Tödliche Bakterieninfektion bei Schweinen entschlüsselt

Tödliche Bakterieninfektion bei Schweinen entschlüsselt


Teilen: 

04.06.2020 14:31

Tödliche Bakterieninfektion bei Schweinen entschlüsselt

Neugeborene Ferkel sterben oft qualvoll an einer Infektion mit einem Darmbakterium. Ein Team von Forschenden aus drei Fakultäten der Universität Bern hat nun herausgefunden, wie das Bakterium tödliche Darmblutungen auslöst. Damit ist ihnen ein Durchbruch in der tiermedizinischen Forschung gelungen. Jetzt öffnen sich vielversprechende Aussichten für Impfstoffe und Medikamente auch für Anwendung beim Menschen.

Das Bakterium Clostridium perfringens gehört zur grossen Gruppe der Clostridien, die verschiedene tödliche Erkrankungen bei Tieren und Menschen verursachen können. Clostridieninfektionen sind weit verbreitet. Gefährlich werden diese Bakterien dadurch, dass sie extrem starke Gifte (Toxine) produzieren, die gezielt Zellen des Wirtes schädigen. Gefürchtete Krankheiten, die durch Clostridien ausgelöst werden, sind beispielsweise Botulismus, Wundstarrkrampf, Gasbrand und Darminfektionen.

Die Gruppe um Horst Posthaus am Institut für Tierpathologie der Universität Bern erforscht eine Darminfektion bei Schweinen, die durch Clostridium perfringens ausgelöst wird. Bereits vor 10 Jahren konnten sie zeigen, dass das von den Bakterien gebildete Gift, das sogenannte Beta-Toxin, Blutgefässzellen zerstört und so zu den Blutungen im Darm der Ferkel führt. Bislang war jedoch ungeklärt, warum das Toxin genau diese Zellen und nicht andere angreift. Nun ist es Julia Bruggisser, Biochemikerin und Doktorandin am Institut für Tierpathologie, in einer interdisziplinären Zusammenarbeit über drei Fakultäten hinweg gelungen, das Rätsel um diesen Mechanismus zu lösen. Die Erkenntnisse der Studie wurden im Fachjournal «Cell Host & Microbe» publiziert.

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Ein Schlüssel-Molekül

Vor rund fünf Jahren stiess die Laborantin Marianne Wyder vom Institut für Tierpathologie auf ein Molekül mit dem Namen Platelet-Endothelial Cell Adhesion Molecule-1 (abgekürzt PECAM-1 oder auch CD31). Es befindet sich auf der Oberfläche von verschiedenen Zellen und spielt eine zentrale Rolle bei den Darmblutungen der Ferkel. Die eigentliche Aufgabe des CD31-Moleküls ist es, das Zusammenspiel zwischen Entzündungszellen und den Blutgefässen zu regeln. Es kommt vor allem auf Zellen vor, die sich auf der Innenseite von Blutgefässen befinden (sogenannte Endothelzellen).

Bei Experimenten fiel auf, dass sich CD31 und das Beta-Toxin fast identisch auf diesen Zellen verteilen. «Aus dieser ersten Beobachtung entstand unser Projekt», so Horst Posthaus. Julia Bruggisser vom Institut für Tierpathologie fand heraus, dass das von den Bakterien im Darm freigesetzte Gift an das CD31 andockt. Da das Beta-Toxin zu den Poren-bildenden Toxinen gehört, durchlöchert es in der Folge die Zellmembran und tötet die Endothelzellen. Dies führt zur Schädigung der Gefässe und den Blutungen im Darm.

Forscherinnen der Uni Bern schliessen sich zusammen

Wichtig für das Gelingen des Projektes war die Zusammenarbeit mehrerer Forschungsgruppen an der Universität Bern. «Für meine Forschung arbeite ich in drei Laboren an der Universität. Das ist zwar anspruchsvoll, aber ich lerne viel und vor allem macht es Spass», sagt Julia Bruggisser. Ausser in der Tierpathologie arbeitete sie auch mit der Gruppe von Britta Engelhardt (Theodor-Kocher Institut) sowie Christoph von Ballmoos (Departement für Biochemie) zusammen. «Sie hatten die richtigen Fragen und Ideen. Wir konnten unser Know-how über CD31 und bei uns entwickelte Methoden und Reagenzien in die Studie einbringen» so Britta Engelhardt. «Das hat perfekt gepasst», ergänzt Christoph von Ballmoos.

Bessere Vorbeugung und Medikamente

Die Entdeckung erlaubt es, bessere Impfstoffe zu entwickeln um die tödliche Erkrankung beim Schwein zu verhindern. «Wir wollen aber auch untersuchen, ob sich aus der Bindung des Beta-Toxins an das CD31 auf den Endothelzellen neue Therapieformen, zum Beispiel für Gefässerkrankungen bei Menschen entwickeln lassen. Hierfür haben wir bereits weitere Zusammenarbeiten innerhalb der Universität Bern gestartet», sagt Horst Posthaus.

Diese Studie wurde unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und durch ein Stipendium für internationale Studierende der Universität Bern.

Publikationsangaben:

Julia Bruggisser, Basma Tarek, Marianne Wyder, Philipp Müller, Christoph von Ballmoos, Guillaume Witz, Gaby Enzmann, Urban Deutsch, Britta Engelhardt, and Horst Posthaus: CD31 (PECAM-1) serves as the Endothelial Cell-Specific Receptor of Clostridium perfringens β-Toxin. Cell Host and Microbes, 4. Juni 2020, https://doi.org/10.1016/j.chom.2020.05.003


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PROF. DR. HORST POSTHAUS
Institut für Tierpathologie (ITPA), Universität Bern
Telefon: +41 31 631 23 99
E-Mail-Adresse: horst.posthaus@vetsuisse.unibe.ch


Originalpublikation:

Julia Bruggisser, Basma Tarek, Marianne Wyder, Philipp Müller, Christoph von Ballmoos, Guillaume Witz, Gaby Enzmann, Urban Deutsch, Britta Engelhardt, and Horst Posthaus: CD31 (PECAM-1) serves as the Endothelial Cell-Specific Receptor of Clostridium perfringens β-Toxin. Cell Host and Microbes, 4. Juni 2020, https://doi.org/10.1016/j.chom.2020.05.003


Weitere Informationen:

https://tinyurl.com/BakterienkrankheitSchweine


Anhang

attachment icon Medienmitteilung als PDF

Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Tier / Land / Forst
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW