Putzfimmel im Gehirn

Putzfimmel im Gehirn


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26.05.2020 14:58

Putzfimmel im Gehirn

Synapsen bestehen aus Hunderten verschiedener Proteine. Damit sie Hirnsignale richtig übertragen können, müssen ihre Bausteine ständig auf Funktionalität überprüft und bei Verschleiß durch neue ersetzt werden. Ein Forscherteam des Leibniz-Institutes für Neurobiologie Magdeburg, vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen und der Charité in Berlin hat untersucht, wie sich die Funktionsweise von Synapsen im Gehirn entwickelt, wenn das wichtige Synapsen-Protein Bassoon fehlt. Sie fanden heraus, dass der Recycling-Prozess von Synapsenbausteinen dann viel schneller abläuft, weil ein Enzym namens Parkin aktiviert wird, das bei der Parkinson-Krankheit eine wichtige Rolle spielt.

Bisher war über das Enzym Parkin bekannt, dass der Ausfall seiner Funktion zur Parkinson-Erkrankung, auch als Schüttellähmung bekannt, führt. Dabei reichern sich Aggregate von Proteinen im Hirngewebe an, die nicht mehr abgebaut werden können, was – wie immer, wenn sich zu viel Müll ansammelt – normale Funktionen beeinträchtigt und schließlich zum kompletten Funktionsausfall durch den Zelltod führt.

Aufräumen in der Synapse

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Das Autorenteam um Dr. Carolina Montenegro und Prof. Dr. Eckart Gundelfinger vom LIN sowie Dr. Sheila Hoffmann-Conaway und Prof. Dr. Craig C. Garner vom DZNE zeigt in der neuen Studie, dass nach der Ausschaltung des Bassoon-Proteins genau das Gegenteil passiert: der „Synapsen-Müll“ wurde schneller abgeholt und die aktiven Proteine waren jünger als in den vergleichbaren Kontrollen. Um das herauszufinden, haben die Forschenden einem der zu entsorgenden Proteine namens SV2 farblich markierte Anhänger verpasst, die ihre Farbe mit zunehmendem Alter ändern – ein Marker für die neuronalen Entsorgungsprozesse. Das SV2-Protein gelangt in synaptische Vesikel, die kleinen Container, die die Botenstoffe enthalten und bei der synaptischen Übertragung ausgeschüttet werden. Anhand des Farbwechsels kann der Alterungsprozess des aktiven Proteins beobachtet werden. Unter dem Elektronenmikroskop zeigten sich weitere Hinweise auf verstärkte Entsorgung von zellulärem Müll – ein Prozess der Autophagie heißt, z.B. eine größere Anzahl von „Müllcontainern“, so genannte Autophagosomen. Die Autoren konnten zeigen, dass in Synapsen ohne Bassoon mehrere Proteine verstärkt für den Abbau markiert wurden. Wurde aber das bei Parkinson defekte Protein Parkin ausgeschaltet, so konnte diesem Prozess entgegengewirkt werden.

Was lernen wir aus diesen Versuchen?

Synapsen mit verändertem Bassoon sind schwächer und können sich nicht so leicht an Veränderungen anpassen, was aber für die Hirnplastizität essentiell ist. „Wir verstehen durch unsere Versuche die Prozesse in den Synapsen, die für das korrekte Funktionieren des gesunden Gehirns unerlässlich sind, besser“ sagt Dr. Carolina Montenegro. „Alle wichtigen Hirnprozesse, Wahrnehmen, Denken, Lernen, Erinnern, Planen für unser Handeln, also die gesamte Informationsverarbeitung, werden durch Synapsen bestimmt. Im Alter verändert sich die Funktionsweise, auch weil solche Müllentsorgungsprozesse nicht mehr richtig funktionieren. Besonders bei Erkrankungen des Gehirns, wie bei der Alzheimerschen oder der Parkinson-Erkrankung, tragen Störungen im Gleichgewicht von Proteinanlieferung und -Entsorgung zu den kognitiven Problemen bei. Um diese Erkrankungen zu verstehen, und vielleicht sogar zielgerichteter eingreifen zu können, müssen wir genau wissen, was schiefgeht, wenn ein Protein bzw. sein Gen falsch oder gar nicht funktioniert.“

Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg

Das LIN ist ein Grundlagenforschungsinstitut, das sich Lern- und Gedächtnisprozessen im Gehirn widmet. Das LIN wurde 1992 als Nachfolgeeinrichtung des Institutes für Neurobiologie und Hirnforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR gegründet und ist seit 2011 Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es bildet einen der Eckpfeiler des Neurowissenschaftsstandortes Magdeburg. Das LIN beherbergt moderne Labore für die neurowissenschaftliche Forschung – vom Hightech-Mikroskop bis zum Kernspintomographen.
Aktuell arbeiten rund 230 Personen am LIN, davon ungefähr 150 Wissenschaftler aus rund 28 Ländern. Sie erforschen kognitive Prozesse und deren krankhafte Störungen im Gehirn von Mensch und Tier


Originalpublikation:

https://elifesciences.org/articles/56590


Weitere Informationen:

http://elifesciences.org/articles/56590


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW