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02.05.2023 14:21
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Trastuzumab-Deruxtecan: Vorteile auch bei HER2-low-Brustkrebs
Trastuzumab-Deruxtecan: Vorteile auch bei HER2-low-Brustkrebs
Für Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-low-Brustkrebs sieht das IQWiG teils einen beträchtlichen, teils einen erheblichen Zusatznutzen.
Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan ist für mehrere Anwendungsgebiete zugelassen. Seit März 2023 darf es auch als Monotherapie zur Behandlung von Erwachsenen mit inoperablem oder metastasiertem HER2-low-Brustkrebs eingesetzt werden, die in diesem Krankheitsstadium bereits eine Chemotherapie erhalten haben oder bei denen frühzeitig nach adjuvanter Chemotherapie ein Rezidiv aufgetreten ist. Die Behandlung mit Trastuzumab-Deruxtecan ist dabei die erste zugelassene Therapie, die auf Patientinnen mit HER2-low-Brustkrebs ausgerichtet ist. In einer frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nun untersucht, ob das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat diesem Personenkreis einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie bietet.
Das IQWiG sieht für Patientinnen ohne viszerale Erkrankung (also ohne Erkrankung der inneren Organe) einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen von Trastuzumab-Deruxtecan gegenüber einer Therapie nach ärztlicher Maßgabe und für Patientinnen mit viszeraler Erkrankung einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen. Ausschlaggebend für diese positive Bewertung sind jeweils Vorteile beim Gesamtüberleben.
Ob die beobachteten Effekte auf männliche Patienten übertragen werden können, bleibt unklar, weil an der ausschlaggebenden Studie nur zwei Männer teilnahmen.
Neue Kategorie: HER2-low-Tumoren
Brustkrebs wird als HER2-positiv bezeichnet, wenn die Tumorzellen sehr viele Rezeptoren des Typs HER2 haben, an denen Wachstumsfaktoren andocken, die die Zellteilung anregen. Mammakarzinome mit einer niedrigen HER2-Expression wurden bisher als HER2-negativ klassifiziert und deshalb in Studien zur zielgerichteten Anti-HER2-Therapie nicht eingeschlossen. In die Studie DESTINY-Breast04 wurden jetzt aber auch Patientinnen und Patienten mit HER2-low-Tumoren eingeschlossen – und Trastuzumab-Deruxtecan zeigte auch für diese Betroffenen eine Wirkung, sodass die Zulassung entsprechend erweitert wurde.
Grundlage für die frühe Nutzenbewertung war die Zulassungsstudie DESTINY-Breast04: eine randomisierte kontrollierte Studie (Randomized controlled Trial = RCT) mit 555 Patientinnen und zwei Patienten, in der Trastuzumab-Deruxtecan mit einer Therapie nach ärztlicher Maßgabe verglichen wird (hier: Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin, Paclitaxel oder Nab-Paclitaxel).
Längeres Gesamtüberleben und bessere Lebensqualität
Der Vorteil der Behandlung mit Trastuzumab-Deruxtecan bei Patientinnen mit HER2-low-Tumoren zeigt sich in der DESTINY-Breast04-Studie insbesondere beim Gesamtüberleben: Die Patientinnen in der Interventionsgruppe lebten im Median mehr als sechs Monate länger (23,4 versus 16,8 Monate). Der beobachtete Effekt war zudem bei Patientinnen ohne viszerale Erkrankung größer als bei Patientinnen mit viszeraler Erkrankung, sodass sich das Ausmaß des Zusatznutzens unterscheidet: erheblich für Patientinnen ohne viszerale Erkrankung, beträchtlich für Patientinnen mit viszeraler Erkrankung.
Ein relevanter Vorteil von Trastuzumab-Deruxtecan gegenüber der Vergleichsgruppe zeigt sich darüber hinaus auch bei der Mehrzahl der erhobenen Aspekte der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (körperliche, kognitive, und soziale Funktion sowie Rollenfunktion). Auch bei den schweren Nebenwirkungen gibt es positive Effekte, insbesondere bei der Gesamtrate der schweren unerwünschten Ereignisse mit erheblichem Ausmaß. Diesen stehen aber auch negative Effekte bei mehreren spezifischen unerwünschten Ereignissen gegenüber (u. a. schwere Übelkeit, schwerwiegende Infektionen oder schwerer Thrombozytenmangel).
Dass das IQWiG aus der DESTINY-Breast04-Studie nur Anhaltspunkte ableitet (die Aussagesicherheit also als gering bewertet), ergibt sich aus Unsicherheiten bei der Umsetzung der zweckmäßigen Vergleichstherapie, bei der Auswahl und Dosierung der Chemotherapien im Vergleichsarm und aus fehlenden Angaben zur Vorbehandlung der Studienteilnehmerinnen.
Insgesamt sieht das IQWiG für Patientinnen mit inoperablem oder metastasiertem HER2-low-Brustkrebs, die bereits eine Chemotherapie in der metastasierten Situation erhalten haben oder bei denen während oder innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung der adjuvanten Chemotherapie ein Rezidiv aufgetreten ist, überwiegend Vorteile für die Behandlung mit Trastuzumab-Deruxtecan: Für Patientinnen mit viszeraler Erkrankung gibt es einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen und für Patientinnen ohne viszerale Erkrankung einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen von Trastuzumab-Deruxtecan gegenüber einer Therapie nach ärztlicher Maßgabe.
„Die Ergebnisse aus der DESTINY-Breast04-Studie sind für die Praxis sehr relevant“, betont Katrin Nink aus dem IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung. „Denn wir wissen jetzt, dass Trastuzumab-Deruxtecan auch bei der Behandlung des Mammakarzinoms mit niedriger HER2-Expression eingesetzt werden kann. Somit vergrößert sich die Population der Patientinnen, die von diesem Medikament profitieren, deutlich.“
G BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.
Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.
Originalpublikation:
https://www.iqwig.de/projekte/a23-07.html
Weitere Informationen:
https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_92…
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch