01.07.2020 10:00
Krebsimmuntherapie bei Leukämie – Wie das körpereigene Abwehrsystem gestärkt werden kann
Wichtiger Baustein in der Behandlung von Leukämien ist zunächst die unspezifische Abtötung von Krebszellen durch Chemotherapie. In manchen Fällen wird sie ergänzt durch eine Stammzelltransplantation, bei der das Abwehrsystem des Spenders zur Krebsbekämpfung beiträgt. Dennoch erleiden ca. 30 bis 40 Prozent der Betroffenen einen Rückfall. Einen vielversprechenden Weg bietet seit einiger Zeit die Krebsimmuntherapie. In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt haben Forscher um Simone Thomas vom Universitätsklinikum Regensburg nun einen neuen Therapieansatz entwickelt, der das Immunsystem stärken und Leukämiepatienten zukünftig eine Chance auf Heilung eröffnen kann.
Die Leukämie ist eine bösartige Neubildung (Krebs) von blutbildenden Zellen des Knochenmarks, welche ungehindert wachsen und die gesunde Blutbildung verdrängen. Ein wesentlicher Baustein der Therapie von Leukämien ist die Chemotherapie, die eine unspezifische Abtötung von Krebszellen bewirkt. Um die Chancen auf Heilung zu verbessern, ist bei manchen Patienten zusätzlich zur Chemotherapie eine sogenannte hämatopoetische Stammzelltransplantation notwendig. Hierbei wird neben der gesamten Blutbildung (Hämatopoese) auch das Abwehrsystem eines gesunden Spenders auf den Patienten übertragen, sodass dieses zur Bekämpfung der Leukämie beitragen kann. Das Abwehrsystem – auch Immunsystem genannt – schützt den Körper natürlicherweise vor Infektionen. Es ist prinzipiell aber auch in der Lage, bösartige Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Da eine solche Immunantwort gegen Leukämiezellen jedoch nicht bei allen Patienten ausreichend gut funktioniert, erleiden ca. 30 bis 40 Prozent der Betroffenen nach einer Stammzelltransplantation einen Rückfall ihrer Erkrankung.
Daher suchen Forscher weltweit nach Strategien, die das Immunsystem nach einer Stammzelltransplantation gegen die Leukämie stärken. Einen vielversprechenden Weg bietet die sogenannte Krebsimmuntherapie. Hierbei stehen bestimmte weiße Blutkörperchen – die T-Zellen – im Zentrum des Interesses, welche als Hauptvermittler der anti-Tumor-Antwort gelten. Bei dieser neuartigen Therapie werden die T-Zellen des Patienten mit speziellen Sensoren ausgestattet, mit deren Hilfe sie bestimmte Eiweißbausteine (Antigene) auf den Krebszellen erkennen und diese schließlich zerstören können (vgl. Abbildung „Schema Krebsimmuntherapie“). Für bestimmte Formen von Blutkrebs wie diffus großzellige B-Zell-Lymphome (DLBCL) und akute lymphatische Leukämien (ALL) sind solche Krebsimmuntherapien bereits als Medikamente zugelassen und eröffnen Patienten eine Chance auf Heilung, wo andere Krebstherapien versagen. Für Patienten mit akuten myeloischen Leukämien (AML) befinden sich Krebsimmuntherapien noch in der Entwicklung.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
PD Dr. Simone Thomas und ihr Team von Wissenschaftlern von der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Regensburg beschäftigen sich intensiv mit der Entwicklung von Krebsimmuntherapien zur Behandlung von Leukämierückfällen nach einer Stammzelltransplantation. Im Rahmen eines von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojektes statteten die Forscher T-Zellen gesunder Spender im Labor mit speziellen Leukämie-erkennenden Rezeptoren aus. Diese T-Zell-Rezeptoren identifizieren auf der Leukämiezelle sogenannte HLA-DP-Antigene. HLA-DP-Antigene sind bestimmte Eiweiße, die dem Immunsystem helfen, Krebszellen als fremd oder körpereigen zu unterscheiden und dementsprechend gezielt abzutöten (vgl. Abbildung „Erkennung von Leukämiezellen durch T-Zellen“). Ihre jüngst in der renommierten Fachzeitschrift Cells (Klobuch S et al. Cells 9(5):1264, 2020) publizierten Forschungsergebnisse zeigen, dass die Ausstattung von T-Zellen mit HLA-DP-erkennenden T-Zell-Rezeptoren, diese dauerhaft in ihrer Erkennung von Leukämiezellen stärkt. Die Wissenschaftler um Simone Thomas konnten zudem zeigen, dass T-Zellen in der Lage sind, Leukämiezellen sowohl in der Laborschale als auch im Mausmodell zu eliminieren. Da HLA-DP-Gewebemerkmale nicht nur auf Leukämiezellen, sondern unter bestimmten Umständen auch auf gesunden Gewebezellen vorkommen können, untersuchte das Team weiterhin, ob mit den spezifischen T-Zell-Rezeptoren ausgestattete T-Zellen auch gesunde Zellen angreifen, da dies im Patienten möglicherweise zu erheblichen Nebenwirkungen führen könnte. Die Ergebnisse zeigten, dass einige HLA-DP-erkennende T-Zell-Rezeptoren neben Leukämiezellen auch gesundes Gewebe angreifen, während andere nur Leukämiezellen erkennen. Um eine HLA-DP-gerichtete Immuntherapie dennoch sicher für den Patienten zu machen, sollen in nachfolgenden Studien entsprechende „Sicherheitsschalter“ entwickelt werden. Damit hoffen die Forscher, die Anwendung von HLA-DP-erkennenden T-Zellen hin zu einer klinischen Erprobung weiterentwickeln zu können.
Ergänzungen zu den Abbildungen
Abbildung „Schema Krebsimmuntherapie“:
T-Zellen des Stammzellspenders können mit Hilfe eines T-Zell-Rezeptors in ihrer Erkennung von Leukämiezellen gestärkt werden. Diese T-Zellen können dann nach Infusion in den Patienten Leukämiezellen gezielt erkennen und zerstören.
Abbildung „Erkennung von Leukämiezellen durch T-Zellen“:
T-Zellen können mit Hilfe ihres T-Zell-Rezeptors (TZR) fremde Eiweißbausteine (hier HLA-DP) auf Leukämiezellen erkennen und durch die Freisetzung von Abwehrstoffen die Leukämiezelle zerstören.
Porträtfoto PD Dr. Simone Thomas:
PD Dr. med. Simone Thomas, Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Regensburg sowie Forschungsgruppenleiterin „T-Zell-Rezeptor basierte Immuntherapien“ am RCI – Regensburger Centrum für Interventionelle Immunologie
Kontakt:
Henrike Boden
Wilhelm Sander-Stiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
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Fax: +49 (0) 89 544187-20
E-Mail: boden@sanst.de
Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses Forschungsprojekt in zwei Förderphasen und einer Gesamtförderdauer von drei Jahren mit insgesamt rund mit rund 214.000 Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt rund 245 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Matthias Dettenhofer
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Spitze in der Medizin. Menschlich in der Begegnung.
Das Universitätsklinikum Regensburg (UKR) versorgt jährlich etwa 35.500 Patienten stationär sowie ca. 154.000 ambulant. Hierfür hält das UKR 839 Betten und 52 tagesklinische Behandlungsplätze bereit (von insgesamt 1.087 universitär betriebenen Betten der Fakultät für Medizin der Universität Regensburg). In 29 human- und zahnmedizinischen Kliniken, Polikliniken, Instituten und Abteilungen beschäftigt das Universitätsklinikum Regensburg mehr als 4.900 Mitarbeiter.
Ausgerichtet ist das Universitätsklinikum Regensburg auf Hochleistungsmedizin, insbesondere in den Gebieten der Transplantations- und Intensivmedizin sowie onkologischer und kardiovaskulärer Erkrankungen. Bei der durchschnittlichen Fallschwere („Case-Mix-Index“) liegt das UKR an der Spitze der deutschen Universitätsklinika. Neben der Patientenversorgung der höchsten Versorgungsstufe ist das UKR gemeinsam mit der Fakultät für Medizin der Universität Regensburg für die Ausbildung von rund 2.150 Studierenden (Human- und Zahnmedizin) sowie für die medizinische Forschung verantwortlich. Gemeinsames Ziel aller Mitarbeiter sind die optimale medizinische und pflegerische Versorgung der Patienten sowie ein wertschätzendes Miteinander im Team.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
PD Dr. med. Simone Thomas
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E-Mail: simone.thomas@ukr.de
https://www.ukr.de/kliniken-institute/haematologie-onkologie/Klinikteam___Mitarb…
https://www.rcii.de/forschung/forschergruppen-klinische-kooperationsgruppen-emer…
Originalpublikation:
Klobuch S, Hammon K, Vatter-Leising S, et al. HLA-DPB1 Reactive T Cell Receptors for Adoptive Immunotherapy in Allogeneic Stem Cell Transplantation. Cells. 2020;9(5):1264. Published 2020 May 20. doi:10.3390/cells9051264
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7290340/
Weitere Informationen:
https://wilhelm-sander-stiftung.de/
https://www.ukr.de/
Anhang
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch