02.07.2020 16:34
Wirkung von Pharmako- und Psychotherapie bei einzelnen Depressions-Symptomen
Studie untersucht Unterschiede zwischen Therapieformen
Depressive Patienten leiden an sehr unterschiedlichen Symptomen: im Vordergrund stehen die gedrückte Stimmung sowie Freudlosigkeit und Interessensverlust. Mit der Erkrankung einhergehen allerdings auch viele andere Symptome wie zum Beispiel Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Schuldgefühle oder Schlafprobleme. Diese Vielfalt führt dazu, dass das Symptomprofil der Patienten individuell sehr unterschiedlich ist. Für die Behandlung der Depression spielt diese Individualität bislang allerdings kaum eine Rolle. Die am besten nachgewiesene Therapie setzt sich aus der Kombination von Medikamenten und Psychotherapie zusammen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI) haben nun erstmals nachgewiesen, dass sich beide Therapieformen in der akuten Behandlung einzelner Symptome nicht unterscheiden.
Die Forscher des MPI haben zusammen mit einem weltweiten Team Studiendaten von über 1000 Patienten aus vier Kontinenten zusammengeführt und mit einer eigens dafür entwickelten Methode 42 verschiedene Symptome analysiert. Sie stellten fest, dass keine Therapieform der anderen über- oder unterlegen ist, weder Medikamente noch Psychotherapie wirkt bei einzelnen Symptomen besser oder schlechter als die andere Variante.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Unsere Ergebnisse bieten zwar keine neuen Strategien zur Therapieauswahl“, resümiert Studienleiter Nils Kappelmann vom MPI, „aber sie liefern uns die wichtige Erkenntnis, dass wir bei der Entscheidung zwischen Psychotherapie und Medikation aktuell keine Chance verpassen. Das ist besonders dann wichtig, wenn die Kombination von Psychotherapie und Medikamenten aus medizinischen Gründen, persönlichen Präferenzen oder einfach durch begrenzte Ressourcen nicht möglich ist.“
Von der Symptom- zur Biologie-basierten Therapie
Ziel der Wissenschaftler bleibt, eine individuell angepasstere Therapie zu entwickeln. „Biologische Parameter sagen vielleicht mehr über den Erfolg einer Therapieform aus als einzelne Symptome“, sagt Neurowissenschaftlerin und MPI-Direktorin Elisabeth Binder. Die derzeitigen symptom-basierten Diagnosen und Therapien unterscheiden Patienten mit unterschiedlichen biologischen Auffälligkeiten noch nicht. Patienten, die heute noch mit derselben Erkrankung diagnostiziert werden, aber spezifische Störungen wie der biologischen Stressreaktion oder des Immunsystems aufweisen, könnten vielleicht zukünftig von personalisierten Therapieansätzen profitieren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Nils Kappelmann, nils_kappelmann@psych.mpg.de
Originalpublikation:
BMC Medicine, 5/2020
https://bmcmedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12916-020-01623-9
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
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