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04.07.2023 13:56
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Meilenstein in der Behandlung von Blutarmut bei Altersleukämie
Bei Menschen mit einer meist gutmütigen Form der Altersleukämie, einer Gruppe von Erkrankungen namens Myelodysplastische Neoplasien (MDS), produziert der Körper zu wenig funktionstüchtige Blutzellen. Die Betroffenen leiden an einer Anämie, im Volksmund „Blutarmut“ genannt, die eine Vorstufe zur akuten Leukämie sein kann. Mit Luspatercept, einem von der Standardtherapie abweichenden Wirkstoff, können der Hämoglobinwert von MDS-Patient:innen verbessert und Bluttransfusionen vermieden werden. Darauf deutet eine internationale klinische Studie unter Federführung von Prof. Dr. Uwe Platzbecker von der Universitätsmedizin Leipzig gemeinsam mit einem großen internationalen Forschungsteam hin.
Jedes Jahr werden allein in Deutschland rund 4000 Menschen mit Myelodysplastischen Neoplasien (MDS) diagnostiziert. Bei diesen Patient:innen ist die gesunde Ausreifung der Blutzellen beeinträchtigt, was zu Blutarmut, Infektionen und einer verstärkten Blutungsneigung führen kann. Die sogenannten Hochrisiko-MDS sind durch einen raschen Verlauf, schwerwiegende Symptome und häufig durch einen Übergang in eine akute Leukämie und damit eine geringe Lebenserwartung gekennzeichnet.
Patient:innen, die in die Niedrigrisiko-Kategorie der MDS fallen, befinden sich zunächst nicht in einer akut lebensbedrohlichen Situation, leiden aber häufig an einer ausgeprägten Blutarmut. Diese entsteht durch einen Mangel an ausgereiften und funktionstüchtigen roten Blutkörperchen. Sie äußert sich insbesondere durch eine verringerte Leistungsfähigkeit sowie extreme Abgeschlagenheit und Müdigkeit, welche die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Oft kann diese Anämie nur durch regelmäßige Bluttransfusionen ausreichend therapiert werden. Ein gewisser Anteil an Patient:innen profitiert zwar vor oder neben Bluttransfusionen von einer Therapie mit Epoetin alfa, dem aktuell einzigen als Standard angesehenen Wirkstoff. Allerdings eignen sich aufgrund bestimmter biologischer Parameter nicht alle Betroffenen für diese Therapie, und der Effekt ist meist nicht von Dauer.
In einer aktuellen internationalen Studie zeigt der Wirkstoff Luspatercept gegenüber Epoetin alfa deutlich bessere Ergebnisse im Rahmen einer ersten medikamentösen Therapie von Niedrigrisiko-MDS-Patient:innen. Prof. Dr. Uwe Platzbecker, Direktor der Klinik für Hämatologie, Zelltherapie, Hämostaseologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Leipzig, der das klinische Forschungsprojekt federführend mitentwickelt hat, stellte diesen Meilenstein kürzlich auch auf dem europäischen Hämatologen-Kongress in Frankfurt vor. „Die Ergebnisse dieser ersten Analyse der COMMANDS-Studie werden den Behandlungsalgorithmus von transfusionspflichtigen Niedrigrisiko-Patient:innen mit MDS prägen und Luspatercept in dieser Gruppe voraussichtlich als Erstlinientherapieoption etablieren“, erläutert Prof. Platzbecker, Erstautor der aktuellen Publikation, die im hochrangigen Journal „The Lancet“ veröffentlicht worden ist.
Die Ergebnisse beruhen auf einer Zwischenanalyse: Es wurden Daten von 147 Studienteilnehmer:innen, die Luspatercept erhielten, und von 154 Studienteilnehmer:innen, die der Epoetin alfa-Kohorte zugewiesen waren, ausgewertet. Das Studienziel war die Vermeidung von Bluttransfusionen über einen Zeitraum von zwölf Wochen und der Anstieg des Hamöglobinwertes um mindestens 1,5 Punkte. Dabei erreichte eine deutlich höhere Anzahl an Patient:innen mit dem Wirkstoff Luspaterecpt, insgesamt 59 Prozent, den sogenannten primären Endpunkt. Im Vergleich dazu wurde das Studienziel von lediglich 31 Prozent der Epoetin alfa Gruppe erreicht.
Die COMMANDS-Studie ist als offene, randomisierte Phase 3-Studie konzipiert und wird an insgesamt 142 Zentren in 26 Ländern durchgeführt. Die eingeschlossenen Patient:innen müssen zum Zeitpunkt des Studienbeginns einen Transfusionsbedarf gegenüber roten Blutkörperchen aufweisen und dürfen darüber hinaus noch keine medikamentöse Therapie erhalten haben. Prof. Platzbecker beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit klinischer Forschung zu Myelodysplastischen Neoplasien. Die COMMANDS-Studie schließt sich an ein umfassendes Studienprogramm zum Wirkstoff Luspatercept an, das medizinisch-wissenschaftlich maßgeblich von Prof. Platzbecker in Zusammenarbeit mit dem Hersteller vorangetrieben wurde. Die aktuelle klinische Studie wurde von Celgene und Acceleron Pharma gesponsert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Uwe Platzbecker
Direktor Klinik für Hämatologie, Zelltherapie, Hämostaseologie und Infektiologie, Universitätsklinikum Leipzig
Professor für Hämatologie, Universität Leipzig
Telefon: +49 341 97 13 050
E-Mail: Uwe.Platzbecker@medizin.uni-leipzig.de
Originalpublikation:
Originalpublikation in The Lancet:
Efficacy and safety of luspatercept versus epoetin alfa in erythropoiesis-stimulating agent-naive, transfusion-dependent, lower-risk myelodysplastic syndromes (COMMANDS): interim analysis of a phase 3, open-label, randomised controlled trial. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00874-7
Bilder
Das Studienziel war die Vermeidung von Bluttransfusionen über einen Zeitraum von zwölf Wochen.
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Prof. Dr. med. Uwe Platzbecker
Stefan Straube
Universitätsklinikum Leipzig
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch