Raffiniertes Schwarmverhalten: Bakterien unterstützen sich über Generationen hinweg



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21.11.2023 10:01

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Raffiniertes Schwarmverhalten: Bakterien unterstützen sich über Generationen hinweg

Bakterien leben nicht nur in Gemeinschaften. Sie kooperieren dabei sogar miteinander und versorgen sich gegenseitig über Generationen hinweg mit Nährstoffen. Dies konnten Forschende der Universität Basel nun erstmals mit Hilfe einer neu entwickelten Methode zeigen. Diese Methode ermöglicht es, die Genexpression während der Entstehung von Bakteriengemeinschaften über Raum und Zeit mitzuverfolgen.

In der Natur leben Bakterien meist in Gemeinschaften zusammen. Als Kollektiv bewohnen sie unseren Darm, auch als Darmmikrobiom bekannt, oder bilden Biofilme wie beim Zahnbelag. Den einzelnen Mikroben bietet das Zusammenleben viele Vorteile. Sie können widrigen Umweltbedingungen besser trotzen, erobern gemeinsam neue Territorien und profitieren dabei voneinander.

Beobachtung in Raum und Zeit

Die Bildung solcher Bakteriengemeinschaften ist ein hochkomplexer Vorgang, bei dem dreidimensionale Gebilde aus Bakterien entstehen. In ihrer aktuellen, in «Nature Microbiology» publizierten Studie, hat das Team von Prof. Dr. Knut Drescher vom Biozentrum der Universität Basel nun die Entstehung von Bakterienschwärmen genauer untersucht.

Ihnen ist dabei ein methodischer Durchbruch gelungen, mit dem sie nun erstmals die Genexpression mitverfolgen konnten und gleichzeitig das Verhalten der einzelnen Zellen filmen konnten, während sich mikrobielle Gemeinschaften räumlich und zeitlich entwickeln.

Bakterien versorgen nachfolgende Generationen

Als Modellorganismus diente den Forschenden Bacillus subtilis. «Dieses weit verbreitete Bakterium ist auch Teil unserer Darmflora. Unsere Beobachtungen zeigten, dass diese im Kollektiv-lebenden Bakterien über mehrere Generationen hinweg miteinander kooperieren», erklärt Studienleiter Knut Drescher. «Frühere Generationen hinterlassen dabei Stoffwechselprodukte für die Nachkommen.»

Wie sich zudem herausstellte, gibt es innerhalb eines Bakterienschwarms verschiedene Subpopulationen. Diese produzieren und nutzen unterschiedliche Stoffwechselprodukte. Die Art der verfügbaren Stoffe wiederum beeinflusst die Ausbreitung beziehungsweise das Schwarmverhalten der Bakterien.

Aufgabenverteilung innerhalb der Gemeinschaft

Die Forschenden machten sich die Kombination von modernster Mikroskopie, genetischer Analysen und automatisierter Probennahme zu Nutze. So konnten sie zu bestimmten Zeitpunkten an genau definierten Orten die Genexpression und das Verhalten der Bakterien genau untersuchen und bestimmen, welche Stoffe die Bakterien ausscheiden. Der Bakterienschwarm liess sich so in drei grosse Regionen einteilen: die Schwarmfront, die Zwischenregion und das Zentrum. Die Übergänge sind jedoch fliessend.

«Je nach Region unterscheiden sich die Bakterien sowohl im Aussehen, den Eigenschaften als auch im Verhalten voneinander», erklärt Erstautorin Hannah Jeckel. «Während sie an den Rändern zumeist beweglich sind, bilden die Bakterien im Zentrum lange, unbewegliche Fäden und lagern sich zu einem 3D-Biofilm zusammen.» Ein Grund sei das unterschiedliche Platz- und Nährstoffangebot. Durch die räumliche Verteilung der Bakterien mit unterschiedlichen Eigenschaften könne die Bakteriengemeinschaft expandieren und sich gleichzeitig im schützenden Biofilm verschanzen. Dieser Prozess scheint bei Bakteriengemeinschaften weit verbreitet und wichtig für ihr Überleben zu sein.

Neue Technik

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die Komplexität und Dynamik innerhalb bakterieller Gemeinschaften und zeigen, dass die einzelnen Bakterien miteinander interagieren und sich kooperativ verhalten – zugunsten der Community. Die räumlichen und zeitlichen Komponenten spielen somit eine zentrale Rolle, wenn mikrobielle Gemeinschaften entstehen und sich etablieren.

Ein Meilenstein dieser Arbeit ist, dass die Forschenden erstmals eine Technik entwickelt haben, mit der umfassende raum-zeitliche Datensätze von einem vielzelligen Prozess aufgenommen werden können. Und dies in einer so hohen Auflösung wie es sie bis jetzt für kein anderes biologisches System gibt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Knut Drescher, Universität Basel, Biozentrum, E-Mail: knut.drescher@unibas.ch


Originalpublikation:

Hannah Jeckel, Kazuki Nosho, Konstantin Neuhaus, Alasdair D. Hastewell, Dominic J. Skinner , Dibya Saha, Niklas Netter, Nicole Paczia, Jörn Dunkel & Knut Drescher: Simultaneous spatiotemporal transcriptomics and microscopy of Bacillus subtilis swarm development reveal cooperation across generations. Nature Microbiology, doi: 10.1038/s41564-023-01518-4


Weitere Informationen:

https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Bakterien-unterstuetzen-sich-…


Bilder

Schwarm von Bacillus subtilis Bakterien auf einer Agarplatte.

Schwarm von Bacillus subtilis Bakterien auf einer Agarplatte.

Biozentrum, Universität Basel


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW