Tiefe Hirnregionen gezielt stimulieren und motorische Lernleistung verbessern



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27.10.2023 11:40

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Tiefe Hirnregionen gezielt stimulieren und motorische Lernleistung verbessern

Neue nicht-invasive tiefe Hirnstimulationsmethode erstmals am Menschen eingesetzt

In einer aktuellen im Journal Nature Neuroscience publizierten Studie weist Dr. Maximilian Wessel vom Uniklinikum Würzburg (UKW) zusammen mit einem internationalen Forschungskonsortium unter Führung der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) erstmalig die erfolgreiche nicht-invasive elektrische temporale Interferenzstimulation (tTIS) einer tiefen Hirnregion nach.
Mit der tTIS-Hirnstimulationsmethode lassen sich die Rolle und Arbeitsweise von Tiefenhirnnetzwerkknoten für das Verhalten allgemein und konkret bei neurologischen Erkrankungen entschlüsseln.

Würzburg. Unser Gehirn ist ein äußerst komplexes Organ mit rund 86 Milliarden Nervenzellen, die über ein Netzwerk von mehr als einer Trilliarde Synapsen miteinander kommunizieren und so Signale weitergeben, damit wir fühlen, denken, handeln und uns bewegen können. Die Steuerung dieser Funktionen kann jedoch durch neurologische oder psychiatrische Erkrankungen wie der Parkinson-Erkrankung, nach einem Schlaganfall oder bei einer Depression beeinträchtigt werden. Einen vielversprechenden Ansatz in der Erforschung und Behandlung dieser Funktionsstörungen bietet die nicht-invasive Hirnstimulation (NIBS für non-invasive brain stimulation), bei der mit sanften elektrischen oder magnetischen Impulsen bestimmte Bereiche des Gehirns aktiviert oder gehemmt werden können.

Fokale nicht-invasive Stimulation entscheidender tiefer Hirnregionen

„Allerdings war es bisher nicht möglich, mittels herkömmlicher NIBS-Techniken tiefe Hirnregionen zielgenau zu stimulieren ohne darüber gelegene Hirnbereiche mit zu erfassen“, berichtet Dr. Maximilian Wessel. Der Clinician Scientist in der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist Erstautor einer neuen vielversprechenden Studie zur nicht-invasiven elektrischen temporalen Interferenzstimulation (tTIS für Transcranial electrical temporal interference stimulation (tTIS), welche diese bisherige Einschränkung überwinden kann und damit den bisherigen Anwendungsbereich revolutionieren könnte. Die innovative Technik wurde zunächst durch Computersimulationen und Studien am Mausmodell entwickelt und nun erstmalig am Labor von Prof. Friedhelm Hummel (EPFL) beim Menschen eingesetzt. Im renommierten Journal Nature Neuroscience beschreibt Maximilian Wessel mit einem internationalen Autorenteam, wie die Theta-Burst-Stimulation des so genannten Striatums dessen Aktivität sowie das damit verbundene Erlernen motorischer Fähigkeiten verbessern kann.

Aktivität der Zielregion mittels tTIS verbesserte motorische Lernleistung

„Das Striatum ist eine wichtige Hirnstruktur und Teil des Basalgangliensystems, welches einen zentralen Knotenpunkt für die Verarbeitung von Bewegung, Emotionen und kognitiven Funktionen darstellt“, erläutert Maximilian Wessel das Zielgebiet. Tatsächlich ergab die Bildanalyse der funktionellen MRT-Daten von 15 jungen gesunden Studienteilnehmenden, dass die Aktivität der Zielregion bei aktiver Hirnstimulation mittels tTIS im Vergleich zur Kontrollstimulation während einer motorischen Lernaufgabe zunahm. Bei einer Gruppe älterer gesunder Probandinnen und Probanden führte die aktive tTIS-Hirnstimulationsmethode zu einer signifikanten Verbesserung der motorischen Lernleistung.

Verarbeitungsprozesse im Gehirn besser verstehen und neue Behandlungsansätze entwickeln

„Die Studie schafft hiermit die Basis für weitere neurowissenschaftliche Anwendungen, um Verarbeitungsprozesse im Gehirn, die zum Beispiel Lernvorgängen oder Gedächtnisprozessen zugrunde liegen, besser zu verstehen. tTIS ergänzt ideal die bereits am Referenzzentrum in Würzburg unter der Leitung von Prof. Jens Volkmann in der klinischen Routine eingesetzte und etablierte konventionelle invasive tiefe Hirnstimulation (THS), bei der jedoch immer ein neurochirurgischer Eingriff nötig ist. Als neue nicht-invasive neurowissenschaftliche Methode wird tTIS für die Untersuchung von Krankheitsmechanismen bei neurologischen Erkrankung eine entscheidende Rolle spielen“, resümiert Maximilian Wessel. Damit hat er schon sein nächstes Forschungsvorhaben definiert: Mittels der tTIS-Hirnstimulatiosmethode die Mechanismen bei neurologischen Erkrankungen wie zum Beispiel motorische Lernvorgängen nach einem Schlaganfall oder unbalancierte Hirnwellen bei der Parkinson-Erkrankung, näher untersuchen. Der Würzburger Wissenschaftler ist davon überzeugt, dass sich mit tTIS in Zukunft neurotechnologie-basierte Behandlungsansätze entwickeln lassen, welche die Behandlung und Rehabilitationen nach neurologischen Erkrankungen maßgeblich unterstützen können.

„Ich freue mich sehr, dass die Forschungsstrukturen in Würzburg im Bereich der Neuromodulation so attraktiv sind, dass herausragende Nachwuchswissenschaftler wie Dr. Maximilian Wessel für den Standort gewonnen werden konnten“, ergänzt Jens Volkmann, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Maximilian Wessel, wessel_m(at)ukw.de


Originalpublikation:

Wessel, M.J., Beanato, E., Popa, T. et al. Noninvasive theta-burst stimulation of the human striatum enhances striatal activity and motor skill learning. Nat Neurosci (2023). https://doi.org/10.1038/s41593-023-01457-7


Bilder


Anhang

attachment icon Illustration der Zielstruktur (Striatum) bei der neuen nicht-invasiven Tiefen Hirnstimulationsmethode (tTIS), die das Erlernen einer handgebundenen motorischen Fertigkeit verbessert.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW