27.04.2020 11:00
Herpesvirus entschlüsselt
Das Erbgut des Herpes-simplex-Virus 1 wurde mit neuen Methoden umfassend entschlüsselt. Dabei fand man hunderte bisher unbekannte Genprodukte. Das Virus löst Lippenherpes aus, kann aber auch lebensbedrohlich werden.
Bislang hatte die Wissenschaft angenommen, dass es im Erbgut des Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) etwa 80 sogenannte offene Leseraster gibt. So heißen die Stellen im Erbgut, an denen die Informationen der DNA abgelesen und in Proteine übersetzt werden. Nun steht fest: Es gibt insgesamt 284 solche Leseraster. Diese werden übersetzt und gebildet von hunderten viraler Transkripte, die ebenfalls identifiziert wurden.
Das berichten Forschungsgruppen der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und anderer Institutionen jetzt im Fachjournal Nature Communications.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Die neuen Erkenntnisse machen es möglich, die einzelnen Gene des Virus noch viel präziser als bisher zu untersuchen“, sagt Professor Lars Dölken, Leiter des JMU-Lehrstuhls für Virologie. Er war bei diesem Projekt federführend zusammen mit Florian Erhard, JMU-Juniorprofessor für Systemvirologie.
Mehrere Institutionen beteiligt
Für die Studie setzte das Forschungsteam ein breites Spektrum neuester systembiologischer Methoden ein. Beteiligt waren neben der JMU das Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin, die Universität Cambridge in England sowie die Ludwig-Maximilians-Universität München.
Die Daten sind nicht nur wichtig für ein besseres Verständnis des Virus selbst. Sie haben auch konkrete Auswirkungen, zum Beispiel auf die Entwicklung von HSV-1-basierten onkolytischen Viren. Das sind Viren, die bei immunologischen Therapien bestimmter Tumorerkrankungen zum Einsatz kommen, etwa beim Malignen Melanom.
Fakten zum Herpes-simplex-Virus 1
Als Verursacher unangenehm juckender Lippenbläschen sind Herpes-simplex-Viren vom Typ 1 (HSV-1) vielen Menschen bekannt. Eine Infektion mit diesem Virustyp kann aber auch gravierende Folgen haben. HSV-1 kann beispielsweise bei Patienten auf Intensivstationen lebensbedrohliche Lungenentzündungen auslösen. Und bei Gesunden kann es Gehirnentzündungen verursachen, die oft bleibende Gehirnschäden nach sich ziehen.
Wer sich einmal mit dem Virus infiziert hat, behält es für den Rest seines Lebens: Herpesviren nisten sich dauerhaft in Körperzellen ein. Dort bleiben sie meistens für lange Zeit unauffällig. Erst unter besonderen Umständen, etwa bei einem schwächelnden Immunsystem, werden sie wieder aktiv.
Geld vom Europäischen Forschungsrat
Lars Dölken erforscht Herpesviren sehr intensiv. Für seine Erfolge auf diesem Gebiet wurde er 2016 vom Europäischen Forschungsrat mit einem Consolidator Grant ausgezeichnet. Der Preis war mit rund zwei Millionen Euro dotiert; das Geld fließt in Studien über Herpesviren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Lars Dölken, Lehrstuhl für Virologie, Universität Würzburg, T +49 931 31-88185, lars.doelken@uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Florian Erhard, Juniorprofessur für Systemvirologie, Universität Würzburg, T +49 931 31-86523, florian.erhard@uni-wuerzburg.de
Originalpublikation:
Integrative functional genomics decodes herpes simplex virus 1. Nature Communications, 27. April 2020, DOI: 10.1041467-020-15992-5-5
Ergänzung vom 24.04.2020
Der in der Pressemitteilung genannte DOI ist nicht korrekt. Richtig muss es heißen: 10.1038/s41467-020-15992-5
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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