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02.06.2023 12:00
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Neutronen zeigen, wie Fertigspritzen verstopfen
Injektionsnadeln vorgefüllter Fertigspritzen können bei falscher Lagerung verstopfen. Ein Forschungsteam hat den Prozess detailliert und systematisch untersucht, unter anderem an der Forschungs-Neutronenquelle FRM II der Technischen Universität München (TUM). Die Ergebnisse sollen dabei helfen, die Herstellung und Lagerungsbedingungen entsprechend anpassen zu können.
Vorgefüllte Fertigspritzen sind einfach zu handhaben und ermöglichen eine exakte Dosierung. Patient:innen können sich ihr Medikament daher ohne Probleme selbst spritzen. Sie sind bei so verschiedenen Krankheiten wie Asthma, Krebs oder auch chronischen entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn nicht mehr aus der Therapie wegzudenken. Doch die Fertigspritzen funktionieren nicht immer einwandfrei, die Injektionsnadeln können während der Lagerung verstopfen, was zu Fehldosierungen bei der Injektion führen kann.
Neutronen zeigen Flüssigkeit in Nadelspitze
„Dieses Problem steht weltweit im Fokus der Pharma-Hersteller und der Zulassungsbehörden“, sagt Prof. Stefan Scheler. Er arbeitet für die technische Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Schweizer Pharmaunternehmens Novartis und lehrt an der Hochschule Kaiserslautern Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie.
Scheler und sein Kollege Dr. Alexander Zürn haben eine detaillierte und systematische Studie angefertigt, die die Vorgänge beim Verstopfen der Nadeln mathematisch modelliert und so ein besseres Verständnis für die Hintergründe dieses unerwünschten Prozesses schafft. Dazu nutzten die Forschenden auch die Neutronen-Radiografieanlage ANTARES der TUM am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching.
Gutes Bild trotz geringem Nadeldurchmesser
„Röntgenstrahlen können das Metall der Nadel nur unzureichend durchdringen“, erklärt Dr. Michael Schulz, der für die TUM die Neutronenmessungen an der Radiografieanlage geleitet hat. „Neutronen hingegen durchdringen das Metall und zeigen zudem einen guten Kontrast zwischen Wasser und Luft.“
Genau darauf kam es den Wissenschaftlern an. Eine Schwierigkeit war dabei nicht zuletzt der geringe Innendurchmesser der Spritzennadeln, der nur etwa 0,2 mm beträgt. Der Detektor des ANTARES-Gerätes war jedoch in der Lage, luft- und flüssigkeitsgefüllte Segmente im Innern klar unterscheidbar und in guter Auflösung darzustellen.
Wirkstofflösungen verfestigen sich in der Nadel
27 verschieden behandelte Fertigspritzen haben die Forschenden durchleuchtet. So wurden manche etwa Temperaturschwankungen ausgesetzt, statt sie vorschriftsgemäß im Kühlschrank zu lagern. Auch Schütteln und Druckschwankungen, zur Simulation von Luftfrachttransporten, sowie unterschiedlich lange Lagerungszeiten untersuchten die Pharmazeuten.
„Die Neutronenexperimente haben uns eindeutig gezeigt, unter welchen Bedingungen Flüssigkeit in die Nadel dringt“, sagt Scheler. Ein Überdruck im Spritzeninneren gegenüber der Umgebungsluft führt zu einem schnelleren Verstopfen. Auch die Lagerdauer und hohe Temperaturen wirken sich negativ aus.
Nadelverstopfungen könnten in Zukunft ein wachsendes Problem darstellen
„Dass Nadeln verstopfen, könnte in Zukunft öfter passieren“, prophezeit Scheler. Denn um auch hohe Wirkstoffdosen in kleinen Volumina subcutan verabreichen zu können, werden die Wirkstoffkonzentrationen in den Spritzen immer höher gewählt. Die Gefahr von Nadelverstopfungen steigt auf diese Weise.
„Wir arbeiten jetzt daran, das bereits im Herstellungsprozess zu verhindern“, sagt Scheler. Eine Möglichkeit sei es etwa, den Füllprozess zu ändern und einen leichten Unterdruck in der Spritze zu erzeugen, der den Eintritt von Flüssigkeit in die Nadel während der Lagerung verhindert. Um derartige Maßnahmen zu optimieren, könnten weitere Untersuchungen mit Neutronen durchgeführt werden.
Weitere Informationen:
An der Studie waren neben Angestellten der Novartis Pharma AG und Sandoz GmbH Forschende der Hochschule Kaiserslautern und der Technischen Universität München beteiligt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Michael Schulz
Technische Universität München
Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II)
Tel. +49 89 289 14718
michael.schulz@frm2.tum.de
www.frm2.tum.de
Originalpublikation:
Stefan Scheler, Simon Knappke, Michael Schulz, Alexander Zuern, Needle clogging of protein solutions in prefilled syringes: A two-stage process with various determinants, European Journal of Pharmaceutics and Biopharmaceutics, Volume 176, 2022, Pages 188-198, ISSN 0939-6411
https://doi.org/10.1016/j.ejpb.2022.05.009
Weitere Informationen:
https://mediatum.ub.tum.de/1712197 Fotos zum Download
Bilder
Dr. Michael Schulz untersucht die Spritzen an der Neutronen-Radiografieanlage ANTARES am FRM II.
Astrid Eckert / TUM
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch