschränkungen des Blutflusses können daher in kürzester Zeit zu lebensbedrohlichen Konsequenzen führen.
Im Einzelnen konnten die Forscher belegen, dass es aufgrund des SARS-CoV-2-induzierten Blutgefäßschadens besonders in den kleinen und kleinsten Gefäßen der Lunge die T-Zellen eine Entzündung auslösen, die mit einer starken Abstoßungsreaktion wie z.B. nach Organtransplantation vergleichbar ist. Weiterhin konnte hier erstmals dargestellt werden, dass durch die Störung des Blutflusses eine spezielle Form der Blutgefäßneubildung (intussuszeptive Angiogenese) ausgelöst wird, die zu einer weiteren Steigerung der T-Zell vermittelten Entzündungsreaktion führt.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Dieser erstmals beschriebene Mechanismus aus Blutgefäßneubildung und Entzündung bei COVID-19 ist für den Schweregrad der Erkrankung verantwortlich und demonstriert, dass ein Lungenversagen bei COVID-19 maßgeblich auf den Gefäßschaden zurückzuführen ist“, so Prof. Dr. med. Hans Michael Kvasnicka, der Direktor des Instituts für Pathologie und Molekularpathologie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal und Lehrstuhlinhaber für Pathologie der Universität Witten/Herdecke. Im Rahmen laufender internationaler Studien dieser Forschergruppe wird der beschriebene Mechanismus auch an anderen Organen von COVID-19 Patienten untersucht.
Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse können sich auch neue Ansätze für die Behandlung der Krankheitskomplikationen ergeben. „Wir sehen COVID-19 jetzt weniger als alleinige Lungenkrankheit, insofern könnte die beobachtete Einschränkung des Blutflusses sowie der Blutgefäßneubildung zukünftig ein neues Ziel therapeutischer Maßnahmen darstellen“, ergänzt Prof. Kvasnicka. Daher erscheinen auch erweiterte immunmodulatorische Therapieansätze sinnvoll, welche helfen die SARS-CoV-2-induzierte Entzündungskaskade einzudämmen.
Weitere Informationen bei Prof. Dr. med. Hans Michael Kvasnicka (HansMichael.Kvasnicka@helios-gesundheit.de) und PD Dr. Maximilian Ackermann (Maximilian.Ackermann@helios-gesundheit.de)
Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.600 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.
Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.
www.uni-wh.de / #UniWH / @UniWH
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Hans Michael Kvasnicka (HansMichael.Kvasnicka@helios-gesundheit.de) und PD Dr. Maximilian Ackermann (Maximilian.Ackermann@helios-gesundheit.de)
Originalpublikation:
DOI: 10.1056/NEJMoa2015432
Weitere Informationen:
http://Artikel und Editorial als PDF auch unter
https://www.uni-wh.de/detailseiten/news/blutgefaessschaedigung-als-schluessel-zu…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch